Lotus im Umbruch: Nutzt der Mercedes-Vorteil in Sao Paulo?
Lotus setzt bei den verbleibenden ersten Freitags-Sessions 2015 auf Testfahrer Jolyon Palmer - Abwanderer Grosjean beschäftigt sich bereits mit der Schlussbüffet
(Motorsport-Total.com) - Fast immer, wenn es in der Formel-1-Saison 2015 auf Strecken ging, auf denen viel Höchstgeschwindigkeit gefragt war, hatte Lotus gute Karten, in die Punkteränge vorzudringen. Beim vorangegangenen Rennen in Mexiko war dies jedoch nicht ganz der Fall. Zum einen fruchtete das Update, welches Kontrahent Force India seit dem Österreich-Rennen einsetzt, zum anderen ist seit ein paar Rennen auch immer verstärkt mit Toro Rosso zu rechnen, die trotz einiger Patzer hier und da im Rennen regelmäßig vor Lotus landen.
So muss man im Vorfeld des Grand Prix von Brasilien 2015 von Seiten Lotus in der Konstrukteurswertung eher nach hinten schauen. Dort sitzt Toro Rosso den Schwarz-Goldenen mit nur sechs Pünktchen Rückstand im Nacken, Force India ist bereits um 41 Zähler enteilt. Es dürfte somit schwierig werden, den Indern, die ab der Saison 2016 als Aston Martin an den Start gehen, Platz fünf noch streitig zu machen (zu den Gesamtständen).
Auch bei Lotus selbst tut sich für 2016 einiges - oder sollte sich tun. So steht immer noch nicht fest, ob und wann Renault sein einstiges Werksteam aus Enstone wieder zurückkauft und Romain Grosjean verlässt den Rennstall Richtung Formel-1-Neueinsteiger Haas. Eine Folge ist, dass Nachwuchstalent Jolyon Palmer in Brasilien sowie in Abu Dhabi die ersten Freien Trainings für Lotus bestreitet. Schon länger schielte der Brite auf ein Stammcockpit für 2016.
Finanznöte vergessen? Grosjean spielt mit dem Essen
"Ja, Palmer wird fahren", bestätigt der Stellvertretende Teamchef Federico Gastaldi: "Damit er sich mehr daran gewöhnt mit dem Team zu arbeiten." Hingegen scheint sich Grosjean vor seinem Abschied vom Team mehr auf das Festessen im Vorfeld des Wochenendes in einer traditionellen brasilianischen Churrascaria zu freuen. "Da kann das Team, das das ganze Jahr reist, auch mal die Beine ein wenig lang machen und ein paar Lacher bei ein paar Drinks teilen", beschreibt er sein letztes Bankett mit Lotus.
Nach Salat gäbe es dann zu reichlich Fleisch Spirituosen: "Wie jedes Jahr werde ich auf ein Glas Caipirinha mit allen im Team in Sao Paulo anstoßen. Dann gibt es nochmal für alle eins, wenn wir wieder in Enstone sind." Zu tief ins Glas will der Profisportler in ihm jedoch nicht schauen: "Man darf nicht zu viel trinken, obwohl es sehr verlockend ist, das zu tun. Außerdem muss man an dem Abend viel Essen hamstern, falls es eine Essensschlacht gibt."
Fotostrecke: Triumphe & Tragödien in Brasilien
Die Geschichte des Formel-1-Grand-Prix von Brasilien reicht bis ins Jahr 1972 zurück. Auf dem acht Kilometer langen Kurs von Interlagos wird am 30. März ein Demorennen abgehalten, weil die FIA den neuen Kandidaten vor der Aufnahme in den Kalender testen möchte. Als erster Gewinner trägt sich Carlos Reutemann in die Siegerlisten ein (mit einem Helmut Marko auf Platz vier!), doch erster offizieller Sieger wird ein Jahr später zur Freude der Fans Emerson Fittipaldi. Seit damals gehört Brasilien ohne Pause zum Formel-1-Kalender. Fotostrecke
Dass Lotus wieder mit Essen spielen kann, deutet zumindest darauf hin, dass die Mannschaft vorerst finanziell aus dem Gröbsten raus ist. Auf der Strecke will man die Saison gut abschließen. "Es ist ein schwieriger Kurs, um das richtige Setup zu finden. Der mittlere Sektor ist sehr eng und beherbergt viele langsame Kurven", deutet der Technische Direktor Nick Chester die Schwachstelle des Lotus E23 an: "Man braucht ein schön stabiles Auto für den engen Mittelsektor, in dem der Fahrer ein gutes Einlenkverhalten ohne viel Untersteuern will - und man braucht gute Traktion am Ausgang des Sektors."
Kann Pastor Maldonado die Form halten?
Der Highspeed-Charakter der Schlusskurven sowie der Gerade nach dem Senna-S dürften eher nach Geschmack der Mercedes-Befeuerten sein: "Der letzte Sektor ist im Wesentlichen eine lange Bergauf-Kurve, bei der man von der Motorenleistung abhängt." Wird der richtige Kompromiss zwischen Hochgeschwindigkeit und Abtrieb also gefunden? "Du willst Abtrieb für den zweiten Sektor, aber in den andern Sektoren willst du sie loswerden", lautet Chesters Fazit. Er verlasse sich auf seine Simulationen und verrät: "Normaler Weise fahren wir nie mit vollem Abtrieb und das werden wir wahrscheinlich auch dieses Wochenende wieder tun."
Was für einen passablen Saisonabschluss von Lotus spricht: In den zurückliegenden vier Rennen war mindestens ein Fahrer des Teams in den Punkten zu finden. Das ist die längste Strähne des Teams in der gesamten Saison 2015. Vor allem Maldonado fiel in den vergangenen Grand Prix durch vergleichsweise saubere Rennen auf und sah das Ziel ebenfalls viermal in Folge, schrammte in Mexiko knapp an Punkten vorbei.
"Ich will immerzu Kampfgeist zeigen", so der Venezolaner. "Wir müssen noch zwei Rennen in der laufenden Saison beenden - auf zwei sehr unterschiedlichen Rennstrecken. Wir wollen so viele Punkte wie möglich sammeln", so der 30-Jährige, der bisher nur fünf Top-10-Platzierungen aus 17 WM-Läufen mitnahm. Dem gegenüber stehen acht Ausfälle: "Ich habe nie Angst davor gegen irgendwen Rennen zu fahren. Wer auch immer mit mir um dieselben Punkte streitet, mit dem nehme ich es auf. Also werden wir definitiv bis zur Zielflagge in Abu Dhabi kämpfen."