• 14. Juni 2016 · 16:10 Uhr

McLaren: Kein Grund zur Freude für Baku-Botschafter Alonso

Warum McLaren in Baku ein ähnliches Schicksal wie in Kanada ereilen könnte und wie man mit Honda doch noch Force India und Toro Rosso schlagen will

(Motorsport-Total.com) - Wieder einmal gab es leere Versprechungen von McLaren an einem Rennwochenende. Beim Kanada-Grand-Prix wollten Jenson Button und Fernando Alonso zumindest in die Punkte fahren, von der modifizierten Antriebseinheit (zwei Token dafür verbraucht) erhoffte man sich auf der Ile Notre-Dame viel. Die Top-10-Platzierung ist es am Sonntagnachmittag in Montreal nicht geworden, stattdessen verabschiedeten sich alle Hoffnungen auf Fortschritt und Verbesserung in weißem Rauch, den Jenson Button schon in Rennrunde neun in seinem Seitenspiegel sehen konnte. Ein Ausfall und ein magerer elfter Platz sind die Bilanz einer Truppe, die wohl auch in Baku nicht zu viel versprechen darf.

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McLarens Kampf um "Best of the Rest": Jenson Button & Fernando Alonso Zoom Download

24 Punkte konnte McLaren mit Motorpartner Honda in der laufenden Saison einfahren, Kanada markierte den dritten Nuller der Saisonbilanz. Man liegt gerade einmal zwei Punkte vor Neueinsteiger Haas, beansprucht allerdings die Führung im Mittelfeld. Jenes ist eng beisammen: Nach den drei Topteams an der Spitze und Williams auf einem komfortablen vierten Platz kämpfen Force India (42 Punkte), Toro Rosso (32) und eben McLaren (24) um den Titel "Best of the Rest".

Zwar bekommt Force India Unterstützung von Mercedes, McLaren hat gemeinsam mit Honda aber das deutlich größte Budget aller Mittelfeldteams zur Verfügung - kolportierte 235 Millionen Euro jährlich - und die größten Ressourcen mit 660 Angestellten, so viel wie die Teams Force India und Toro Rosso zusammengerechnet. Fernando Alonso sieht über diese Faktenlage hinweg und betont: "Das Team hat einen tollen Job gemacht in den vergangenen zwölf Monaten. Wir sind nun in einer besseren Position, als wir erwartet hätten. Im Qualifying waren wir vor einem der Force Indias, was vor ein paar Monaten noch schwer vorstellbar war."

Nur vier Zehntelsekunden Rückstand auf Ferrari?

Tatsächlich schaffte es Alonso mit einer 1:14.260 Minuten knapp (um 0,057 Sekunden) noch ins Q3 am Samstag in Montreal, ihm fehlten jedoch 0,3 Sekunden auf Nico Hülkenberg und 1,5 Sekunden auf Lewis Hamilton im letzten Abschnitt. Im Vergleich zum Vorjahr trotzdem ein großer Sprung. 2015 qualifizierte sich Alonso als 14. mit einer Zeit von 1:16.276 Minuten und war damit rund zwei Sekunden langsamer als die Pole-Zeit von Hamilton.

Alonso führt weiter aus: "Wir sind auch nur vier Zehntel hinter Ferrari. Das gibt jedem an der Strecke und in der Fabrik einen Schub." Blickt man auf die Qualifying-Zeit von Kimi Räikkönen, der schwächere Ferrari-Pilot, so fehlen Alonso in Q3 immer noch rund 0,8 Sekunden auf seinen ehemaligen Teamkollegen - nur in Q2 kommt der 34-Jährige auf rund vier Zehntelsekunden an den Finnen heran.


Fotostrecke: GP Kanada, Highlights 2016

Force India scheint jedenfalls gewarnt zu sein. Nico Hülkenberg weiß: "An jedem Wochenende bringen sie irgendetwas - auch hier (in Kanada; Anm. d. Red.). Es scheint für sie zu funktionieren, und ich habe sie für den Rest des Jahres auf der Rechnung", meint der Deutsche wenig überrascht. Tatsächlich entwickelt Honda nicht nur am Antriebsstrang, McLaren brachte nach Montreal auch einige kleine Weiterentwicklungen an der Aerodynamik, wie dem Frontflügel oder den Bremsbelüftungen.

Wird Ungarn wieder das McLaren-Saisonhighlight?

