Rennvorschau Mexiko-Stadt: Das schwierigste Rennen
Die Höhenluft, der unbekannte Kurs und das Wetter stellen die Teams bei der Mexiko-Premiere vor eine Herkulesaufgabe: Was blüht Fahrern und Teams bei der Premiere?
(Motorsport-Total.com) - Die Formel-1-WM ist entschieden, doch der Grand-Prix-Kalender sorgt bei den Fans trotzdem weiterhin für Spannung: Nach 23 Jahren kehrt die Königsklasse des Motorsports nach Mexiko-Stadt in das völlig umgebaute Autodromo Hermanos Rodriguez - der Name erinnert an die legendären Rennfahrer-Brüder Pedro und Ricardo Rodriguez - zurück.
Und dort blüht den Teams nicht nur ein völlig unbekannter Kurs, sie sind auch mit ungewohnten Rahmenbedingungen konfrontiert. Grund dafür ist die Lage der von Hermann Tilke umgebauten Anlage: Sie befindet sich 2.250 Meter über dem Meeresspiegel. Zum Vergleich: Auch die Kurse in Spielberg und Interlagos sind für ihre Höhenlage bekannt, in Österreich sind es allerdings lediglich 660, in Brasilien rund 800 Meter - also kein Vergleich.
Dadurch ist die Luftdichte in Mexiko-Stadt um rund 20 Prozent dünner als auf Höhe des Meeresspiegels, weshalb in den Ingenieursbüros der Teams seit Wochen die Köpfe rauchen. Im Gegensatz zur Saugmotoren-Ära verlieren die Turbo-Antriebseinheiten in der Höhenluft durch den Turboeffekt kaum Leistung, die Kühlung funktioniert aber durch die dünne Luft nicht wie gewohnt. Die Teams müssen sich also spezielle Lösungen bei der Kühlung überlegen, was nicht nur für den Antrieb, sondern auch für die Bremsen und das Getriebe gilt.
Dünne Luft sorgt für massive Kühlungsprobleme
Mercedes brachte als Test für Mexiko extra eine neue Verkleidung mit zwei Kühlschächten an der Lufthutze nach Austin, die man im Training ausprobierte, Lotus baute neue Bremsverkleidungen zur besseren Kühlung ans Auto - doch das Wetter machte den Teams in Austin einen Strich durch die Rechnung. Eine perfekte Vorbereitung sieht anders aus.
Durch die Höhenluft ergibt sich die kuriose Situation, dass die Teams mit Abtriebspaketen wie in Monaco aufkreuzen, damit aber Höchstgeschwindigkeiten wie in Monza erreicht werden. "Wir rechnen mit 355 bis 360 km/h auf der langen Geraden", bestätigt Lotus-Einsatzleiter Alan Permane gegenüber 'auto motor und sport'. Die Teams gehen davon aus, dass die Formel 1 am Sonntag die zweithöchste Durchschnittsgeschwindigkeit nach dem Grand Prix von Italien erzielen wird.
Unstetes Wetter auf unbekanntem Kurs
Einiges deutet auf ein aufregendes Rennen hin: Der Kurs wurde von Tilke so konzipiert, dass er Überholmanöver ermöglicht - die DRS-Zonen befinden sich auf der 1,3 Kilometer langen Start-Ziel-Geraden sowie auf der zweiten Geraden nach der dritten Kurve. Und auch das Wetter gilt im Vorfeld als kleiner Unsicherheitsfaktor. Nachwirkungen des Hurrikans Patricia, der schon das Austin-Wochenende überschattete, sind durchaus möglich - derzeit sieht es nach Regen aus. Die Temperaturen werden sich abgesehen davon wahrscheinlich zwischen 20 und 30 Grad Celsius bewegen.
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Ferrari-Testfahrer Esteban Gutierrez, der die Strecke aus dem Simulator kennt, erwartet, dass die Gewöhnung an den Kurs auch für die Piloten eine Herausforderung darstellen wird: "Die Strecke ist ganz anders, wenn man sie mit dem Rest des Kalenders vergleicht." Im Vergleich zu 1992, als zum letzten Mal in Mexiko-Stadt gefahren wurde, blieb kaum ein Stein auf dem anderen: Das Layout erinnert zwar noch an die alte Streckenführung, die Kurvenradien wurden aber aus Sicherheitsgründen verändert. Und die legendäre und brandgefährliche Peraltada-Kurve wird nur mehr zur Hälfte durchfahren, davor wird der Kurs durch ein Stadion geleitet.
Mexiko-Stadt eine Motorenstrecke
Doch wer wird in Mexiko die Nase vorne haben? Eine schwierige Frage, denn bislang gibt es keine Referenzwerte. Fakt ist aber, dass der Antrieb eine besondere Rolle spielen wird, was als Vorteil für die Mercedes-Teams und als Nachteil für Renault und Honda zu werten ist.
Auch wenn Williams-Chefingenieur Rob Smedley tiefstapelt: "Es gibt dieses Jahr keinen Kurs mehr, der ein Team wirklich bevorzugen würde." Der Brite vergleicht die neue Strecke mit Sotschi: "Mexiko wird Russland sehr ähnlich sein, auch wenn die Höhenlage in Sachen Kraftübertragung für andere Verhältnisse sorgt."
