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Rennvorschau Spa-Francorchamps: Neustart mit neuem Start
Das novellierte Startprozedere und ein Qualifying-Boost bestimmen die Frage, ob Ferrari und Williams die Achillesferse der Mercedes-Truppe erneut nutzen können
(Motorsport-Total.com) - Nach drei rennfreien Sonntagen erwacht die Formel 1 aus ihrer Sommerpause: Am kommenden Wochenende heulen in Spa-Francorchamps die V6-Hybridmotoren wieder auf, wenn mit dem Belgien-Grand-Prix eine der traditionsreichsten Stationen des gesamten Jahres ansteht. Auf der mit 7,004 Kilometern längsten Bahn im Kalender heißt der große Favorit erneut Mercedes, doch die zahlreichen Upgrades der Konkurrenz und das tückische Ardennen-Wetter könnten für Spannung an der Spitze sorgen.
Erste Prognosen lassen jedoch vermuten, dass es von Freitag bis Sonntag trocken bleibt: Es sind Tageshöchsttemperaturen von 23 bis 25 Grad Celsius angekündigt, dazu Sonnenschein und leichte Bewölkung - es wäre allerdings nicht das erste Mal, dass der unverhofft einsetzende Regen in den Ardennen die Meteorologen narrt und unverhofft doch für Sessions unter feuchten und kniffligen Bedingungen sorgt.
Kapriolen ersparen will sich Mercedes: Nach acht Siegen in zehn Grands Prix 2015 scheint der Silberpfeil von Lewis Hamilton und Nico Rosberg ohne besondere Umstände das schnellste Auto im Qualifying zu sein und auch in den Rennen der Konkurrenz eine Nasenlänge voraus. Das einzige Problem: Sowohl in Silverstone als auch in Budapest offenbarte der W06 Probleme beim Starten und wurde von Williams respektive Ferrari kassiert - was Erfolge scheinbar oder tatsächlich in Gefahr brachte.
Neue Starprozedur: Droht ein Chaos an der grünen Ampel?
Mercedes macht für die Patzer die Umstände im Einzelfall verantwortlich, angefangen von einer schlechten Seite der Startaufstellung über abgebrochene Startversuche bis hin zu Opfern zugunsten der neuen Prozedur an der Ampel, die ab Spa-Francorchamps zum Einsatz kommt. So darf der Kupplungsschleifpunkt nicht mehr verändert werden, sobald die Boxengasse 30 Minuten vor dem Start vor dem Rennen öffnet. Eine Änderung ist erst nach der Startsperrphase erlaubt, die nach dem Losfahren beginnt.
Fotostrecke: Triumphe & Tragödien in Belgien
1925 wird erstmals ein Grand Prix von Belgien ausgetragen, und schon damals wird in Spa-Francorchamps gefahren. Die Strecke führt über öffentliche Straßen und ist 15 Kilometer lang. Die heute berühmteste Kurve ist übrigens nicht von Anfang an Bestandteil der Strecke. Erst 1939 wird die Eau Rouge gebaut. Fotostrecke
Darüber hinaus sollen technische Hilfsmittel unterbunden werden, die dabei helfen, den optimalen Schleifpunkt automatisch, zum Beispiel mittels Knopfdruck, zu finden. Außerdem wird der Boxenfunk während der Vorstartphase eingeschränkt. Bestraft werden zum Beispiel Dialoge über die Startprozedur - wie genau ist aber unklar. Erlaubt sind hingegen Sicherheitswarnungen wie etwa ein sich anbahnender Reifenschaden, ein Flaggensignal, ein Startabbruch oder rutschige Streckenpassagen.
Für die verschärften Rahmenbedingungen scheinen Hamilton und Rosberg dank entsprechendem Ernstfalltraining gut gerüstet, doch die jüngsten Schnitzer haben das Losfahren zur Achillesferse gemacht. Die Chance für den Rest des Feldes? Nicht unbedingt, denn einige Piloten und Experten glauben an ein Chaos, welches die neuen Regeln verursachen. So kurzfristig lässt sich kein Getriebe umbauen, was neue Technikclous als Abhilfe ausschließt und die Fahrer am Start auf sich alleine stellt.
Mercedes versus Ferrari: Qualifying weist den Weg
Nach der ersten Durchfahrt von La Source kommt es in Spa jedoch auf die gewohnten Qualitäten an: Leistung auf den langen Kemmel-Geraden und aerodynamischer Abtrieb in den schnellen Ex-Mutkurven Eau Rouge und Blanchimont entscheiden über die Platzierung. Das klingt nach einem guten Pflaster für Mercedes, zumal auch die milden Sommertemperaturen nach dem Geschmack der Stuttgarter sein dürften. Einzig der Flügelsalat von 2014 und die Eskalation des Teamduells dürfen sich nicht wiederholen.
