Analyse: Wieso Verstappen auf sich selbst sauer sein muss
Max Verstappen wütete beim Australien-Grand-Prix gegen sein Team, doch in Wahrheit ruinierte sein eigenmächtiger Boxenstopp sein Rennen
(Motorsport-Total.com) - Max Verstappens Wutausbrüche am Boxenfunk während des Grand Prix von Australien zeigten nachdrücklich, wie sehr ein Formel-1-Fahrer vor lauter Frust aus der Haut fahren kann, wenn ihm ein Rennen aus den Händen gleitet. Verstappen ging nach einem herausragenden Qualifying von Platz fünf ins Rennen, lag in den ersten 18 Runden auf Platz vier und hielt mehr als die Hälfte des Rennens im Albert Park Weltmeister Lewis Hamilton hinter sich. Eigentlich hätte Verstappen bester Laune sein müssen - und auf Kurs zu einem guten Ergebnis.
Letztlich kam er aber nur auf einem enttäuschenden zehnten Platz ins Ziel, nachdem er in der zweiten Rennhälfte am Boxenfunk ständig verbal auf sein Team eingeprügelt hatte. Gegen Rennende war er sogar seinem Teamkollegen Carlos Sainz ins Heck gefahren. Kein Wunder also, dass Verstappen im Anschluss "sauer" darüber war, wie das erste Rennen der Saison für ihn verlaufen war.
Verstappen machte seinem Unmut zum ersten Mal Luft, nachdem Toro Rosso Sainz in Runde 31 von 57 an die Box geholt hatte, weil dieser auf der weichen Reifenmischung beim Anbremsen immer wieder die Vorderreifen blockiert hatte. Sainz lag zu diesem Zeitpunkt auf Platz fünf, unmittelbar vor dem auf Medium-Reifen fahrenden Mercedes von Hamilton und einige Sekunden hinter Verstappen, der ebenfalls die weiche Reifenmischung fuhr.
Verstappen kommt eigenmächtig an die Box
Daniel Ricciardo (Red Bull), der ebenfalls auf weichen Reifen fuhr, lang vor Verstappen und zog langsam davon, nachdem er Verstappen zuvor an der Box überholt hatte. Verstappen reagierte auf Sainz' unerwarteten Stopp, indem er eine Runde später selbst in die Box kam - ohne dass das Team ihn dazu aufgefordert hatte.
Während die Mechaniker hektisch nach einem Satz Medium-Reifen suchten, verlor Verstappen rund sieben Sekunden und beschwerte sich am Boxenfunk: "Wir oft muss ich noch sagen, dass ich Probleme mit den Reifen habe. Ich wollte zuerst an die Box!"
Verstappen wusste, dass die weichen Reifen nicht bis ins Ziel gehalten hätten und war offenbar der Sorge, das Team hätte Sainz bei der Strategie bevorzugt, sodass dieser unter Umständen Verstappen hätte überholen können, wenn dieser zu seinem regulären Stopp gekommen wäre.
Riccardos "falsche" Strategie geht auf
In Wahrheit verlor Sainz nach dem Stopp aber völlig den Anschluss. Und selbst wenn Verstappen wie behauptet mit den Reifen gekämpft hätte, deutet alles darauf hin, dass er mindestens Sechster geworden wäre, wenn er sich an den Plan gehalten hätte.
Nach dem Neustart und bis zum Boxenstopp von Sainz in Runde 31 war Verstappen pro Runde 0,373 Sekunden langsamer als Ricciardo gefahren. Sainz war pro Runde 0,495 Sekunden langsamer. Felipe Massa (Williams), der auf Medium-Reifen fuhr, war mehr als 1,1 Sekunden langsamer. Romain Grosjean (Haas), ebenfalls auf Medium, mehr als 1,7 Sekunden.
Es war klar, dass der Medium-Reifen während des letzten Teils des Rennens die richtige Wahl war, aber trotz der strategisch schlechten Entscheidung für soft fuhr Ricciardo immerhin bis Runde 42 durch. Nur einmal während seines Stints von 22 Runden - in Runde 41 - war er langsamer als Massa. Nach seinem zusätzlichen Stopp fiel er hinter den Williams zurück. Auf Reifen, die zwei Stufen weicher als die seines Rivalen waren, holte er den Rückstand aber schnell wieder auf und eroberte Rang fünf zurück.
Platz sechs statt zehn wäre Verstappen sicher gewesen
Der Abbau der Reifen verläuft zwar nicht linear, aber wäre Verstappen draußen geblieben, hätte den Rückstand pro Runde auf Ricciardo halten können und wäre dann zum gleichen Zeitpunkt wie sein Red-Bull-Kollege an die Box gekommen, wäre er locker zwischen Massa und Grosjean auf die Strecke zurückgekommen. So landete Verstappen hinter dem Haas, beiden Williams', beiden Force India, Jolyon Palmers Renault und seinem eigenen Teamkollegen.
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Qualifying-Fiasko, dramatisches Rennen, jede Menge Action - und am Ende wieder drei Fahrer auf dem Podium, die dort schon 2015 Stammgäste waren: Der Grand Prix von Australien 2016 hatte einiges zu bieten. Fotostrecke
Ricciardo brauchte vier Runden, um den Williams von Massa zu überholen. Hätte Verstappen am Ende auch den supersoften Reifen genommen, hätte er theoretisch auch nicht viel länger gebraucht. Er war zwar nicht so schnell wie Ricciardo, hätte aber, wenn er ruhig geblieben wäre und an seiner Strategie festgehalten hätte, durchaus auf Platz fünf landen können. Platz sechs wäre ihm sicher gewesen.
Deshalb wies er nach dem Rennen zurecht darauf hin, dass Toro Rosso im Kampf um Platz drei der Teams gegen Williams und Red Bull eine Chance liege gelassen hat. Aber daran war er selber Schuld.