Fotostrecke: Triumphe & Tragödien in Mexiko
Die Geschichte des Grand Prix von Mexiko ist untrennbar mit der heute unter dem Namen Autodromo Hermanos Rodriguez bekannten Rennstrecke verbunden. Am Anfang jedoch steht eine Tragödie. Am 1. November 1962, kurz nach Eröffnung der Strecke, lässt Ricardo Rodriguez bei einem Unfall in der gefürchteten Peraltada-Kurve sein Leben. Der 20-jährige Mexikaner saß in einem Lotus 24 aus der Formel 1, das Rennwochenende zählte aber nicht zur Formel-1-Weltmeisterschaft. Unfallursache war ein Bruch der Hinterradaufhängung. Die Trauer in Mexiko ist groß und wird noch größer, als neun Jahre später, am 11. Juli 1971, auch Ricardo Rodriguez' älterer Bruder Pedro Rodriguez (Foto) tödlich verunglückt. Nach zwei Siegen in der Formel 1 wird ihm beim Rennen der Interserie der Norisring in Nürnberg zum Verhängnis. Als Ehrerweisung an die beiden verunglückten Nationalhelden erhält die Grand-Prix-Piste in Mexiko-Stadt den Namen Autodromo Hermanos Rodriguez. Fotostrecke
Mercedes-Pilot Nico Rosberg kann es gar nicht mehr erwarten, dass die Saison nach dem bitteren Wochenende in den USA endlich weitergeht - ein Glück für ihn, dass die beiden Rennen direkt aufeinanderfolgen. "Ich tue so, als würde es eine neue WM geben, die nur aus drei Rennen besteht", sagt er gegenüber 'Bild.de' "Und diese Mini-WM will ich gewinnen."
Pirelli entscheidet sich für konservative Herangehensweise
Dann würde der Mercedes-Pilot auch das Duell gegen Ferrari-Mann Sebastian Vettel gewinnen und wäre wie im Vorjahr Vizeweltmeister. Der Heppenheimer liegt in der WM drei Rennen vor Schluss jedoch vier Punkte vor dem Wiesbadener im Silberpfeil.
Die Reifensituation spricht im Duell der beiden Spitzenteams eher für Mercedes: Pirelli hat sich wegen der mangelnden Vorerfahrungen "für eine konservative Wahl" entschieden und bringt wie in Austin die Mischungen Medium und Soft. Die Scuderia wünscht sich wegen der reifenschonenden Charakteristik des eigenen Boliden allerdings eher eine aggressive Reifenwahl. "Wir streben zwei Boxenstopps an", lautet die Zielvorgabe von Pirellis Motorsportchef Paul Hembery für die 71 Runden.
Das Rennen könnte zur Rutschpartie werden, weil der Asphalt erst vor kurzem gelegt wurde. Dadurch ist mit einem Ölfilm auf der Oberfläche zu rechnen. Das könnte bei den Reifen zu Blasenbildung führen.
Williams: Nur wenige Tage, um Stoßdämpferproblem zu lösen
Interessant wird sein, ob das Williams-Team in den wenigen Tagen die großen Stoßdämpferprobleme von Austin gelöst hat. In den USA schieden deswegen beide Boliden aus. In Mexiko wird man mit reparierten Stoßdämpfern vorliebnehmen müssen, denn zwischen den Rennen bleibt zu wenig Zeit, um neue Produkte in Auftrag zu geben. Die Truppe aus Grove vermutet, dass die Randsteine in Austin der Auslöser für die überraschenden Defekte waren. Dennoch geht man mit etwas Bauchweh in das ohnehin schon unberechenbare Mexiko-Wochenende.
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Die Formel 1 wird 2015 wieder in Mexiko gastieren. Dafür wird das Autodromo Hermanos Rodriguez umgebaut und modernisiert. Weitere Formel-1-Videos
Bei Red Bull leckt man ebenfalls noch seine Wunden: In Austin kämpfe das einstige Weltmeisterteam zunächst wacker an der Spitze mit, um dann gnadenlos durchgereicht zu werden. In Mexiko sorgt vor allem die über einen Kilometer lange Start-Ziel-Gerade für Kopfzerbrechen, die vielen mittelschnellen Kurven, in denen Abtrieb gefragt ist, könnten dem RB11 liegen.
Das Renault-Motorenupdate, das schon in Austin einsatzbereit war, wird übrigens auch in Mexiko in der Garage bleiben. "Aus guten Gründen", verweist Renaults Motorenchef Remi Taffin auf die Höhenlage. "Dort braucht es ein anderes Paket für das Auto. Das haben wir aber für die ältere Spezifikation des Motors entwickelt, weshalb wir den neuen Motor gar nicht einbauen könnten." Das gilt freilich auch für die Toro-Rosso-Truppe.
Geht Lokalmatador Perez' Höhenflug weiter?
Im Duell um Platz fünf in der Konstrukteurs-WM, das hinter Red Bull tobt, schlägt das Pendel zunehmend in Richtung Force India aus. Inzwischen führt das Team von Lokalmatador Sergio Perez mit einem Vorsprung von 32 Punkten auf Lotus. Und während bei der Mannschaft aus Enstone kaum noch entwickelt wird, bringt Force India erneut Updates. "Für uns ist Mexiko eine große Sache", spielt Otmar Szafnauer darauf an, dass Perez sein erstes Heimrennen feiert. Der Mexikaner befindet sich derzeit im Aufwind, während Nico Hülkenberg mit zwei Ausfällen bei den vergangenen zwei Rennen 25 Zähler auf den Stallrivalen verloren hat.
Spannend wird auch sein, wie sich McLaren in Mexiko schlagen wird. In den USA erwies man sich teilweise in starker Form, doch die lange Gerade im Autodromo Hermanos Rodriguez ist für den Honda-Antrieb Gift. "Wenn es in Mexiko trocken bleibt, dann werden wir einen viel schwierigeren Grand Prix erleben als in Austin", fürchtet Rennleiter Eric Boullier. "Es wird nicht einfach."
Während bei Fernando Alonso bereits der neue Motor an Bord ist, rüstet man dieses Wochenende auch Jenson Buttons Boliden mit der neuesten Honda-Spezifikation nach. Das bedeutet, dass dem Briten eine Gridstrafe droht.