• 19. Juni 2016 · 16:43 Uhr

Formel 1 Baku 2016: Nico Rosberg siegt vor Sebastian Vettel

Der Sieg bei der Formel-1-Premiere in Aserbaidschan geht an Rosberg vor Vettel und Perez - Hamilton beendet Aufholjagd nach kuriosem Technikproblem auf Rang fünf

(Motorsport-Total.com) - Nico Rosberg hat bei der Formel-1-Premiere in Aserbaidschan seinen fünften Saisonsieg gefeiert. In den Straßen der Hauptstadt, auf denen am Sonntag zum ersten Mal der sogenannte Europa-Grand-Prix ausgetragen wurde, siegte der Mercedes-Pilot von der Pole-Position weg mühelos und gab in 51 Runden die Spitze nicht ab. Das Podium komplettierten Sebastian Vettel (Ferrari) und Sergio Perez (Force India). Weltmeister Lewis Hamilton (Mercedes) kam nur auf den fünften Rang.

So schaffte es Rosberg auch, seine Führung in der WM-Gesamtwertung auf 24 Punkte gegenüber dem Erzrivalen aus dem eigenen Stall auszubauen. Er schwebte auf Wolke sieben, nachdem er die Szenerie gnadenlos dominiert hatte: "Es war ein ganz tolles Gefühl. Ich konnte alles machen, es war wie auf Schienen", schwärmt er von seinem Auto. Lob gab es auch von Sportchef Toto Wolff, der sagt: "Unheimliches Tempo von Anfang an, er ist weggefahren und hat das Rennen kontrolliert."

Sebastian Vettel, der von Startposition drei kam, blieb an der grünen Ampel zunächst hinter Daniel Ricciardo (7./Red Bull), überholte seinen früheren Teamkollegen jedoch kurz darauf dank des viel besseren Topspeeds mühelos und setzte zu einer ähnlich einsamen Fahrt an. "Mein Start war nicht so berauschend. Nicht schlecht, aber ich hatte ein bisschen viel durchdrehende Räder", sagt er. "Nico ist vorne weggezogen. Ihn habe ich dann das ganze Rennen nicht mehr gesehen."

Vor dem ersten und einzigen Boxenstopp diskutierte Vettel mit seinem Team, ob es nicht sinnvoll wäre, länger auf Supersoft draußen zu bleiben, weil seine Pneus nicht einbrachen. "Ich hatte das Gefühl, dass die Reifen länger halten und bin draußen geblieben. Im Nachhinein hat es super funktioniert, wir sind vor dem Red Bull rausgekommen", sagt Vettel über den misslungenen Undercut Ricciardos und bilanziert: "Alles in allem haben wir das Maximum rausgeholt."

Force-India-Pilot Sergio Perez, der wegen Getriebewechsels um fünf Startplätze zurückversetzt wurde, erwischte einen guten Start und arbeitete sich binnen weniger Meter auf die fünfte Position vor. Er machte im Zuge der Boxenstopps eine weitere Position gut und lief gegen Rennende auf Kimi Räikkönen (4.) auf, den er in der Schlussrunde überholte - allerdings hatte der Finne zu diesem Zeitpunkt auch schon abgefahrene Reifen und eine Zeitstrafe aufgebrummt bekommen.

Der Mexikaner war wegen seines zweiten Podiums in drei Rennen aus dem Häuschen und erinnerte an seinen Trainingscrash am Samstag: "Als ich das Auto an die Wand geknallt habe, war ich derart enttäuscht über mich selbst, weil ich wusste, dass wir eine große Chance auf ein tolles Resultat haben würden", meint Perez, der sich mit tadelloser und unauffälliger Fahrt rehabilitierte. Dass er Räikkönen trotz des Wissens um die Strafe noch attackierte, betrachtet er als selbstverständlich: "Als ich sah, dass es kein großes Risiko ist, war mir klar, dass ich es machen würde."

Der Finne, der nach seinem Start auf Rang vier lag und als erster Pilot die Box ansteuerte, um von Supersoft au Soft zu gehen, hatte sich besagte Sanktion eingehandelt, als er den Windschatten Ricciardos ausnutzen wollte. Als der Australier an die Box ging, blieb Räikkönen solange am Heck kleben, bis er nur noch über die weiße Linie am Eingang der Boxenstraße zurück auf die Strecke konnte. Es gab eine Fünf-Sekunden-Strafe, die ihm auf die Gesamtzeit aufgeschlagen wurde. "Ich verstehe ja die Regel, aber ich finde es auch Blödsinn", murrt er. "Man gewinnt dabei gar nichts."

