Formel 1 China 2016: Ferrari fordert Mercedes heraus
Bestzeit für Kimi Räikkönen im Freitagstraining in Schanghai, Mercedes nur auf den Plätzen drei und vier - Experte Marc Surer: "Ferrari kann mithalten"
(Motorsport-Total.com) - Nicht etwa einer der beiden Mercedes-Stars, sondern Kimi Räikkönen sicherte sich überraschend die Freitagsbestzeit beim Grand Prix von China in Schanghai (Formel 1 2016 live im Ticker). Der Ferrari-Pilot wurde in der zweiten Session in 1:36.896 Minuten gestoppt und verwies damit seinen Teamkollegen Sebastian Vettel (+0,109) auf Platz zwei.
Erst auf den Positionen drei und vier reihten sich die Mercedes-Fahrer Nico Rosberg (+0,237) und Lewis Hamilton (+0,433) ein. Die beste Nachricht aus Rosberg-Sicht: Der Motor, dem am Ende des Vormittagstrainings am Boxenfunk vom Renningenieur noch "ein Problem" attestiert worden war, lief tadellos. Außerdem war der Deutsche nicht nur schneller, sondern auch fehlerfreier als Hamilton: Im Ausritt-Duell des Freitags schnitt er mit 1:4 besser ab.
Die starke Ferrari-Performance kam indes überraschend. "Im ersten Training sah es nicht so aus, als könnten sie mithalten. Aber sie können, sowohl auf eine Runde als auch auf die Distanz", analysiert Formel-1-Experte Marc Surer. Vettel erzielte in 1:41.9 Minuten sogar die absolut schnellste Longrun-Zeit des Tages. Besonders mit den Supersoft-Reifen überzeugte der Ferrari, während Hamilton auf den harten Mediums eine beeindruckende Konstanz zeigte.
Als Räikkönen einmal neben der Strecke war, unmittelbar nach einem Verstellen am Lenkrad, hatte er sich noch geärgert: "Wollt ihr wirklich, dass ich so weiterfahre? Das ist total..." Der Rest des Satzes, mutmaßlich ein Schimpfwort, wurde mit einem Piepston überspielt. Bis dahin litt Räikkönen an Übersteuern. Teamkollege Vettel war am Funk weniger auffällig, rutschte dafür aber nach Ablauf der Zeit in der Boxenstraße neben die Strecke - genau wie Hamilton im Jahr 2007.
Euphorie kommt bei Ferrari keine auf: "Es war kein einfacher Tag", sagt Räikkönen. "Der Wind hat sich ausgewirkt und es war rutschig. Eigentlich lief es alles andere als ideal, mit Ausnahme des einen Supersoft-Runs. Der Medium-Reifen fühlte sich gar nicht gut an." Und Vettel meint: "Wir können uns noch verbessern, die Balance ist nicht ideal. Wenn wir alles hinbekommen, sind wir potenziell ein bisschen näher dran. Ich würde da am Freitag aber noch nicht allzu viel hineinlesen."
Kein Thema waren die Reifenschäden von heute Morgen. Das Williams-Team hat in der Mittagspause festgestellt, dass ein Felgenbruch für den Luftverlust verantwortlich war, sodass die Angst vor einem Pirelli-Totalversagen schnell beseitigt war. Massa ("Wir verstehen das Problem") drehte am Nachmittag 34 Runden, blieb als 14. aber 2,318 Sekunden hinter der Spitze und eine halbe Sekunde hinter Teamkollege Valtteri Bottas (10.), der dieses Wochenende die neue Williams-Nase testet.
Interessant: "Ich hatte das gleiche Problem, hatte aber mehr Glück", sagt Bottas über die Williams-Felgenbrüche. "Ziemlich konkurrenzfähig, vor allem auf den Longruns", schätzt sich Daniel Ricciardo (Red Bull/+1,247) ein, der das Red-Bull-Paket anführt und sich für das Qualifying ein Top-5-Ergebnis vornimmt. Max Verstappen (Toro Rosso/+1,372), Nico Hülkenberg (Force India/+1,631) und Carlos Sainz (Toro Rosso/+1,646) rundeten die Top 10 ab.
McLaren belegte die Positionen elf und zwölf. Fernando Alonso erhielt in der Mittagspause die Startfreigabe für den Rest des Wochenendes. Insgesamt absolvierte der Spanier heute 42 Runden, die schnellste davon in 1:38.728 Minuten. Damit war er sogar um 0,100 Sekunden schneller als Teamkollege Jenson Button - und er stellte unter Beweis, dass er trotz nicht ganz verheilter Rippenbrüche nicht wirklich gehandicapt ist.
Gar nicht erst zum Fahren kam Kevin Magnussen. Nach dem Reifenschaden am Morgen wurde sein Renault-Team mit der Untersuchung des Defekts nicht rechtzeitig fertig, um ihn im zweiten Training noch einmal auf die Strecke zu schicken. Esteban Gutierrez (Haas), am Morgen schon im Technik-Pech, schaffte indes wieder nur vier Installationsrunden, bis seine Hinterradbremsen spektakulär abfackelten und an der Box gelöscht werden mussten.
Im hinteren Mittelfeld tat sich das Haas-Team diesmal relativ schwer, kam mit Romain Grosjean (+2,994) nicht über den 16. Platz hinaus. Bei Sauber war Marcus Ericsson (18.) der schnellere Mann, aber trotzdem über drei Sekunden langsamer als Rosberg. Und Pascal Wehrlein (17./Manor/3,045) fiel weniger mit seiner soliden Zeit auf als mit der lockeren Cockpit-Innenverkleidung, die ihn trotz auffälligen Flatterns nicht dazu bringen konnte, die Box anzusteuern.
"Das gefällt mir, sich nicht beeinflussen zu lassen von so unwichtigen Dingen", sagt Experte Surer über den jungen Deutschen, der heute um gut eine halbe Sekunde schneller war als sein Teamkollege Rio Haryanto. Morgen könnten die Karten aber völlig neu durchgemischt werden, weil für das Qualifying - übrigens erstmals in dieser Saison nach dem aus 2015 bekannten und bewährten Modus - Regen vorhergesagt ist...