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"Nicht zu entschuldigen": So kam es zu Red Bulls Horrorstopp
Wie Red Bull den Sieg verschenkte: Reifenwahl bei Daniel Ricciardo unnötigerweise umdisponiert, Pneus außerhalb der Box gelagert und Monaco-Logistik nicht bedacht
(Motorsport-Total.com) - Wie ein aufgescheuchter Hühnerhaufen flatterten die Red-Bull-Mechaniker beim Monaco-Grand-Prix am Sonntag um das Auto Daniel Ricciardos, als sie beim zweiten Boxenstopp des Australiers die Reifen suchten - die schlichtweg fehlten, als der Australier angehalten hatte. Das Malheur kostete der Truppe den Sieg, der Pilot schäumte vor Wut. Doch wie kam es zu dem Fauxpas, der so gar nicht an das einstige Weltmeisterteam erinnerte? Die rennentscheidende Szene in der Analyse.
Das Red-Bull-Dilemma begann bereits in Runde 31, als der Führende Lewis Hamilton zu seinem ersten Boxenstopp abbog und von Regenreifen auf Ultrasoft wechselte. Das sorgte für Konfusion. Denn die Österreicher hielten es für grenzwertig und rechneten nicht damit, dass Mercedes plante, mit der lila markierten Mischung bis Rennende durchzufahren. "Uns war überhaupt nicht klar, ob er nicht nochmals wechseln müsste", beschreibt Teamchef Christian Horner die Szene. Man reagierte.
Denn zwischenzeitlich war der auf den zu diesem Zeitpunkt gut funktionierenden Intermediates fahrende Ricciardo deutlich zügiger unterwegs als Hamilton und brannte mit freier Fahrt eine Wunderrunde in den Asphalt. "Daniel war vor dem Stopp sieben oder acht Sekunden schneller als Lewis auf seiner Outlap", unterstreicht Horner. "Wir hatten noch eine Menge Zeit, zumindest für meinen Geschmack, um uns dafür zu entscheiden, eine härtere Mischung mitzunehmen."
Platzproblem in Monaco: Reifen lagerten nicht in, sondern hinter Box
Gesagt, getan. Denn Red Bull hatte weiterhin die Befürchtung, hinter Hamilton zu landen und wollte einen Pneu mit längerem Durchhaltevermögen, um notfalls mit einer Schlussattacke aus möglichen Reifenproblemen Hamiltons Kapital zu schlagen - auch wenn man ahnte, dass der Mercedes die Gummis nicht schnell genug auf Temperatur bringt. Als Ricciardo aus dem Tunnel kam, erhielt er den Funkspruch, an die Box zu kommen. Die Mechaniker bekamen die Anweisung, Supersoft beizuschaffen. Die große Hektik kam auf und das Drama nahm seinen Lauf.
Horner ahnte davon nichts. "30 Sekunden", seufzt er. Eine halbe Minute, die locker vergeht, ehe ein Auto in Monaco von der Hafenschikane an die Box gefahren ist, reicht für eine Rochade bei den Reifen. Doch der so aus der Zeit gefallene Straßenkurs an der Cote d'Azur ist alles andere als ein Normalfall. "Ich suche keine Entschuldigungen", stellt Horner klar, "denn es gibt keine. Aber an einem normalen Arbeitstag wäre es kein Problem gewesen." An diesem Sonntag aber schon.
Spontaner Mischungswechsel war vollkommen unnötig
In Monaco mangelt es überall an Platz, auch in der Garage - vor allem, wenn die Strecke nass ist und die neuen Reifenregeln mehr verschiedene Gummis vorsehen. "Es ist schwierig, gleich drei Typen Trockenmischungen und zwei Regenvarianten gleichzeitig in der Box stehen zu haben", so Horner. "Der Kommandostand ist oben, die Box unten, die Reifen in den Heizdecken sowohl in als auch hinter der Box... Leider war der Satz, den wir angefordert hatten, nicht zur Hand und hinter der Garage. Es gab ein Gedrängel bei den Mechanikern." Zeit verging, Ricciardo kam, die Reifen nicht.
Unglücklicherweise war der Satz Supersoft auch noch am weitesten entfernt, was für zusätzlichen Zeitverlust sorgte. Zu allem Überfluss wurde den Strategen bei Red Bull zehn Sekunden vor dem Stopp auch noch klar, dass die Aktion vollkommen überflüssig war, weil Ricciardo ohnehin deutlich vor Hamilton auf die Bahn gekommen wäre und mit identischer Mischung die Szenerie von der Spitze aus hätte kontrollieren können. Doch da tobte ein Stockwerk tiefer schon das Tohuwabohu.
Zeit ging verloren und als Ricciardo endlich mit Walzen auf den Achsen die Box verließ, flog der Silberpfeil an ihm vorbei. Hamilton staunte selbst: "Ich wusste nicht, dass er ein Problem hatte. Meine Outlap war der Horror, ich hatte keinen Grip und das Auto fühlte sich nur in einer Kurve gut an", lässt der Rennsieger die Szene Revue passieren. "Ich kam die Gerade runter, sah ihn kommen. Da wusste ich, dass ich ihn kassieren würde, weil es dort (am Boxenausgang; Anm. d. Red.) nass und rutschig ist." Auf Slicks sofort Druck machen? Unmöglich. Hamilton hatte die Führung inne.
Mercedes: Ultrasoft nur wegen Red-Bull-Longruns gewählt
Kurios: Mercedes schlug die Strategie mit dem langen Stint auf Ultrasoft nur an, weil sie im Freien Training bei Ricciardo und bei Verstappen beobachtet hatten, wie langlebig der lila markierte Pneu auf Longruns ist. Red Bull war das offenbar entgangen. Horner ist nur deshalb bedient: "Es ist ein Schlag in die Magengrube, einen Sieg so zu verlieren. Wir können uns bei Daniel nur dafür entschuldigen, nicht gut genug gewesen zu sein", bedauert er und will keine Parallele zum Vorfall in Spanien ziehen: "Barcelona war etwas ganz anderes, das hätte so oder so ausgehen können."
Fotostrecke: GP Monaco, Highlights 2016
Der Bann ist gebrochen: Lewis Hamilton gewinnt nach acht sieglosen Rennen wieder einen Grand Prix, seinen ersten in Monaco seit 2008. Daniel Ricciardo fühlt sich "gefickt", weil ihm Red Bull den zweiten Sieg hintereinander kostet. Und Sergio Perez strahlt: "Ich wusste, dass Monaco im Regen eine Gelegenheit ist, mein Talent zu zeigen." Fotostrecke
Zu der zuvor getroffenen Entscheidung, mit Ricciardo von Regenreifen zuerst auf Intermediates und dann auf Slicks zu wechseln, obwohl das den Verlust der Führung bedeutete, steht Red Bull allerdings - ungeachtet der Tatsache, wie schwierig das Überholen in Monaco ist. "Der Regenreifen war über seinen Zenit. Wir hielten es für normal und vernünftig", sagt Horner.
Er deutet an, den Teamkollegen als Versuchsballon genutzt zu haben. "Die Strecke verbesserte sich und Intermediates waren zwei oder drei Sekunden schneller. Das haben wir bei anderen Autos gesehen und bei Max beobachtet, den wir deswegen früher reingeholt hatten." Er glaubte nicht daran, dass Hamilton mit seiner Risiko-Taktik zum Erfolg kommen würde. "Das sah schon tapfer aus", sagt Horner über die Mercedes-Entscheidung, die nie siegbringend gewesen wäre, wäre Red Bull nicht kurz darauf im Chaos versunken.