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Rennvorschau Schanghai: Ist Nico Rosberg noch zu bremsen?
Ferrari bangt um Antriebe, McLaren um Alonso - Regen-Qualifying nach altem Modus droht - Gretchenfrage Topspeed, Reifenwahl verspricht Strategieschach
(Motorsport-Total.com) - Wenn am Wochenende auf dem International Circuit vor den Toren Schanghais die dritte Runde zur Formel-1-Saison 2016 steigt, ruhen alle Augen auf dem Schlagabtausch der Schwergewichte: Auch beim China-Grand-Prix werden Mercedes und Ferrari den Sieg unter sich ausmachen (alles live miterleben!). Trotzdem ist Spannung garantiert: Erstens, weil bei Topteams je ein Pilot intern unter Druck ist. Zweitens, weil der Kampf der Teams dahinter offen ist wie selten zuvor. Drittens, weil ein Reifenpoker bevorsteht.
Zunächst zur wichtigsten Regeländerung: Das umstrittene "Reise-nach-Jerusalem"-Qualifying ist seit dem vergangenen Donnerstag abgeschafft. FIA-Präsident Jean Todt und Bernie Ecclestone knickten ein und machten den Weg frei für eine von den Teams forcierte Rückkehr zum Format von 2015 und verwarfen auch die Idee, einen Modus mit zwei gezeiteten Runden pro Session zu testen. Das heißt: Das Risiko für die Platzhirsche, im Zeittraining zu patzen, ist wieder kleiner geworden.
In Schanghai könnte höchstens das Wetter den Spielverderber spielen: Denn während es am Freitag und am Rennsonntag trocken bleiben soll, sind für Samstag starke Niederschläge angekündigt. Die Temperaturen bleiben dabei angenehm: Bei Werten bis zu 23 Grad Celsius in der Spitze sind die Verhältnisse milde und die Windgeschwindigkeiten moderat, jedoch grüßt der in den Metropolen Chinas unvermeidliche Smog schon im Industriegebiet weit vor der City, wo sich der Kurs befindet.
Reifenwahl: Hamilton und Rosberg erstmals uneinig
Apropos Patzer: Die zahlreichen Fehler, die er noch beim Australien-Grand-Prix beging, scheint WM-Leader Nico Rosberg längst hinter sich gelassen zu haben. Nach zwei - auch mit etwas Glück eingefahrenen - Rennsiegen hat der Wiesbadener 17 Vorsprung auf Lewis Hamilton und scheint der Mann, den es in der Formel 1 zu schlagen gilt. Er hat saisonübergreifend die vergangenen fünf Läufe allesamt gewonnen und dominierte mit fehlerfreien Auftritten die Königsklassen-Szenerie.
Fotostrecke: FIA-Fast-Facts China
Der Große Preis von China wird zum 13. Mal ausgetragen. Das Rennen fand 2004 zum ersten Mal statt und stand seitdem immer im Kalender. Fotostrecke
Wenn auch nicht im Qualifying: Die Pole-Positions in Melbourne und in Bahrain gehörten beide Hamilton, der sich äußerlich nicht aus der Ruhe bringen lässt und darauf verweist, sein Tempo über den Winter nicht eingebüßt zu haben.. Die im Jahre 2015 wiedergewonnene Stärke auf einer Runde muss aber nicht Trumpf sein, denn auf der Bahn in China lässt sich überholen.
Der von der charakteristischen "Schneckenkurve" am Anfang einer jeden Runde und der über einen Kilometer langen Geraden mit anschließender Haarnadel geprägte Kurs erlaubt Windschattenduelle und lässt den Einsatz von DRS als großen Vorteil erscheinen. Hinzu kommt: Die Reifensituation ist spannender als zuletzt, denn erstmals wählten Rosberg und Hamilton unterschiedliche Sortimente. Beide vertrauen auf fünf Sätze Supersoft, der Deutsche opfert einen Medium zugunsten eines Soft. Eine aggressivere Herangehensweise, die sich bei niedrigen Temperaturen auszahlen könnte.
Paddy Lowe warnt vor dem Debüt der Supersofts in Schanghai, das im Falle eines verregneten Samstags kaum von Bedeutung sein könnte: "Das dürfte zu einem extremerem Beispiel davon führen, was wir in Bahrain gesehen haben. Der beste Reifen für das Qualifying waralles andere als ein großartiger Rennreifen", sagt der Mercedes-Technikchef. Er rechnet mit Stopps binnen fünf Runden, wenn das Körnen bei den Autos beginnt, die am Start keine Wahlfreiheit genossen haben.
Ferrari bangt: Hält der Antriebsstrang den China-Test aus?
Randnotiz: Startplatz elf wird umso wichtiger. Gut möglich, dass die Piloten, die sich in Q3 keine Verbesserungen mehr versprechen, darauf hoffen, im zweiten Abschnitt auf diesem Rang eliminiert zu werden und die Versuche der Konkurrenz aussitzen, wie es Haas-Pilot Romain Grosjean in Bahrain vormachte. Pirelli-Sportchef Paul Hembery rechnet mit "einer Bandbreite an möglichen Strategien". Das aus den Vorjahren bekannte Zweistopp-Modell der Topteams mit Soft-Soft-Medium ist nur möglich, wenn es im Qualifying regnet - sonst funkt der Supersoft dazwischen.