Anschließend stecke Räikkönen im Verkehr und fluchte wie ein Rohrspatz darüber, dass Piloten mit Rundenrückstand nicht zügig von der Ideallinie verschwanden. "Da habe ich viel Zeit verloren. Der Kerl, der die Strafen verteilt, sollte wenigstens auch die blauen Flaggen geben." Vettel, der mit den neueren Reifen, aber dem späteren Stopp zwischenzeitlich hinter ihn zurückgefallen war, musste er auf Anweisung der Ferrari-Box Platz machen, um die Reihenfolge der Roten wiederherzustellen. Großartig wehren können hätte sich der viel langsamere Räikkönen aber ohnehin nicht.

Dass der nach seinem Qualifying-Crash von Startplatz zehn gekommene Lewis Hamilton nach einem ersten Stint mit einigen Überholmanövern im Mittelfeld versauerte, hatte damit zu tun, dass er gegen Rennhalbzeit mit einem Problem am Hybridantrieb seines Mercedes kämpfte. Das Auto rief nicht mehr das Maximum an zur Verfügung stehender Energie für die Hybridsysteme ab. Der Brite wusste nicht, wie er es mittels der Knöpfchen im Cockpit und der Bedienung für das Triebwerk lösen sollte. "Lächerlich, Jungs. Ich will nicht alle fünf Sekunden auf mein Lenkrad schauen und versuchen, den Schalter in der falschen Position zu finden", haderte er im Funk.

Die neuen Regeln zur Kommunikation mit den Renningenieuren besagen jedoch, dass nur noch wenige Informationen an die Piloten weitergegeben dürfen, wenn es um das Fahren und nicht um sicherheitsrelevante Belange geht. "Ich werde alles am Auto umstellen", fauchte Hamilton wütend. Die Antwort von Mercedes: "Das würden wir nicht raten, Lewis." Auch ein heiteres Ratespiel blockte der Kommandostand wohl in Rücksprache mit der Rennleitung ab: "Kann ich Vorschläge machen und du sagst, ob es okay ist oder nicht?", fragte Hamilton, erhielt aber eine Absage.

Nach einiger Zeit löste der Brite die Sache dann doch. Übrigens hatte auch Rosberg an der Spitze mit dem Phänomen zu kämpfen, bekam es aber deutlich schneller in den Griff. "Wir hatten mit beiden Autos ein Problem mit der Konfiguration der Schalter", erklärt Sportchef Toto Wolff. "Das sorgte für etwas Verwirrung. Bei Lewis dauerte es länger, um es zu neu zu starten, denn Nico war in einer glücklicheren Situation, weil er zuvor einen Schalter verstellt hatte. Er musste dann nur einen verstellen. Es dauerte zwölf Runden. Dann hatte Lewis wieder Leistung, aber es war schon zu spät."

Sonst war in Aserbaidschan für das Rekord-Minuspublikum von weniger als 28.000 Zuschauern erstaunlich wenig Action zu bestaunen. "Bestimmt haben heute viele Leute Geld verloren, weil sie auf ein Safety-Car gewettet haben", scherzt Vettel über ein monotones Rennen, das ohne einen einzigen Unfall auskam. Selbst gelbe Flaggen machten sich rar, obwohl der Baku City Circuit schon jetzt als anspruchsvollste Bahn im Formel-1-Kalender gilt.

Die übrigen WM-Punkte griffen Valtteri Bottas (6./Williams), Daniel Ricciardo (7./Red Bull), Max Verstappen (8./Red Bull), Nico Hülkenberg (9./Force India) und Felipe Massa (10./Williams) ab. Sowohl die Red Bull als auch der Deutsche hatten Probleme mit einbrechenden Reifen, weshalb bei Ricciardo sogar der Medium-Pneu zum Einsatz kam - ein Unikum im gesamten Feld. "Ich war froh, dass ich das Auto überhaupt auf der Strecke halten konnte", sagt Hülkenberg. Der vierte Deutsche Pascal Werhlein (Manor) schied mit Bremsproblemen vorzeitig aus dem Rennen aus.

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