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Rennvorschau Suzuka: Sorgt Taifun erneut für Chaos?
Ein Jahr nach dem Drama um Jules Bianchi droht in Suzuka erneut ein Taifun, was nach der Mercedes-Pleite in Singapur für zusätzliche Unruhe sorgt
(Motorsport-Total.com) - Der Suzuka International Circuit ist zwar die Lieblingsstrecke vieler Piloten, dennoch wird es dieses Jahr eine Rückkehr in Moll: Vor einem Jahr wurde der Grand Prix von Jules Bianchis tragischem Unfall überschattet. Der französische Marussia-Pilot verlor seinen Boliden bei strömendem Regen aus der Kontrolle, donnerte in ein Bergefahrzeug und zog sich dabei schwerste Kopfverletzungen zu, denen er am 17. Juli dieses Jahres erlag.
Vor allem für Manor-Marussia wird es ein hartes Wochenende. "Ich würde lügen, wenn ich jetzt sagen würde, dass es keine schwierigen Momente geben wird", meint Geschäftsführer Graeme Lowdon. "Viele aktuelle Teammitglieder waren vor einem Jahr dabei." Die gesamte Formel 1 wird dieses Wochenende in Gedanken beim Top-Talent aus Nizza sein, dessen Karriere viel zu früh endete.
Erneute Monsunwarnung
Dazu kommt, dass die Vorzeichen an 2014 erinnern: Auch dieses Jahr steuert eine heftige Gewitterfront auf den spektakulären Grand-Prix-Kurs zu. Für die Küstenregion um Suzuka gibt es für das Wochenende eine Taifunwarnung. "Bereits am Samstag soll es schon regnen", sagt 'Motorsport-Total.com'-Experte Marc Surer gegenüber 'Bild'. "Das könnte noch einmal alles durcheinander wirbeln."
Im Vorjahr wurde der Grand Prix um 15 Uhr Ortszeit gestartet, und die Dunkelheit galt als Faktor für das Unglück. Dieses Jahr wurde die Startzeit um eine Stunde vorgezogen, um ein derartiges Szenario auszuschließen. Zudem hat sich die Maßnahme des "virtuellen" Safety-Cars, das die Piloten in einer Gefahrensituation sofort zu einer Verringerung des Tempos zwingt, in dieser Saison als durchaus wirksam erwiesen: Bianchi hatte im Vorjahr trotz doppelt geschwenkter gelber Flaggen nur bedingt verlangsamt, wodurch es zum Abflug gekommen war. Um ein besseres Abrinnen des Regenwassers zu gewährleisten, wurde unter anderem an der Unglücksstelle ein neues Drainagesystem installiert.
Fotostrecke: FIA-Fast-Facts Japan
Die diesjährige Auflage des Grand Prix von Japan ist die 31. in der Geschichte der Formel-1-Weltmeisterschaft. 1976 tauchte das Rennen erstmals im Kalender auf. Damals wurde in Fuji gefahren. Fotostrecke
Der Taifun könnte sich aber sportlich auswirken und die WM noch einmal spannend machen: Nach dem Grand Prix von Singapur, wo Mercedes eine bittere Niederlage hinnehmen musste, ist die Lage beim dominanten Team der vergangenen zwei Jahre angespannt. Noch herrscht Rätselraten, warum man beim Nachtrennen im Stadtstaat mit großen Reifenproblemen kämpfte und somit hinter Ferrari und Red Bull nur dritte Kraft war.
Mercedes: Alles spricht gegen Singapur-Wiederholung
"Wir müssen ganz schnell aus diesem Singapur-Trauma raus", fordert der Mercedes-Aufsichtsratsvorsitzende Niki Lauda gegenüber 'Bild'. "Es muss in Japan wieder anders werden." Der Vorsprung von Weltmeister Lewis Hamilton, der in Singapur mit einem technischen Defekt ausschied, schrumpfte sechs Rennen vor Schluss auf 41 WM-Punkte zusammen, Singapur-Sieger Sebastian Vettel fehlen 49 Zähler auf den Briten. Und auf der Fahrerstrecke Suzuka, wo es noch zahlreiche Kiesbetten gibt, reicht bei Regen eine kleine Unachtsamkeit, und Vettel wäre in der WM plötzlich beinahe in Schlagdistanz.
