• 20. September 2015 · 16:06 Uhr

Formel 1 Singapur 2015: Sebastian Vettel cruist zum Sieg

Vettel gewann das Formel-1-Nachtrennen, ohne die Führung abzugeben - Ricciardo und Räikkönen auf dem Podium - Ausfall für Hamilton als Mercedes lahmt

(Motorsport-Total.com) - Nächtlicher Start-Ziel-Sieg für Sebastian Vettel beim Singapur-Grand-Prix: Der Ferrari-Star hat seine erste Pole-Position in Diensten der Scuderia in seinen dritten Rennerfolg in Rot umgesetzt. Dazu war die trotz dreier Safety-Car-Phasen und schwüler Hitze jederzeit souveräne Fahrt über den Marina-Bay-Street-Circuit der 42. Formel-1-Sieg in seiner Karriere, womit er in der ewigen Bestenliste an Ayrton Senna vorbeizog und nun alleiniger Dritter hinter Michael Schumacher sowie Alain Prost ist.

Vettel jubelte nach der Zieldurchfahrt im Boxenfunk sehr euphorisch auf Italienisch und war auch nach dem Aussteigen noch hellauf begeistert: "Es war ein perfektes Wochenende, ich bin sehr glücklich." Sicher war er sich seiner Sache nicht, weil Dauerverfolger Daniel Ricciardo im Red Bull taktierte: "Er hat von Beginn an Druck ausgeübt und gut auf seine Reifen aufgepasst. Das machte es gegen Ende der Stints sehr strategisch. Ich habe aber das Tempo kontrolliert, was auf dieser Strecke nicht einfach ist."

Für die größte Schrecksekunde im Rahmen der Vettel-Galavorstellung sorgte ein Verrückter, der sich kurz nach Rennhalbzeit einen Weg über die Absperrung bahnte und plötzlich auf der Strecke auftauchte. An einer Stelle, an der die Autos mit weit über 200 km/h vorbeidonnern, spazierte der Mann seelenruhig über die Fahrbahn, kletterte anschließend aber ohne ein Eingreifen der Streckenposten wieder hinter die Leitplanke. Die Rennleitung schickte sicherheitshalber das Safety-Car auf die Strecke.

Ähnlich ungefährdet wie Vettel fuhr Ricciardo letztlich auf den zweiten Rang. Der Australier folgte seinem Ex-Teamkollegen mit phasenweise identischen Rundenzeiten, hatte jedoch nach keiner der Neutralisationen etwas entgegenzusetzen, wenn Vettel auf die Tube drückte, um sich aus dem DRS-Fenster zu fahren. "'Seb' hat experimentiert", glaubt Ricciardo und zieht den Hut: "Nach dem Start zog er davon. Beim ersten Restart verhielt er sich anders, sein Tempo war aber gut. Wir können aber zufrieden sein."

Vettels Ferrari-Teamkollege Kimi Räikkönen komplettierte das Podium als Dritter und hatte einen ähnlich entspannten Arbeitstag wie die beiden Piloten vor ihm. Ein zähes Qualifying am Vortag hatte ihn nicht mehr damit rechnen lassen, die Spitze zu attackieren: "Deswegen habe ich nicht viel erwartet. Heute war es auch nicht einfach, aber wir hatten das Tempo für den dritten Platz. Gegen die ersten Zwei hatte ich keine Chance. Am Anfang konnte ich ihnen folgen, aber dann bauten die Reifen ab."

Nico Rosberg im Mercedes folgte mit großem Abstand auf dem vierten Rang, hatte in Singapur jedoch ein deutlich turbulenteres Rennen zu verzeichnen als die Konkurrenz. Genau wie Lewis Hamilton kämpfte der Wiesbadener in der Vorstartphase mit Elektronikproblemen, die schnell behoben waren. Anschließend verteidigte er trotz des Drucks durch Valtteri Bottas (Williams) den sechsten Platz und schob sich mit einem Boxenstopp unter dem Virtuellen Safety-Car vorbei an Daniil Kwjat (Red Bull).

An Hamilton vorbei kam Rosberg aber erst, als am Auto des WM-Leaders die Technik streikte. Der WO6 wurde sukzessive langsamer, fuhr auf der Geraden 14 km/h langsamer als die Konkurrenz und reagierte auf keinen der zahlreichen Reset-Versuche. Möglicherweise waren das Gaspedal oder eine Hybridkomponente schuld. Hamilton fiel bis auf den 16. Platz zurück und forderte im Funk entnervt, das Auto abstellen zu dürfen. Mercedes erfüllte den Wunsch, was ihm den ersten Nuller seit Belgien 2014 einbrockte.

