McLaren: Rookie Stoffel Vandoorne schlägt Jenson Button
Jenson Button ist genervt: Nur 14. nach dem dritten Platz am Freitag in Bahrain, und noch dazu jubeln alle über die Leistung von Rookie Stoffel Vandoorne
(Motorsport-Total.com) - Am Donnerstag noch beim Super-Formula-Test in Japan, zwei Tage später beim Grand Prix von Bahrain (Formel 1 2016 live im Ticker) im Qualifying einen Weltmeister im gleichen Auto geschlagen: Für Shootingstar Stoffel Vandoorne hätte die Premiere in der Königsklasse des Motorsports kaum besser verlaufen können.
Der erst 24-jährige Belgier war schon im Freitagstraining auf Augenhöhe mit Jenson Button, leistete sich da aber auf seiner schnellsten Runde einen Fahrfehler in Kurve 1. Das passierte ihm heute nicht mehr. "Ich bin sehr glücklich", sagt er. "Ich fühlte mich gestern schon ziemlich wohl im Auto. Heute ging's nur noch um das Feintuning. Das Freie Training war schon recht gut. Ich wusste, dass da noch mehr drin ist und dass ich gute Arbeit abliefern kann."
"In Q1 war es relativ knapp, aber in Q2 bekam ich eine saubere Runde ohne Fehler hin. Ein bisschen was wäre noch drin gewesen, aber insgesamt bin ich recht zufrieden. Ich habe so ziemlich das Maximum rausgeholt. Für mein Debüt kann ich glücklich sein", sagt Vandoorne, ergänzt aber selbstkritisch: "Vor uns geht es ziemlich knapp zu. Wenn wir noch ein, zwei Zehntel gefunden hätten, wären wir in Q3 gewesen."
Boullier von Vandoorne beeindruckt
Tatsächlich fehlten ihm auf die entscheidende Hülkenberg-Zeit rund drei Zehntelsekunden, aber das tut der starken Leistung keinen Abbruch. Im teaminternen Duell gegen Button fehlte ihm in Q1 eine halbe Sekunde, aber in Q2 war er sensationell um 0,064 Sekunden schneller. "Obwohl wir uns nicht über die Startplätze zwölf und 14 freuen, war Stoffels Leistung im Qualifying für seinen allerersten Grand Prix etwas ganz Besonderes", lobt Rennleiter Eric Boullier.
"Wir wussten schon, dass er schnell ist - das hat er in der Renault-World-Series und in der GP2 sowie auch bei Tests für McLaren unzählige Male bewiesen", so der Franzose. "Aber was an diesen zwei Tagen so beeindruckend ist, ist seine akribische Hingabe für die komplexen Prozeduren, die notwendig sind, um das Maximum aus diesen modernen Formel-1-Autos herauszuholen. Da hat er nicht einen einzigen Fehler gemacht. Chapeau!"
Auch bei Motorenpartner Honda ist man von Vandoorne beeindruckt: "Stoffel ist in seinem ersten Formel-1-Qualifying brillant gefahren", schwärmt Projektleiter Yusuke Hasegawa. "Dieses Wochenende ist sein erstes Mal im MP4-31. Er darf wirklich stolz auf sich sein." Erster Gratulant war dann übrigens Fernando Alonso - obwohl der Spanier am liebsten selbst im Auto gesessen wäre und bis Freitagabend versucht hat, doch noch eine Starterlaubnis zu bekommen.
Einzige Chance optimal genutzt
Dabei begann der Samstag alles andere als ideal für Vandoorne, denn wegen eines Öllecks konnte er im Abschlusstraining erst nach einer halben Stunde auf die Strecke gehen. "Ich bekam trotzdem ein gutes Gefühl für das Auto", relativiert er. "Ich denke, ich habe meine Chance genutzt. Wenn du ein einziges Mal in ein Formel-1-Auto darfst, musst du das Beste draus machen. Die Leute wissen zwar, dass ich dieses Auto noch nie getestet habe, aber sie erwarten trotzdem was."
Für das Rennen fühlt er sich nun "hundertprozentig bereit", eine Ergebnisprognose möchte er aber lieber nicht abgeben. So gut wie in der GP2 wird es wahrscheinlich nicht klappen: In der Nachwuchsserie hat er jedes Bahrain-Hauptrennen gewonnen, in dem er angetreten ist. "Ich bin zuversichtlich, dass ich mich gut schlagen werde", sagt Vandoorne. "Aber wohin uns das führt? Keine Ahnung. Da möchte ich keine Vorhersagen treffen."
Ganz anders die Stimmungslage beim geschlagenen Teamkollegen: Button, von Reportern auf die Niederlage im Stallduell angesprochen, versucht zu erklären, dass bis Q1 alles in Ordnung war, dann aber plötzlich die Balance verschwand. "Ich hatte immer schon starke Teamkollegen", wirkt der Weltmeister von 2009 leicht genervt. "Der Junge hat einen guten Job gemacht. Er hat es hinbekommen in Q2, ich nicht. So läuft's manchmal."
Frontflügel-Kniff ging nach hinten los
Er habe "leichtes Untersteuern" gehabt, in Q2 dann aber plötzlich "massives Übersteuern. Und Übersteuern mag ich nicht. Schade, denn bis dahin war die Balance gut", erklärt er. "Ich verstehe nicht, warum das Auto auf einmal völlig anders war als in Q1. Das Wetter hatte sich nicht verändert", rätselt der Brite. Rennleiter Boullier klärt auf: "Wir wollten das Untersteuern korrigieren und haben den Frontflügel einen Tick steiler gestellt." Doch der Schuss ging nach hinten los.
"Wir müssten weiter vorne stehen", ärgert sich Button - und meint damit nicht den dritten Platz, den er am Freitag sensationell erobert hatte: "Mir war klar, dass wir das nicht halten würden. Die anderen drehen die Motoren mehr auf, als wir das können, aber wir hatten zugegebenermaßen erwartet, näher an Q3 dran zu sein. Mit einer Balance wie in Q1 hätte ich das auch schaffen können. Wir haben es in Q2 einfach nicht auf die Reihe bekommen."
"Wir hatten uns mehr erwartet. Unsere Leistung war ein bisschen enttäuschend", findet Honda-Projektleiter Hasegawa. "Andererseits waren die vergangenen Tage ein guter Indikator dafür, wo wir jetzt stehen. Die Streckenbedingungen waren heute ganz anders als gestern, der Asphalt war heißer. Das wirkte sich auf die Fahreigenschaften aus. Jetzt konzentrieren wir uns darauf, das Set-up anzupassen, damit wir morgen ein gutes Rennen fahren können."