Sergio Perez zeigt sich überrascht von der McLaren-Pace. Zumindest am Samstag konnte ihn Alonso schlagen. "Sie waren auch in Bahrain schnell" - eine Strecke mit langen Geraden auf der Power zählt. Zumindest einen Punkt konnte dort Alonso-Ersatzmann Stoffel Vandoorne einfahren. Auch Toro-Rosso-Youngster Carlos Sainz hat McLaren auf der Rechnung, die Jungbullen werden in der zweiten Saisonhälfte weniger weiterentwickeln können und haben den 2015er-Ferrari-Motor als Handicap im Heck. "Ich fürchte, dass wenn sie auf einer Strecke wie Kanada schnell sind, so ziemlich auf jeder Strecke da sein werden", meint Sainz. Er weiß: "Der Kampf im Mittelfeld wird immer enger."

Er hat auch Force India auf der Rechnung, die er derzeit noch einen Schritt voraus sieht: "In Silverstone oder Ungarn können McLaren und wir sie schlagen, denke ich. Das wird für den Rest des Jahres der Kampf im Mittelfeld bleiben", prophezeit der junge Spanier. In Ungarn 2015 konnte McLaren-Honda mit zwölf Punkten das bisher beste Teamergebnis in der neuen Ära einfahren, in Monaco 2016 schaffte man mit einem fünften und einem neunten Platz dieses Kunststück erneut.

Mit McLaren wird laut Sainz vor allem in der zweiten Saisonhälfte zu rechnen sein. Aber auch mit Toro Rosso: "Auch wenn wir keine Upgrades in den ersten sieben Rennen gebracht haben, sind wir trotzdem nicht zurückgefallen - während all unsere Konkurrenten viele Updates gebracht haben, fahren wir seit dem ersten Rennen noch mit dem gleichen Auto, und sind trotzdem noch nicht zurückgefallen."

Buttons Motorschaden noch nicht geklärt

In Baku wartet nun bereits die nächste Herausforderung auf Alonso, Button und den MP4-31. Der Spanier ist offizieller Botschafter des Rennens, sieht aber trotzdem ein hartes Wochenende auf ihn zukommen: "Wir müssen verstehen, wie wir das Auto auf solchen Strecken (Kanada; Anm. d. Red.) mit langen Geraden schneller machen können", fordert der Doppelweltmeister. Derzeit sei man einfach nicht schnell genug. "Uns fehlt natürlich die Motorleistung, aber das müssen wir dann halt über die Aerodynamik kompensieren, damit wir im Rennen mit anderen Autos fighten können."

Die langen Geraden auf dem Baku City Circuit werden dem McLaren also kaum entgegenkommen, was auch Honda-Motorenchef Yusuke Hasegawa befürchtet: "Wir denken, dass Baku ähnlich angelegt ist wie Kanada, mit einer 'stop-and-go'-Charakteristik und langen Geraden, was eine weitere harte Challenge für unser Team ergibt." Während man sich auf den nächsten Grand Prix bereits vorbereitet, ist der vergangene noch nicht restlos aufgearbeitet. "Das Problem an Jensons Antriebseinheit in Kanada wird immer noch untersucht", erklärt Renndirektor Eric Boullier.

Man werde den Motorschaden analysieren und das Problem identifizieren, erklärt der Franzose. Er gibt jedoch zu: "Montreal war trotz aller Anstrengungen besonders hart zu unserem Paket, aber wir wussten, dass es schwierig werden wird. Es war deshalb auch entmutigend, außerhalb der Punkte zu landen." Ex-Weltmeister Button selbst wirkt resigniert und kommentiert seinen Ausfall mit einer Prise Galgenhumor: "Es ist immer so, nicht wahr? Wenn du Benzin sparst und in einer guten Position bist, dann hält das Ding nicht."

Berger traut Honda viel zu

Alonso, der in den vergangenen Monaten bereits mehrfach auf Besuch in Baku war, beschließt das Montreal-Wochenende mit einer weiteren, ernüchternden Erkenntnis: "Im Rennen wurden wir von stärkeren Teams geschlagen. Es war bei den kühleren Temperaturen schwierig, die Wärme in den Reifen zu halten, was bedeutet hat, dass wir nicht so gut abschneiden konnten." In Baku gebe es ein paar ähnliche Passagen wie in Montreal und obwohl es ein Straßenkurs ist, auf denen sich McLaren immer bessere Chancen ausrechnet, winkt er ab und meint diplomatisch: "Es wird für die Antriebseinheit und das Chassis sehr anspruchsvoll."

Auch wenn bei den Beteiligten die Vorfreude auf Baku mäßig euphorisch ausfällt, will Ex-Formel-1-Pilot Gerhard Berger den Teufel nicht an die Wand malen: "Die darf man nicht unterschätzen", meint der Österreicher bei 'Bild'. "Alonso, Honda, McLaren - das passt", glaubt er. Honda habe Racing-Spirit und eine Erfolgsstory: "Sie haben eine Racing-Kultur in ihrem Haus, denen traue ich auch zu, aufzuschließen". Fragt sich nur wann...

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