Zu riskant für Qualifying, aber: Windschatten bringt viel Zeit
Windschatten auf der Zielgeraden in Baku kann ein entscheidender Vorteil sein - Die Fahrer gehen aber nicht davon aus, dass Teamkollegen zusammenarbeiten werden
(Motorsport-Total.com) - Der Stadtkurs in Baku wartet mit dem längsten Vollgasanteil im diesjährigen Formel-1-Kalender auf. Williams-Pilot Valtteri Bottas erreichte im Freien Training auf der etwas mehr als zwei Kilometer langen Zielgeraden 351 km/h. Im Qualifying werden noch etwas höhere Geschwindigkeiten erwartet. "Ich hatte etwas Windschatten", gibt der Finne zu. "Aber wir sind den Motor noch nicht im Qualifyingmodus gefahren."
Es stellt sich die Frage, ob die Teamkollegen im Qualifying zusammenarbeiten könnten und sich gegenseitig Windschatten verschaffen. "Wenn man einen perfekten Windschatten erwischt, dann bringt dir das eine halbe Sekunde", rechnet Carlos Sainz vor. Allerdings glaubt am Freitag im Fahrerlager niemand, dass Teamkollegen für das Qualifying eine besondere Taktik verfolgen werden und zusammenarbeiten.
"Ein Windschatten macht zwar einen großen Unterschied, aber es ruiniert deine Runde in Sektor zwei", nennt Bottas den entscheidenden Nachteil. "Man will damit nicht zu viel spielen. Es ist besser, wenn man es simpel hält und versucht, alleine die beste Rundenzeit zu erzielen." Dem pflichtet auch Sainz zu: "Man kann mehr verlieren als gewinnen. Wenn man das Timing nicht hinbekommt, kann man mehr als eine halbe Sekunde verlieren. Wenn ein Windschatten vor mir ist, werde ich ihn nutzen, aber ich werde nicht nach einem Ausschau halten."
Windschatten: Man verliert mehr als man gewinnt
Ein weiteres Problem ist im Kompromiss bei der Abstimmung zu suchen. Die Flügel sind so flach, um einerseits in den Kurven noch genug Anpressdruck zu erzeugen und auf der anderen Seite auf der Zielgeraden nicht zu viel Luftwiderstand zu erzeugen. Vor allem bei Teams, die nicht mit der Mercedes-Power gesegnet sind, wird das zu einer Gratwanderung, denn die Kurven 17 sowie die Kombination 18/19 sind extrem schnelle Passagen.
Toro-Rosso-Pilot Sainz beschreibt das im Auto folgendermaßen: "Für uns ist der letzte Abschnitt ohnehin schon eine Herausforderung, da wir beim Heckflügel mit sehr wenig Abtrieb fahren. Diese Kurven werden mit 290 km/h gefahren und wir sind dort wirklich am Limit. Wenn man hinter einem Auto ein wenig Abtrieb verliert, dann wird es schwierig. Aber selbst wenn man vom Gas lupfen muss, wirkt der Windschatten hier so stark, dass man trotzdem aufschließen kann."
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Auch die Teamverantwortlichen glauben nicht, dass ihre Fahrer im Qualifying zusammenarbeiten werden. Renault-Teamchef Frederic Vasseur ist der Meinung, dass das einen der beiden Fahrer benachteiligen würde: "Also glaube ich nicht, dass irgendjemand dieses Spiel spielen wird." Auch Mercedes-Teamchef Toto Wolff ist dieser Meinung: "Seit ich seit den 1990ern im Motorsport bin, habe ich in keiner Serie gesehen, dass Windschatten zwischen zwei Teamkollegen beiden hilft."
Gene Haas weiß von den Superspeedways in Amerika, dass Windschatten eine wichtige Rolle spielen kann, wie die NASCAR-Rennen in Daytona und Talladega zeigen. Aber für die Formel 1 sieht er einen anderen Punkt für eine gute Rundenzeit entscheidender: "Ich habe ein wenig mit den Fahrern gesprochen. Bei diesen hohen Geschwindigkeiten muss man die schnellen Kurven hinbekommen. Die Zeit holt man aber, wenn die Bremsen richtig funktionieren."