Dicke Luft bei Sauber: Beide Fahrer machen sich unbeliebt
Die Kollision zwischen Marcus Ericsson und Felipe Nasr im Grand Prix von Monaco 2016 sorgt für Kopfschütteln - Sauber-Teamchefin: "Es ist nicht akzeptabel"
(Motorsport-Total.com) - Sauber steht in der aktuellen Formel-1-Saison 2016 mit dem Rücken zur Wand. Neben argen finanziellen Nöten, die unter anderem für verspätete Gehaltsüberweisungen an die Mitarbeiter sorgten, wird das Team aus Hinwil von einer sportlichen Talfahrt getroffen. Sauber hat im laufenden Jahr noch keinen einzigen WM-Zähler eingefahren, in der Konstrukteurs-Meisterschaft befindet man sich auf einem Niveau mit dem kleinen Manor-Team aus Großbritannien.
Während die Manor-Piloten Pascal Wehrlein (14.) und Rio Haryanto (15.) ihr Fahrzeuge im Grand Prix von Monaco 2016 unter teils schwierigen Bedingungen wenigstens sicher und heil ins Ziel brachten, lieferten die beiden Sauber-Piloten Kleinholz ab. Schlimmer noch: Marcus Ericsson und Felipe Nasr schossen sich gegenseitig ab - und sorgten somit für noch dickere Luft beim Schweizer Team. Die beiden "Saubermänner" mögen sich seit ihren harten GP2-Duellen ohnehin nicht besonders.
24 Runden vor dem Ende des ereignisreichen Formel-1-Rennens in Fürstentum setzte Ericsson eine wütende Attacke auf Nasr - und beendete mit einem Crash alle Hoffnungen auf einen eventuell möglichen Punktgewinn von Sauber. "Warum hat Marcus das getan? Warum?", wütete der Brasilianer nach dem fragwürdigen Manöver in Rascasse im Funk. Dem Schweden war der Geduldsfaden gerissen. Zu lange hat er sich hinter seinen Teamkollegen anstellen müssen.
Als Ericsson die Geduld ausging...
Zum Zeitpunkt des Unfalls war eine Stallregie eigentlich beschlossene Sache gewesen. "Ich war auf den Ultrasofts extrem gut unterwegs, konnte drei bis vier Sekunden pro Runde schneller fahren", berichtet Ericsson, der das Team per Funk um einen Tausch der Positionen beider Sauber-Autos bat. "Man sagte mir, dass er Platz machen würde, weil der Unterschied beim Tempo so groß sei." Allerdings ging es dem Schweden nicht schnell genug.
Fotostrecke: GP Monaco, Highlights 2016
Der Bann ist gebrochen: Lewis Hamilton gewinnt nach acht sieglosen Rennen wieder einen Grand Prix, seinen ersten in Monaco seit 2008. Daniel Ricciardo fühlt sich "gefickt", weil ihm Red Bull den zweiten Sieg hintereinander kostet. Und Sergio Perez strahlt: "Ich wusste, dass Monaco im Regen eine Gelegenheit ist, mein Talent zu zeigen." Fotostrecke
Im Funk hatte man Ericsson mitgeteilt, dass der Platztausch in Kurve 1 (Sainte Devote) stattfinden solle, aber er setzte einige hundert Meter vorher in der Rascasse zu einem Manöver an, das nicht gutgehen konnte. "Ich hatte dem Team gesagt, dass ich zu viel Zeit verliere und es versuchen möchte. Sie haben mir gesagt, ich soll es tun", berichtet der 25-Jährige, der nach dem Rennen zu zwei Strafpunkten und einer Rückversetzung um drei Positionen in Montreal verdonnert wurde.
"Ich hing so lange hinter ihm fest", erklärt Ericsson, der sich am Heck von Nasr auf der Jagd nach Romain Grosjean (Haas) und Pascal Wehrlein (Manor) auf Rang 16 befunden hatte. "Ich wusste, dass man an der Stelle überholen kann. Aber natürlich bin ich mit dem Resultat meines Versuchs nicht glücklich." Noch weniger glücklich war Kontrahent und Teamkollege Nasr: "Das war vollkommen unnötig. Ich hatte ein tolles Rennen - und dann endet das so..."
Warum hat Nasr nicht mitgespielt?
"Ich hatte zuvor die Führenden vorbeilassen müssen. Dabei sind meine Reifentemperaturen in den Keller gefallen", erklärt Nasr den Tempounterschied. "Die Temperaturen kamen aber gerade wieder. Ich konnte pro Runde zwei Sekunden auf Grosjean gutmachen, ich holte definitiv auf. Ich sehe keinen Grund, warum das so enden musste. Teamorder hin oder her - die Autos müssen doch auf der Strecke bleiben. Immerhin sind wir letztlich doch Teamkollegen."
Dass die Luft zwischen den beiden Piloten noch dicker geworden ist, dürfte Teamchefin Monisha Kaltenborn nicht gefallen. "Beide lagen falsch", urteilt sie im Gespräch mit 'Autosport'. Es gehe nicht darum, einzelne Piloten glücklich zu machen, sondern ausschließlich um die Verantwortung für das gesamte Team. "Die jungen Kerle müssen um diese Verantwortung wissen - und ich bin sicher, dass tun sie jetzt auch. Wir hatten ein Gespräch und haben es diskutiert. Ich bin sicher, dass so etwas nicht noch einmal passiert."
"Das, was dort passiert ist, ist nicht frustrierend - es ist schlichtweg nicht akzeptabel", sagt die österreichische Teamchefin der Schweizer. Kaltenborn hat zunächst in einzelnen, später in gemeinsamen Gesprächen mit beiden Fahrern offenbar klare Worte gewählt. "Keiner erwartet, dass sie beste Freunde sind, aber ich habe sie nochmal an die Verantwortung erinnern müssen." Laut Ericsson hatte Nasr die Ansage zum Platztausch bereits "sieben oder acht Runden" vor der Kollision bekommen.