Werde jetzt Teil der großen Community von Formel1.de auf Facebook, diskutiere mit tausenden Fans über die Formel 1 und bleibe auf dem Laufenden!
Mercedes-Stallorder: Ein Gentleman lädt zum Monaco-Sieg ein
Sauberes Teamplay von Nico Rosberg ermöglicht Mercedes-Kollege Lewis Hamilton den Sieg im Grand Prix von Monaco 2016: Es gibt da doch ein Agreement...
(Motorsport-Total.com) - Nico Rosberg hat seinem ärgsten Formel-1-Gegenspieler eine Party im eigenen Wohnzimmer ermöglicht. Der WM-Leader aus dem Lager von Mercedes schenkte Teamkollege Lewis Hamilton im Grand Prix von Monaco 2016 die Chance auf den Sieg, die dieser - auch wegen von Red-Bull-Fehlern - konsequent nutzte. Grundlage war eine Vereinbarung bei den Silbernen: Wer aufgrund mangelnden Tempos den Teamerfolg in Gefahr bringt, hat den Kollegen ziehen zu lassen.
© xpbimages.com
Manöver in Runde 16: Nico Rosberg lässt Lewis Hamilton am Berg vorbeiziehen Zoom Download
Und genau dies war im anfangs nassen Formel-1-Rennen in den Straßen des Fürstentums der Fall gewesen. In den ersten 15 Runden des Grand Prix konnte Daniel Ricciardo (Red Bull) den Silberpfeilen meilenweit enteilen, weil der zunächst zweitplatzierte Nico Rosberg das Tempo nicht einmal ansatzweise mitgehen konnte. Dahinter machte Lewis Hamilton viel Druck, kam aber nicht vorbei. Erst in Runde 16 gab der Deutsche den Weg für seinen britischen Widersacher frei.
"Er hat keine Fragen gestellt", berichtet Mercedes-Motorsportchef Toto Wolff. "Wir haben ihm zuerst gesagt, er soll mehr Tempo machen. Als das nicht klappte, war die Ansage, dass er Lewis ziehen lassen soll." Rosberg, der seine Serie von zuvor drei Monaco-Siegen in Folge gern ausgebaut hätte, befolgte den Befehl vom Kommandostand prompt. "Es ging um den Sieg in Monaco. Da ist es klar, dass man alles versucht. Für mich war das schmerzhaft - ganz klar. Aber die Entscheidung war absolut naheliegend", sagt er.
Vereinbarung bei Mercedes: Stallorder gibt es also doch
An Rosbergs Mercedes kamen die Regenreifen nie auf passende Betriebstemperatur, am Fahrzeug des Teamkollegen allerdings schon. "Er wurde irgendwie plötzlich langsamer, und dann bin ich vorbeigefahren. Ich habe jedenfalls nicht darum gebeten, dass er mich durchwinkt", sagt der spätere Sieger. "Wenn das Team dich auffordert, mehr Gas zu geben, und dir das dann nicht gelingt und du somit den Teamerfolg in Gefahr bringst - für solche Fälle gibt es eine Vereinbarung."
"Ich habe mich bedankt, dass er solch ein Gentleman war", sagt Hamilton - und Mercedes-Boss Wolff "würde seine Kappe ziehen, wenn ich wie Niki eine hätte". Teamplay vom Feinsten - allerdings nicht mit Freude. "Aber eine solche Regel besteht bei uns nun schon seit vielen, vielen Jahren. Es war halt klar, dass ich mit meinem Auto keine Chance auf den Sieg haben würde. Da ist es logisch, dass man Lewis die entsprechende Chance geben muss", gibt sich Rosberg als fairer Verlierer seines Heimrennens.
Fotostrecke: GP Monaco, Highlights 2016
Der Bann ist gebrochen: Lewis Hamilton gewinnt nach acht sieglosen Rennen wieder einen Grand Prix, seinen ersten in Monaco seit 2008. Daniel Ricciardo fühlt sich "gefickt", weil ihm Red Bull den zweiten Sieg hintereinander kostet. Und Sergio Perez strahlt: "Ich wusste, dass Monaco im Regen eine Gelegenheit ist, mein Talent zu zeigen." Fotostrecke
"Schmerzhafter war die Tatsache, dass ich mit meinem Auto überhaupt nicht auf Tempo kam. Mir war irgendwann klar, dass ich mit diesem Auto nicht würde gewinnen können", meint der in Monaco aufgewachsene Deutsche. An der Boxenmauer wurde schnell klar, dass Rosberg die Chance auf einen Mercedes-Sieg im Fürstentum in Gefahr bringen würde. "Wir haben Nico einige Zeit gegeben, damit er seine Reifen ins Fenster bringen kann - aber das hat nicht geklappt. Dann haben wir die entsprechende Ansage gemacht, weil sein Tempo einfach viel langsamer war."
"Es war richtig, denn andernfalls hätte Lewis das Rennen nicht gewonnen", gibt sich Rosberg, der am Ende nur Siebter wurde, mit den Abläufen am Renntag zufrieden. "Für jeden Fahrer ist es unglaublich schwierig, eine solche Ansage zu akzeptieren. Das verstehen wir, und deswegen haben wir es uns über viele Runden zunächst einmal angeschaut", sagt Wolff. "Dabei haben wir ganz schön viel an Boden verloren. Wir haben lange darüber diskutiert, denn solche Ansagen machen wir sonst nicht."
Trotz bei Rosberg: WM-Stand lieber nicht anschauen
Offenbar hat der Österreicher in diesem Fall eine kleine Erinnerungslücke. 2014 in Ungarn gab es unter umgekehrten Vorzeichen eine solche Stallorder im Grand Prix in Budapest. Der Unterschied: Hamilton reagierte damals nicht auf die entsprechenden Ansagen, Rosberg biss sich die Zähne aus. Heute stellt Hamilton seinen Dank zur Schau, nennt den Teamkollegen einen Gentleman und erinnert an Silverstone 2008, wo ihm der damalige McLaren-Teamkollege Heikki Kovalainen einen Erfolg per Stallregie ermöglichte.
Die Situation war vor acht Jahren allerdings eine komplett andere. Stallregie fiel leicht, weil Hamilton damals im engen Clinch mit den Herren Räikkönen, Massa und Kubica um die WM-Führung lag und Kovalainen in diesen Regionen nicht mithalten konnte. Heute ist Rosberg derjenige, der die Weltmeisterschaft anführt und seinem 2016 bislang weniger erfolgreichen Teamkollegen den Sprung auf Platz zwei der Tabelle ermöglichte: nur noch 24 Zähler Vorsprung für den gebürtigen Wiesbadener.
"Im Moment denke ich nicht an die Situation in der WM, denn aktuell bin ich einfach enttäuscht, dass ich in Monaco nicht habe gewinnen können. Es ist mein Heimrennen, der beste Grand Prix des Jahres - entsprechend bin ich niedergeschlagen", sagt Rosberg. Dem Deutschen ist klar, dass er seinem härtesten Gegner im Titelkampf ein großes Geschenk gemacht hat. Fast trotzig erklärt er: "Fragt mich in dieser Situation nicht nach den WM-Punkten. Keine Ahnung, darauf schaue ich nicht."