Psychoduell: Nagen Rosbergs Poles an Hamiltons Nerven?
Während sich Lewis Hamilton unbeeindruckt von Nico Rosbergs starken Qualifyings gibt, scheint die Sache zu neuen Spannungen im Mercedes-Lager zu führen
(Motorsport-Total.com) - Nach dem Teamduell ist vor dem Teamduell: Obwohl der Kampf um den WM-Titel 2015 längst zugunsten Lewis Hamiltons entschieden ist, bekommt das Kräftemessen der Mercedes-Piloten mit wiedergefundener Qualifying-Stärke Nico Rosbergs neue Würze. Nach seiner Pole-Position im Zeittraining zum Brasilien-Grand-Prix, seiner fünften in Folge, reagiert der Brite demonstrativ gelassen. Rosberg kontert: "Er ist ein kluger Kerl. Er wird schon Argumente finden, wen er welche braucht."
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Lewis Hamilton und Nico Rosberg scheinen sich nicht mehr viel zu sagen zu haben Zoom Download
Es ist eine neue Episode in einem Duell, dass sich längst auch auf psychologischer Ebene abspielt. Toto Wolff wundert es nicht, dass seine Schützlinge alle Register ziehen: "Sie kämpfen im gleichen Auto um die Weltmeisterschaft. Man kann von ihnen nicht erwarten, dass sie Freunde sind", sagt der Mercedes-Sportchef. Allerdings ist die zunehmende Schärfe in der Beziehung zweier Ex-Kumpel, die als Jugendliche gemeinsam in den Urlaub fuhren, bemerkenswert. Die nächsten Pfeile verschießt Hamilton.
Er will von einem neuen Kräfteverhältnis oder einem erstarkten Rosberg nichts wissen: "Ich hatte in diesem Jahr die meisten Pole-Positions, also gibt es da nichts zu interpretieren", wiegelt er ab. In der Tat holte der alte und neue Champion zu Beginn elf von zwölf möglichen ersten Startplätzen, ehe Rosberg zur jüngsten Serie ansetzte und damit an seine Bilanz von 2014 anknüpfte. Damals gingen elf Pole-Positions an den Wiesbadener und nur sieben an Hamilton. Besorgnis ist trotzdem Fehlanzeige.
WM-Entscheidung nahm keinen Druck von Rosberg
Hamilton verweist auf den Ausgang der WM: "Ich habe auch im vergangenen Jahr den Titel geholt, obwohl ich im Qualifying oft langsamer war." Hat der Mann, dem allgemein nachgesagt wird, eines der Vollgastiere der Szene zu sein, also so viele Qualitäten im Rennen, dass er das Qualifying gar nicht braucht? Rosberg sieht das anders und nennt seine Niederlagen zu Saisonbeginn "einen der Gründe" für die WM-Entscheidung zugunsten des Stallrivalen. Doch er setzte sich für den Erfolg auf den Hosenboden.
Fotostrecke: Die 14 dramatischsten Teamduelle um den Titel
1950: Die erste Saison in der Geschichte der Formel-1-Weltmeisterschaft sieht auch gleich das erste Duell zweier Teamkollegen um den WM-Titel. Die beiden Alfa-Romeo-Piloten Juan Manuel Fangio und Giuseppe Farina gewinnen von den sieben Saisonläufen je drei. Als nach dem Finalrennen in Monza zusammengezählt wird, ist der Italiener Farina mit drei Punkten Vorsprung auf den Argentinier Fangio der erste Formel-1-Weltmeister der Geschichte. Fotostrecke
Was genau er unternahm, verschweigt Rosberg. Doch er macht klar, dass ihn ihm noch Eifer und Ehrgeiz brennen würden: "Es war ein Bereich, in dem ich an mir arbeiten musste - also habe ich es im Laufe der Saison getan. Ich hatte aber keine unmittelbare Erklärung oder irgendetwas Konkretes. Es sieht so aus, als sei ich auf einer Runde jetzt schneller." Dass er nach dem Verlust des WM-Titels befreiter auftrumpfen kann, erkennt Rosberg nicht, weil Hamilton die Tabellenführung frühzeitig an sich riss: "Der Druck lastete sowieso auf Lewis, weil ich immer der Jäger war", blickt er auf das Jahr zurück.
Muss Hamilton Rosberg Schützenhilfe leisten?
Auch Hamilton erkennt keine Veränderung infolge der WM-Entscheidung: "Die Intensität hat nicht nachgelassen", bestätigt er. "Einer ist aggressiver als der andere. So ist es allgemein im Sport, ob im Fußball oder im Tennis." Wenn überhaupt, dann könnte die Folge nur sein, dass Hamilton für Rosberg agieren muss, um ihm den zweiten Rang in der WM zu sichern, wenn es gegen Ferrari-Pilot Sebastian Vettel geht. Doch das kommt offenbar nicht infrage: "Was mich betrifft: Wir fahren Rennen", stellt er klar.
Das soll auch am Sonntag in Sao Paulo der Fall sein und die Entscheidung zugunsten Hamiltons soll auf den ersten Metern fallen, womit er auch die Strategie bestimmen dürfte: "Mein Ziel ist es, in Führung zu gehen. Es ist schwierig, hier einem anderen Auto hinterherzufahren. Wenn Nico und ich innerhalb einer Zehntelsekunde sind, dann ist es am Start am besten, sonst bei den Boxenstopps - weil es auf der Strecke sehr unwahrscheinlich ist." Klingt nach einem Duell mit komplett offenem Ausgang.
Bei Toto Wolff jedoch klingt durch, dass Hamilton im Optimalfall den Markensoldaten spielt, um Ferrari ein Schnippchen zu schlagen: "Es ist das erste Ziel, dass Nico Zweiter in der WM wird", so der Österreicher. "Lewis ist sich absolut darüber im Klaren, dass es sich um eine Teamaufgabe handelt, aber als Rennfahrer schaut er natürlich nach sich selbst. Er will mehr Trophäen für seine Sammlung und das akzeptieren wir. Aber Nico braucht auch keine Hilfe, um Rennen zu gewinnen." Und er will sie auch nicht.