Ferrari will - und muss - von solchen Unsicherheitsfaktoren profitieren: Auf der Powerstrecke, die trotz 80 Prozent Kurven- und nur 65 Prozent Vollgasanteil die Wagen mit Mercedes-Hybriden bevorzugen wird, scheint die Scuderia schon im Qualifying Druck zu befürchten. Sebastian Vettel und Kimi Räikkönen haben trotz des bekannt hohen Reifenverschleißes sechs Sätze Supersoft nominiert - und hoffen, bei 12,6 Sekunden voll auf dem Gaspedal auf der Gegengeraden für die Konkurrenz keine leichte Beute zu sein. Doch kann Ferrari wirklich sorgenfrei aufdrehen?
Die Zuverlässigkeit war bis dato das größte Manko der Italiener und bescherte erst Räikkönen und dann Vettel jeweils einen Ausfall - dem Heppenheimer außerdem den zweiten Verbrennungsmotor der Saison, nachdem der V6 aus Bahrain nicht mehr zu retten war. Auch wenn das Team die Defekte auf einen angeblichen Softwarefehler schiebt: Die Gerüchte der Wintertests, dass der Antriebsstrang des Typs 059/5 die Achillesferse des Projekts wäre, erhielten dadurch neue Nahrung.
"Best of the Rest": Goldene Gelegenheit für Williams?
Hoffnungsschimmer: Mercedes startete in Bahrain zwar besser, die Kupplungsprobleme des W07 sind aber noch aktuell, die versprochene Daimlerlösung nicht in Sicht. Die Abstimmung müssen die Silberpfeile auch erst malhinbekommen: "In Schanghai kann es ziemlich warm sein, aber auch so kalt wie in Belgien", warnt Paddy Lowe. "Diese Schwankungen können den Teams das Leben beim Set-up und der Strategie erschweren." Risiko: Wer zu viel Power hat, schraubt vielleicht zu viel Abtrieb auf das Auto und könnte sich zum DRS-Opfer auf der langen Gegengeraden machen.
Red Bull hingegen wird versuchen, die Flügel flach zu stellen. Die Österreicher haben ein starkes Chassis, es mangelt dem Renault-Hybriden im Heck aber an PS. Das ließ sich in der Vergangenheit in Schanghai mit enormen Kurvenspeed kompensieren und nährt im Lager Daniel Ricciardos die Hoffnung, den dritten Platz in der WM-Gesamtwertung zu verteidigen. Doch die Gegner wittern ihre Chance, der bisherigen Nummer drei unter den Teams in China den Rang abzulaufen.
Sauber und McLaren bangen - ums Geld respektive um Alonso
Beispiel Williams und Force India: Die Mercedes-Kunden waren bisher nicht auf dem Niveau des Vorjahres. Die Briten haben mit ihrem neuen Modell FW38 die Vorteile auf schnellen Strecken aber konsequent auszubauen versucht. Auch wenn es in Melbourne unter ähnlichen Vorraussetzungen eine Enttäuschung gab: Felipe Massa und Valtteri Bottas könnten davon profitieren. Genau wie Nico Hülkenberg. Sein Team visiert Top-10-Plätze an und hofft, von der Rückkehr zum alten Qualifying-Modus zu profitieren, wenn wieder mehr Konstanz bei schnellen Runden gefragt ist.
Außerdem im Kampf um WM-Punkte heiße Kandidaten: Neueinsteiger Haas, der laut Romain Grosjean "eine halbe Sekunde Luft nach oben" hat und erster Verfolger der Mercedes/Ferrari-Phalanx werden könnte. Außerdem Toro Rosso, das wie Red Bull von seinem exzellenten Chassis profitiert und mit Ferrari-Power auch dem großen Schwesterteam gefährlich werden könnte. Sauber und Renault droht die nächste Watsche, wenn Manor mit DTM-Champion Pascal Wehrlein aufdreht. Immerhin haben die Schweizer genügend Geld zusammengekratzt, um anzureisen.
Blick in Statistik: China ist eine Mercedes-Strecke
Bei McLaren heißt die spannende Frage: Bekommt Fernando Alonso eine Startfreigabe der FIA-Ärzte? Falls der Pneumothorax des Spaniers weiterhin ein Risiko für seine Gesundheit ist, steht Ersatzmann Stoffel Vandoorne bereit. Der Belgier reist nach China, wo er nach seinem Formel-1-Einstand jedoch kleinere Brötchen backen müsste - der mangelnden Honda-Power wegen, denn das Abrufen der zusätzlichen Hybridenergie bereitet den Japanern nach wie vor Schwierigkeiten.
Der Blick in die Geschichtsbücher macht ohnehin nur Mercedes Mut: Drei der vergangenen vier Ausgaben gewannen die Silberpfeile, bei allen vier holten sie die Pole-Position. Hamilton könnte am Sonntag einen persönlichen Hattrick perfekt machen, Rosberg kehrt an die Stätte seines ersten Formel-1-Triumphes zurück - und ist seit Premierensieger Rubens Barichello 2004 der einzige Fahrer in der Siegerliste, der noch keinen WM-Titel auf der Habenseite hat.