Ferraris Felle sieht er hingegen in Suzuka davonschwimmen, da "Ferrari immer nur eine Chance hat, wenn es heiß ist oder die ganz weichen Reifen zum Einsatz kommen", spielt der Schweizer auf Sepang und Budapest an, wo Vettel ebenfalls siegte. "Mir fällt nur leider in den verbleibenden sechs Rennen keine Strecke mehr ein, wo beides gleichzeitig der Fall ist." Ferrari-Teamchef Maurizio Arrivabene ist ebenfalls skeptisch: "Die Formkurve ändert sich von Strecke zu Strecke. Singapur war für uns ideal. Japan ist schon wieder nicht mehr so gut. Es ähnelt Silverstone, und damit einer weiteren Strecke, wo wir in den vergangenen Jahren Probleme hatten."
Harte Reifen Gift für Ferrari
Auch Pirelli-Motorsportchef Paul Hembery vergleicht Suzuka mit Silverstone. Aus diesem Grund bringt man die beiden härtesten Reifenmischungen, also Medium und Hard, nach Japan - zum Missfallen der Scuderia, die in Großbritannien hinter Williams nur die dritte Geige spielte. "Es handelt sich aus Reifensicht um einen der aggressivsten Kurse", sagt Hembery. "Die Neuasphaltierungen in den vergangenen Jahren haben zwar den Belag etwas weniger aggressiv gemacht, aber das macht die Angelegenheit in keiner Hinsicht weniger herausfordernd."
Ferrari-Vorschau: Vettel über Suzuka
Der Grand Prix von Japan wird in Suzuka ausgetragen. Sebastian Vettel spricht über die Besonderheiten dieser Strecke Weitere Formel-1-Videos
Da das Wetter in Suzuka unberechenbar ist, könnte es auch zu einer Hitzeschlacht kommen: Durch die schnellen Kurven wirken enorme Kräfte auf die Pneus ein, was auch die Gefahr eines Reifenplatzers erhöht. Und bei Unfällen entstehen wegen der hohen Geschwindigkeiten oft viele Wrackteile, was die Gefahr eines Reifenschadens zusätzlich erhöht.
Pirelli erwartet zwei Stopps
Da es im Vorjahr ein Regenrennen gab, kann dieses in Hinblick auf die optimale Strategie nicht als Gradmesser herangezogen werden. Damals machte Sieger Hamilton, der dieses Jahr seinen dritten Suzuka-Sieg anpeilt, drei Stopps. Bei einem Trockenrennen gehen die Strategen von zwei Reifenwechseln pro Pilot aus. Mit dieser Strategie siegte Vettel im Jahr 2013.
Tendenziell ist es ratsam, eher weniger Stopps zu machen, da die Safety-Car-Wahrscheinlichkeit mit 60 Prozent in Suzuka überdurchschnittlich hoch ist. Der Spritverbrauch ist hingegen mit 1,8 Kilogramm pro Runde kein großes Thema und liegt im Durchschnitt.
Red Bull: Rückfall befürchtet
Worauf es in Suzuka beim Boliden ankommt? "Das Auto muss bei hoher Geschwindigkeit sehr stabil sein", erklärt McLarens Ingenieursleiter Matt Morris. "Es muss als mechanisch steif sein, und die aerodynamische Balance muss passen. Und es benötigt eine gute Antriebseinheit." Genau das könnte neben McLaren-Honda auch Red Bull in Suzuka einen Strich durch die Rechnung machen.
Landet das einstige Weltmeisterteam also nach dem Höhenflug in Singapur wieder auf dem Boden der Tatsachen? "In Suzuka wird das Ergebnis schon wieder ganz anders aussehen", zitiert 'Speedweek.de' einen Red-Bull-Strategen. Daniel Ricciardo, der beim Nachtrennen Zweiter wurde, ist ebenfalls realistisch: "Ich denke nicht, dass wir dort eine so starke Performance wie in Singapur erwarten können, aber die Top 5 könnten drin sein - vielleicht sogar ein bisschen mehr."