Dabei lief es gut für Hamilton: "Das Fahrgefühl war fantastisch. Ich war sehr zufrieden und habe mich wohl gefühlt. Auch der Speed war da. Ich hatte das Potenzial, das Rennen zu gewinnen." Er meint die Reifenstrategie, mit der Mercedes angeblich noch durch das Feld hätte pflügen wollen: "Die Jungs vor uns waren auf dem Option-Pneu unterwegs, während wir schon den härteren fuhren. Ich wartete nur auf den Moment, um anzugreifen. Doch leider kam dieser Moment nicht." Sondern das bittere Ende.

Hamiltons Optimismus zuwider läuft, dass Rosberg mit der Soft-Mischung schlechte Erfahrungen machte und Bemühungen nach vorne einstellte. "Nach dem ersten Boxenstopp habe ich mich sehr wohl gefühlt, aber dann hat der harte Reifen sehr stark abgebaut. Das war ganz merkwürdig." In der WM-Gesamtwertung zwölf Zähler aufgeholt und den Rückstand auf 41 Punkte verkürzt zu haben, ist ein schwacher Trost: "Überwiegend ist die Enttäuschung, dass wir als Team schlecht dastanden und unser Auto nicht top war."

Bottas überholte im letzten Renndrittel noch Kwjat an der Box, anschließend fuhren der Finne und der Russe auf den Plätzen fünf und sechs ins Ziel. Sergio Perez (Force India) verteidigte in der Schlussphase gekonnt den siebten Platz gegen Max Verstappen, der einen irren Grand Prix hinlegte. Am Start blieb der Toro Rosso des Niederländers stehen, was ihn auf den letzten Platz zurückwarf - mit Rundenrückstand. Dank der Safety-Car-Phasen und einem Husarenritt flog er jedoch wieder in die Top 10.

Zum Schluss kam es noch zu einer Kontroverse, als sein Team forderte, dass er Stallgefährte Carlos Sainz - am Ende Neunter - vorbeilassen sollte. Offenbar hatte der Spanier Verstappen bereitwillig Platz gemacht, um es ihm zu erlauben, eine Attacke auf Perez zu reiten, was Toro Rosso wieder korrigieren wollte. "Nein!", brüllte der 17-Jährige unter dem Helm und widersetzte sich der klaren Anweisung. Felipe Nasr im Sauber ergatterte als Zehnter nach einem Duell mit Romain Grosjean (11.; Lotus) den letzten WM-Punkt.

Nichts Zählbares gab auch für Marcus Ericsson (12.; Sauber), Pastor Maldonado (13.; Lotus) und die beiden Manor-Marussia von Alexander Rossi (14.) und Will Stevens (15.). Die McLaren von Jenson Button und Fernando Alonso erreichten das Ziel nicht, weil an beiden Autos das Getriebe streikte. Der Brite beschäftigte zuvor die Rennleitung, weil er Maldonado in einem Zweikampf aufgefahren war, sein eigenes Auto beschädigte und dafür sorgte, dass der Venezolaner mehrere Plätze einbüßte. Eine Strafe gab es nicht.

Anders in der Causa Nico Hülkenberg versus Felipe Massa: Schon in Runde 13 kollidierte der Force-India-Pilot auf Punktekurs liegend an der Boxengassenausfahrt mit dem von seiner Crew kommenden Williams-Konkurrenten. Als er an den Kurvenscheitelpunkt heranfuhr, rechnete er nicht mit Massa, touchierte ihn mit dem linken Hinterreifen am rechten Vorderreifen und wurde ausgehebelt. Hülkenberg flog in die Streckenbegrenzung und konnte die Fahrt nicht fortsetzen, doch das war nicht das dicke Ende.

Die Stewards sprachen eine Strafversetztung um drei Plätze für den Japan-Grand-Prix aus, was Hülkenberg mit Unverständnis quittiert: "Ich war auf der Rennlinie und bin klar vorne in die Kurve reingefahren. Er hat sich mit kalten Reifen verbremst und sticht dann rein. Das ist natürlich sehr ärgerlich. Es war einfach in dummer Zwischenfall", schildert Hülkenberg. "Ich weiß nicht, was ich hätte machen sollen. Ich war vorne, mir gehörte die Kurve. Ich war auf der Rennstrecke, während er gerade aus der Box kam. Ich habe ihn gesehen, aber ich war derjenige, der auf der Rennlinie fuhr. Das ist frustrierend."

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