Taktikrochade bei Ferrari: Denksport im Niemandsland
Wieso Sebastian Vettel mit seiner Dreistoppstrategie Mercedes unbeabsichtigt zum Handeln zwang und Kimi Räikkönen "überhaupt keinen Unterschied" erkennt
(Motorsport-Total.com) - Ferrari stellte sich beim Brasilien-Grand-Prix am Sonntag einer kniffligen Aufgabe: Wie schlägt man einen Gegner, der in Sachen Tempo um Welten überlegen ist? Der Erfolg des Unternehmens, Mercedes einen sicheren Sieg in Sao Paulo abspenstig zu machen, hielt sich in Grenzen. Sebastian Vettel als Dritter und Kimi Räikkönen auf dem vierten Platz holten für die Scuderia das Maximum heraus. "Es fehlt noch ein wenig, aber wir können sehr zufrieden sein", bilanziert der Deutsche.
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Vettel sah gegen Mercedes kein Land, war Räikkönen aber haushoch überlegen Zoom Download
Den Angriff auf die Silberpfeile wagte Ferrari über die Rennstrategie, wobei Vettel und Räikkönen unterschiedliche Herangehensweisen wählten. Der Heppenheimer startete wie alle Toppiloten auf den weicheren Pirelli-Reifen, holte sich aber beim ersten und dritten Stopp die Mediums ab, beim zweiten Halt die Softs - die meisten Konkurrenten hatten sich hingegen für einen Schlussspurt auf den schnelleren Pneus entschieden. "Um ein bisschen Druck auszuüben", erklärt Vettel. "Unsere ursprüngliche Strategie war eine mit zwei Stopps", räumt Technikchef James Allison ein.
Doch das Unternehmen schlug fehl, weil er die Vorteile der Reifen im Verkehr nicht nutzen konnte. Nichtsdestotrotz ist Vettel vom Renntrimm seines SF15-T überzeugt: "Ich glaube, der Speed war sehr gut. Wir waren näher dran als gestern, als es sechs Zehntelsekunden pro Runde waren. Heute waren es drei." Damit erkannte Vettel die Silberpfeile nur noch mit dem Fernglas, enteilte aber dem Rest des Feldes mit Siebenmeilenstiefeln. Nicht genug für einen viermaligen Weltmeister: "Immer, wenn es drauf ankam, hat etwas gefehlt. In allen Stints", beklagt er die Lücke zu Mercedes.
Rückstand zu Mercedes im Saisonverlauf verkürzt
Die positive Erkenntnis: Mit dem weicheren Reifen konnte Ferrari wie gewohnt gut haushalten. Vettel meint, er sei insgesamt zufriedener gewesen als mit dem Medium. Am Ende trennten ihn von Rennsieger Nico Rosberg nur 14,2 Sekunden. "Vor einem halben Jahr lagen wir noch eine Minute zurück", unterstreicht er. Hinzu kam, dass Ferrari der Grund war, warum Mercedes sich genötigt sah, seine Taktik von zwei auf drei Boxenstopps umzustellen. Ein Achtungserfolg oder mehr?
Fotostrecke: GP Brasilien, Highlights 2015
"Bei Lewis ist die Luft ein bisschen draußen. Wenn du Weltmeister bist, sind die Rennen danach nicht mehr ganz so wichtig", fürchtet Mercedes-Sportchef Toto Wolff vor dem Grand Prix von Brasilien - und behält mit seiner Prognose recht: Nico Rosberg gewinnt nach Mexiko das zweite Rennen hintereinander, feiert seinen 13. Sieg insgesamt in der Formel 1. Damit überholt er in der ewigen Bestenliste die Weltmeister Mario Andretti und Alan Jones und zieht mit Alberto Ascari gleich. Fotostrecke
"Ich habe alles versucht, um eine Referenz zu bekommen, wo wir im Vergleich zu Mercedes stehen. Im letzten Stint waren wir sogar einen Tick schneller", meint Vettel, weiß jedoch, dass Rosberg das Geschehen längst kontrollierte und Lewis Hamilton aus anderen Gründen die Fahrt verlangsamte. Auch steckte er nicht im Überrundungsverkehr fest, der die Spitze eine Menge Zeit kostete. "Das Tempo des Autos war nicht so schlecht. Gut ist es, zu gewinnen. Das heute war in Ordnung", bilanziert Teamchef Maurizio Arrivabene und will sich von der Vorstellung lösen, mit dem Taktikwechsel einen Kampf mit Mercedes ausgetragen zu haben: "Es war eine rein strategische Entscheidung. Da ging es überhaupt nicht um Verwirrung."
Räikkönen relativiert Taktik: "Hätte keinen Unterschied gemacht"
Räikkönen, der kurz vor dem Rennen den Verbrennungsmotor wechseln lassen musste und mit der höhengeschundenen Mexiko-Version an den Start ging, besann sich auf die Zweistoppstrategie. "So wie geplant", meint der Finne, erkennt jedoch keinen Vor- oder Nachteil im Vergleich mit der Vettel-Taktik: "Das hätte überhaupt keinen Unterschied gemacht." Den Rückstand auf Vettel erklärt Räikkönen mit Problemen auf der Vorderachse, die mit gebrauchten Reifen auftraten. Dazu brach ihm eingangs der Start- und Zielpassage immer wieder das Heck seines SF15-T aus.
Alleine im Niemandsland zwischen Vettel und dem Rest des Feldes fahrend sei das Rennen ein "langweiliges" gewesen, so Räikkönen weiter. Entsprechend gespalten fällt sein Fazit aus: "Es war nicht das einfachste Wochenende. Am Freitag habe ich mich mit dem Setup nicht wohlgefühlt, gestern war es nicht allzu schlecht. Aber ich habe in der letzten Qualifying-Runde Fehler gemacht." Arrivabene erklärt die Reifenprobleme mit dem Abbau der Pneus, lässt aber doch sanfte Zweifel an der Räikkönen-Leistung anklingen: "Wir haben Kimi auf Option A belassen und Sebastian auf Option B gesetzt. Deswegen die Differenz. Aber 'Seb' hat auch richtig Druck gemacht."