Grenzgänger Verstappen: Erst Bestzeit, dann Crash
Super-Rookie erlebt ein Wechselbad der Gefühle am Freitag des Großen Preises von Mexiko 2015 - Sainz meistert Doppelbelastung und holt Fleiß-Pokal in Mexiko-Stadt
(Motorsport-Total.com) - In einer Pressemitteilung nennt man so etwas in der Regel "ereignisreich": Überhitzende Bremsen, ein verunfalltes Auto, eine Bestzeit. Toro Rosso überrascht in Mexiko in vielerlei Hinsicht und die Bestzeit von Max Verstappen im 1. Freien Training zauberte selbst Dr. Helmut Marko ein Lächeln ins Gesicht. Dieses hielt im Nachmittagstraining nicht lange an: Verstappen warf seinen STR-10 schon nach fünf Minuten in eine der wenigen eng stehenden Mauern des Autodromo Hermanos Rodriguez.
Es geschah in der ersten fliegenden Runde des 18-Jährigen: Verstappen fuhr gerade aus dem Stadion heraus in Richtung dessen, was von der einst furchteinflößenden Peratalda-Kurve übrig geblieben ist. "Die Strecke war ziemlich rutschig, dazu hatte ich noch recht kalte Reifen und war vielleicht kurzzeitig nicht ganz konzentriert", begründet der Niederländer bei 'Sky' sein Missgeschick. "Ich glaube, ich habe auch den Grip ein bisschen überschätzt..."
Das Resultat: Er fuhr zu schnell in die Kurve hinein und das Heck brach aus. Vermutlich hätte Verstappen hier den Einschlag verhindern können, indem er nicht gegengelenkt, sondern den Dreher einfach geschehen lassen hätte, doch der 18-Jährige folgte seinen Renninstinkten und versuchte, den Drift abzufangen. Das trieb ihn in Richtung der Tecpro-Barriere, in die er mit der gesamten Fahrzeugbreite einschlug. "Was für ein Ärger, dass da keine größere Auslaufzone ist!" scherzte Verstappen, der sich von dem Unfall die gute Laune nicht verderben ließ.
Bestzeit mit Schönheitsfehler
Dazu besteht auch absolut kein Grund: Am Vormittag holte der Niederländer die erste Sessionbestzeit seiner noch jungen Karriere. Zwar hätte die Runde strenggenommen nicht gelten dürfen, doch er zeigte sich zuvor bereits blendend aufgelegt. "Die Bestzeit zeigt, dass das Auto hier gut funktioniert, außerdem mag ich es, hier zu fahren", resümiert Verstappen. So verzieh ihm auch das Team seinen Aussetzer im 2. Freien Training. "Das Auto ist nicht zu sehr beschädigt und ich bin mir sicher, dass er morgen wieder in Topform zurückkehren wird", sagt Chef-Renningenieur Phil Charles.
Für Carlos Sainz jun. hatte der Tag ebenfalls seine Tiefen, im Gegensatz zu Verstappen aber kaum Höhen. Zumindest den Titel des Trainingsweltmeisters hat er sich mit 78 Runden verdient. Dies ist nicht nur eine Folge der Philosophie von Toro Rosso, den Nachwuchspiloten so viel Fahrzeit wie möglich einzuräumen, sondern auch des Missgeschicks von Verstappen.
"Es war nötig, dass Carlos einige zusätzliche Aufgaben auf sich nehmen musste, damit wir unser Programm absolvieren konnten", erläutert Charles. "Wir haben ihn schnell aus den Shortruns herausgenommen und er absolvierte viele Runden im Longrun." Das sollte sich als Glücksgriff erweisen: Als die Konkurrenz gegen Ende des Trainings vom Regen erwischt wurde, hatte Sainz bereits eine Vielzahl von Daten gesammelt.
Viele Daten, aber auch viel Arbeit für Sainz
Zufrieden ist der 21-Jährige aber nicht, schließlich konnte er an die Ganzleistung von Max Verstappen nicht im Ansatz heranragen. In 1:27.410 Minuten hatte er satte 1,420 Sekunden Rückstand auf seinen Teamkollegen. "Ich habe mich heute im Vergleich zum Rest der Saison nicht sonderlich wohl gefühlt", stöhnt der junge Spanier. "Es gibt heute Nacht ein paar Hausaufgaben zu erledigen und es wird definitiv ein herausforderndes Wochenende."
Als wäre sein fehlendes Gefühl für das Fahrzeug noch nicht genug, gab es auch noch Probleme mit der Bremskühlung. "Das hat es mir nicht erlaubt, so zu pushen wie ich wollte", kann Sainz seinen Rückstand zumindest teilweise aufs Auto schieben. Das Problem sorgte für eine hektische Mittagspause. "Es ist kein Geheimnis, dass beim hiesigen geringen Luftdruck Motor- und Bremskühlung hier schwierig sind. Die Fabrik hat uns zwischen den Sitzungen auf beiden Gebieten gut unterstützt", führt Phil Charles aus.
Die Arbeit sollte sich auszahlen, Sainz fühlte sich am Nachmittag etwas besser: "Es war im 2. Freien Training deutlich besser und ich konnte die Strecke Schritt für Schritt erlernen." Weil er frühzeitig zum Longrun abkommandiert wurde, kam er nicht über den 13. Platz in 1:23.364 Minuten hinaus. "Ein etwas ruppiger Tag, aber wir konnten dennoch viele Ziele unseres Programms abhaken", fasst Charles den Tag zusammen.