Ferrari auf Wolke sieben: Eintagsfliege oder Trendwende?
Nach der starken Performance in Singapur geht ein Ruck durch das Ferrari-Team - Eine Eintagsfliege oder kann Sebastian Vettel nun regelmäßig Mercedes schlagen?
(Motorsport-Total.com) - Ferrari feierte den Sieg beim Nachtrennen in Singapur ausgelassen. Souverän kontrollierte Sebastian Vettel die Konkurrenz und holte sich seinen dritten Saisonsieg. "Sebastian fuhr heute wie ein Champion und alle im Team, an der Strecke und in Maranello, haben perfekt gearbeitet", lässt Ferrari-Präsident Sergio Marchionne ausrichten. "Ich freue mich auch für Kimi. Es ist wunderbar, dass er wieder auf dem Podium steht. Es ist sehr lange her, seit zum letzten Mal zwei Ferrari-Fahrer auf dem Podium gestanden sind."
Bei Ferrari werden Triumphe immer groß gefeiert. Auf der anderen Seite ist in Italien die Kritik bei Niederlagen vernichtend. Auch das gehört zum Mythos Ferrari. Bemerkenswert ist derzeit die gute Stimmung, die im berühmtesten Rennstall der Welt herrscht. Alle ziehen an einem Strang und arbeiten für das große Ziel Weltmeisterschaft. Zum zweiten Mal nach Sepang (Malaysia) gelang es der Scuderia ein Rennen aus eigener Kraft zu kontrollieren und zu gewinnen.
In Ungarn profitierte Vettel auch von den verkorksten Mercedes Starts, nahm das Geschenk aber dankend an. Es stellt sich die Frage, ob Singapur die Trendwende war, oder Rennen wie Spa-Francorchamps und Monza das wahre Kräfteverhältnis zeigen? "Wir müssen auf uns schauen und maximal attackieren", gibt Vettel die Marschroute für die verbleibenden sechs Rennen aus.
Vettel will bis zum Schluss angreifen
In der WM liegt der Deutsche nur noch acht Punkte hinter Nico Rosberg. Den Rückstand auf Lewis Hamilton verkürzte Vettel auf 49 Zähler (zum WM-Stand). "Wir haben immer noch eine kleine Chance. Vielleicht können wir das Unmögliche möglich machen. Wir werden es definitiv versuchen", kündigt der vierfache Weltmeister an. Damit trifft er mitten ins Herz der Tifosi, die ihn schon nach dem zweiten Platz in Monza feierten.
Präsident Marchionne heizt die Hoffnungen an: "Das war ein großer Sieg auf einer schwierigen Strecke. Ich möchte diesen Sieg allen Tifosi widmen, die uns so tatkräftig unterstützen. Ich verspreche allen, dass das keine Eintagsfliege war, sondern ein großer Fortschritt auf unserem Weg zurück an die Spitze, damit wir die italienische Hymne in Zukunft viel öfter hören." Seit 2007 wartet Ferrari auf einen WM-Titel.
Realistisch betrachtet passte in Singapur für Ferrari alles zusammen, während Mercedes ungewohnt schwächelte. "Ich glaube, das ist eine Eintagsfliege", meint 'Sky'-Experte Marc Surer. "Wir haben hier gesehen, dass Mercedes die Reifen überfordert hat. Wie Rosberg gesagt hat, haben seine Reifen zu stark abgebaut. Das war offensichtlich mit den weichen Reifen noch extremer, weshalb in der Qualifikation keine schnelle Runde geklappt hat."
Personalveränderungen zeigen Wirkung
Schon die Lotus-Boliden von Technikdirektor James Allison hatten diese Charakteristik, die er auch auf den Ferrari übertragen konnte. Die Weichen für den neuen Erfolgskurs wurden im Vorjahr gestellt. "Es wurden viele Leute ausgewechselt - Arrivabene, Allison und so weiter", sagt Niki Lauda bei 'RTL'. "Alles hat sich so umgeformt, dass der Sebastian der letzte Tupfen auf dem i war. Wir haben ja schon am Anfang des Jahres gesehen, dass dieses Team zuschlagen kann, wenn andere Fehler machen."
Deswegen muss Lauda die Niederlage von Mercedes anerkennen: "Die waren heute nicht zu biegen. Das war eine unglaubliche Leistung vom Sebastian. Man kann wirklich nur die Kappe ziehen - vor Sebastian in erster Linie und Ferrari in zweiter Linie. Was die hier zustande gebracht haben, war für mich atemberaubend, einfach unglaublich." Deshalb hält Surer auch weitere Ferrari-Siege nicht für ausgeschlossen: "Ich kann mir schon noch einen Sieg vorstellen. Es kommen noch Kurse, die nicht eindeutig Mercedes-Strecken sind."
Ferrari-Teamchef Maurizio Arrivabene meinte zu Saisonbeginn, dass ein Sieg gut wäre, zwei wären exzellent und bei drei würde er in Maranello barfuß über die Hügel laufen. "Eigentlich habe ich vier gesagt", lacht der Italiener. "Deshalb würden wir jetzt am liebsten fünf Rennen gewinnen." Auch wenn die Performance in Singapur perfekt und souverän war, so herrschte am Kommandostand nicht nur wegen der ausgefallenen Monitore Anspannung.
"Nichts ist in der Formel 1 garantiert", drückt Arrivabene auf die Euphoriebremse. "Eigentlich machte ich mir Sorgen und war sehr konzentriert, denn wenn du auf der Pole-Position stehst, dann musst du gewinnen. Hier ist das aber nicht einfach, weil es immer Safety-Cars gibt. Man braucht einen guten Start und dann kann es eine Safety-Car-Phase geben. Heute hatten wir zwei davon. Es ist also etwas unvorhersehbar. Deswegen wirst du nervös. In Monza war Kimi sehr, sehr stark. Hier war es Sebastian. Sebastian liebt diese Strecke. Ich möchte meine Fahrer aber nicht miteinander vergleichen. Sie stehen beide auf dem Podium, das ist für mich genug."