Spannende Wetterfrage: Regenchaos oder Taktikgähner?
Mit Interesse blicken alle Teams morgen vor dem Rennen gen Himmel: Regnet es, droht Chaos, doch bleibt es trocken, dann könnte die Taktik ziemlich statisch werden
(Motorsport-Total.com) - Der Formel 1 steht ein spannender Grand Prix bevor. Kanada könnte schon allein aufgrund des Wetters zu einer aufregenden Angelegenheit werden. Schon der Samstag war durchwachsen mit mehrfach drohendem Regen in der Qualifikation, am Sonntag könnte dieser laut Vorhersagen kommen. Aus diesem Grund haben sich heute schon viele Teams in Sachen Setup darauf vorbereitet und sind mit mehr Abtrieb gefahren, was ihre Chancen im Trockenen ein wenig geschmälert hat.
Doch ob der Regen kommt, ist nicht gewiss. Fest steht, dass die Temperaturen noch weiter sinken sollen, die mit 15 Grad Celsius ohnehin schon relativ niedrig waren. Kommt der Regen hinzu, könnte es schnell chaotisch werden: "Wenn es regnet, hat die Strecke keinen Grip - und die Mauer stehen ziemlich nah. Es ist ähnlich wie in Monaco", fürchtet Williams-Pilot Felipe Massa. Doch Jenson Button flachst: "Nach der Monaco-Erfahrung mit den Regenreifen können wir mit allem umgehen."
Die ersten Runden im verregneten Fürstentum fanden hinter dem Safety-Car statt, und in Montreal droht womöglich ein ähnliches Szenario, denn dann gleicht der Circuit Gilles Villeneuve einer Eispiste: "Es wird definitiv interessant werden, speziell bei starkem Regen, weil Aquaplaning auf dem glatten Asphalt hier zum Problem werden kann", meint Nico Hülkenberg. "Im Regen kann alles passieren. Es kann viele Safety-Cars geben", stimmt Massa zu.
Im Trockenfall: Kaum Taktikmöglichkeiten
Gut wäre das sicherlich vor allem für die Hinterbänkler, die dann zu guten Chancen auf Punkte kommen. "Es ist riskanter, gibt einem aber auch mehr Möglichkeiten", merkt Manor-Pilot Pascal Wehrlein an. Und sollte die Strecke wie vor zwei Wochen abtrocknen, dann ist der richtige Zeitpunkt zum Reifenwechsel gefragt. "Hoffentlich treffen wir die richtigen Entscheidungen", sagt Valtteri Bottas, doch der Satz könnte wohl aus dem Mund aller Piloten stammen.
Sauber-Vorschau auf den Grand Prix von Kanada
Marcus Ericsson und Felipe Nasr blicken auf das Rennwochenende in Montreal. Das Wetter könnte laut den Piloten eine große Rolle spielen Weitere Formel-1-Videos
Möglicherweise bleibt der Regen aber aus und das Rennen muss im Trockenen gefahren werden. Dann sieht die Strategie der Fahrer wieder komplett anders aus. Droht dann die komplette Langeweile? "Wenn es trocken bleibt, geht es nur darum, die Reifen zu schonen", kündigt Weltmeister Lewis Hamilton an. Denn dann geht es vor allem darum, dafür zu sorgen, dass man mit einem Stopp über die Runden kommt.
Reifenhersteller Pirelli hat in einem solchen Fall wohl schon indirekt dafür gesorgt, dass es so kommen wird, denn bleibt es trocken, dann muss jeder Fahrer im Rennen die Softmischung benutzen. Taktische Kniffe bleiben dann aus. Ein Start auf Supersoft und ein Wechsel auf Soft in Runde 26 von 70 ist laut Pirelli der schnellste Weg morgen. Mit den Ultrasofts, die die Top 10 nehmen muss, bleibt nicht viel Spielraum: Pirelli empfiehlt die gleiche Taktik, nur mit einem Stopp eine Runde früher.
Zu kalt: Probleme beim Aufwärmen?
Somit wären alle Piloten im Grunde auf einer ähnlichen Strategie, außer jemand entschließt sich zu einem Start auf Softs oder zu zwei Stopps - aber eine aggressive Strategie mit nur Ultrasoft und Supersoft ist nicht möglich. Überhaupt liegen Supersoft und Ultrasoft ohnehin zu nah beieinander, meint Lewis Hamilton: "Der Ultrasoft ist aus irgendeinem Grund nicht weich, die Mischung ist ziemlich hart", erklärt er.
Das hat zu dem Phänomen geführt, dass einige Teams sogar den Supersoft leichter auf Temperatur bringen konnten als den Ultrasoft. In Montreal gab es daher die ungewöhnlichen Szenen, dass die meisten Piloten zwei Einführungsrunden benötigt haben, weil der Pneu auf dem glatten Asphalt nicht schnell genug auf Temperatur kam. "Man konnte für die erste Runde pushen, aber sie waren nicht bereit", meint Hamilton.
Möglicherweise könnte das auch zu einem Problem im Rennen führen, wenn die Reifen nach dem Start nicht heiß genug sind. "Es wird schwierig werden", sagt Button, winkt aber ab: "Nach einer Runde wird alles in Ordnung sein." Doch am Ende kommt womöglich eh alles anders, als sich das jeder im Voraus ausmalt. "Wir werden es bis zum Rennen nicht wissen, wie es sich entwickelt", so Pirellis Motorsportchef Paul Hembery. Das ist auch eine Art Spannung.