Fotostrecke: Triumphe & Tragödien in Japan
Der erste Grand Prix von Japan findet am 24. Oktober 1976 in Fuji statt. Im denkwürdigen Regenrennen holt sich Mario Andretti (Lotus) den Sieg. Die Schlagzeilen beherrscht aber das Titelduell zwischen James Hunt (McLaren) und Niki Lauda (Ferrari). Der Brite holt sich den Titel, als der Österreicher seinen Boliden abstellt, ehe der Zweikampf auf der Strecke begonnen hat. Er will nach seinem schweren Nürburgring-Unfall im gleichen Jahr sein Leben nicht riskieren, stellt ab und verbietet dem Team, einen technischen Defekt als Ausfallgrund zu propagieren. Fotostrecke
Die Red-Bull-Hoffnungen ruhen auf der Tatsache, dass in den langgezogenen Kurven von Suzuka Abtrieb wichtig ist - und das ist seit Jahren eine Spezialität des Red-Bull-Boliden. "Suzuka liegt uns normalerweise", weiß Ricciardo. Deutlich besser sollte der Kurs aber dem Williams-Team entgegenkommen, denn auf den langen Geraden kann man sich auf die Mercedes-Antriebseinheit verlassen. Auch Williams-Chefingenieur Rob Smedley ist überzeugt: "Der Kurs liegt unserem Auto."
Hülkenberg: Rückversetzung nach Kollision mit Massa
Dahinter wird es im Kampf um Platz fünf in der Konstrukteurs-WM erneut spannend: Force India hat zwar durch die starke Red-Bull-Form in Singapur seine realistischen Chancen auf Rang vier verloren, da aber Lotus eine Nullnummer verzeichnete und Perez sechs Zähler einheimste, liegt man nun 19 Punkte vor dem sechstplatzierten Lotus-Rennstall. Dafür geht man mit einem Nachteil in das Wochenende in Japan: Nico Hülkenberg wurde in Singapur für seine Kollision mit Felipe Massa, die ihn aus dem Rennen riss, mit einer Rückversetzung um drei Startplätze bestraft.
Suzuka sollte für Force India ein guter Boden sein, da die Aerodynamik des VJM08 funktioniert und man zudem eine Mercedes-Antriebseinheit im Heck hat. Bei Lotus setzt Romain Grosjean auf seiner Lieblingsstrecke auf den Mercedes-Faktor: "Dort können wir die Stärken des E23 besser nutzen als in Singapur."
Honda: Blamage auf Heimstrecke droht
Während man bei Sauber auf die Wirkung des neuen Aerodynamikpakets und bei Toro Rosso auf Max Verstappens Streckenkenntnisse - er fuhr im Vorjahr das Freie Training - hofft, könnte es für McLaren-Honda ein düsteres Wochenende werden. Vor dem eigenen Publikum dürften die Schwächen der japanischen Antriebseinheit gnadenlos aufgezeigt werden, denn der Hybridantrieb verfügt nicht über ausreichend Kapazität, um auf den Geraden ständig Zusatz-Power zu liefern.
Gerüchten zufolge könnte auch Fanliebling Jenson Button seinen Rücktritt bekanntgeben. Der Brite rechnet auf der Honda-Strecke trotz der misslichen Lage mit viel Fanunterstützung: "Ich freue mich schon, denn ich liebe Suzuka, obwohl ich nicht denke, dass es unser bestes Rennen wird. Die japanischen Fans sind immer fantastisch. Es gibt wenige Strecken auf der Welt, wo man vor einem vollen Haus fährt und wo man sich so darauf freut, die volle Tribüne zu sehen."
Button weiß, wovon er spricht, denn es ist nicht das erste Mal, dass er als Honda-Pilot unter mäßigen Vorzeichen nach Japan kommt. "Die Fans haben uns immer sehr unterstützt, sogar in Zeiten des Earth-Cars", gibt sich der Brite ironisch. "Und 2015 ist hart, aber es ist bei weitem kein Vergleich zu damals."