Hamilton sinnt in Belgien auf den zweiten Erfolg seiner Karriere, Rosberg punktete bei sechs der jüngsten acht Ausgaben des Grand Prix - stand aber nur vor Jahresfrist auf dem Podium. Ganz anders die Bilanz der Ferrari-Stars Sebastian Vettel und Kimi Räikkönen: Sie teilen sich fünf Erfolge auf der Traditionsbahn und könnten wieder die ärgsten Widersacher der Silberpfeile sein. Nach seinem Budapest-Erfolg ist der Deutsche obenauf, der Finne zeigte trotz Technikpechs ansteigende Form.
Besonders erstaunlich war, dass die Roten in Ungarn in Sachen Rennspeed gegen Mercedes nicht chancenlos waren. Bringt Ferrari Updates aus der Sommerpause mit, die nach Vorbild der Weltmeister die Qualifying-Leistung verbessern, könnte Vettel noch in den Titelkampf eingreifen: Gegen Hamilton (202 Punkte) und Rosberg (181) scheint er nach zehn von 19 Rennen nicht aussichtslos zurück. Räikkönen hingegen wird sich darauf konzentrieren müssen, seinen Job zu sichern.
Verfolgerduell: Williams gegen Red Bull klar favorisiert
Den Pirelli-Reifen, die zuletzt eher Ferrari als Mercedes in die Karten spielten, wird in Spa eine untergeordnete Rolle zukommen. Mit den Mischungen Soft und Medium setzt der italienische Einheitszulieferer auf eine bewährte Kombination aus dem Vorjahr und folgt damit seiner konservativen Marschroute. Auch die Bremsen, die in den Ardennen vergleichsweise leicht belastet werden, sollten nicht zum Gesprächsthema werden.
Lewis Hamiltons Spa-Ausblick
WM-Spitzenreiter Lewis Hamilton (Mercedes) blickt auf den Grand Prix von Belgien in Spa-Francorchamps voraus. Weitere Formel-1-Videos
Dank Mercedes-Power im Heck und der schnellen Charakteristik des Kurses könnte eher mit Williams ein weiterer Konkurrent bei der Vergabe der Podiumsplätze mitsprechen. Um den Sieg geht es für die Truppe aus Grove aus eigener Kraft nicht, schließlich räumt selbst Valtteri Bottas ein, dass dafür Mercedes und Ferrari "aus irgendeinem Grund Pech" haben müssten. Trotzdem sind der Finne und Felipe Massa in Spa heißeste Anwärter auf den Platz als "Best of the Rest" und dafür gerüstet, Rang drei in der Konstrukteurs-WM abszusichern.
Das liegt daran, dass Red Bull trotz gutem Chassis wegen Renault-Defiziten mit der Powerstrecke seine liebe Mühe haben wird. Das Wunder von Budapest - als Daniil Kwjat und Daniel Ricciardo beide auf dem Podium landeten - zu wiederholen, scheint eine Utopie. Eher werden die Österreicher in Spa oder zwei Wochen später in Monza eine Strafe für den Wechsel einer Antriebskomponente in Kauf nehmen, um sich auf aussichtsreichere Kurse wie Singapur vorzubereiten.
Gretchenfrage Power: Plus für Hülkenberg, Problem für McLaren
Das eröffnet den Mittelfeld-Teams die Chance auf Punkte: Nico Hülkenberg und Force India erwarten ihre technischen Neuerungen für die B-Version des VJM08 zwar erst in Asien, haben sich mit dem neuen Modell jedoch signifikant gesteigert und profitieren ebenfalls von ihrem Mercedes-Antrieb. Allerdings muss der Bolide halten: Gefährliche Materialschäden, die in Budapest für heftige Unfälle sorgten, will Force India behoben haben.
Während auch Lotus in Belgien höher einzuschätzen ist, winkt McLaren ein schweres Los. Obwohl Honda-Motorsportchef Yasuhisa Arai von einem Antriebsupdate spricht, dass das Team auf das Niveau Ferraris bringen soll, scheinen WM-Punkte für die Mannschaft aus Woking ein ehrgeiziges Ziel. Da nützt es wenig, dass die Plätze fünf und neun in Ungarn Mut gemacht haben: Schließlich kam es auf dem Hungaroring deutlich weniger auf die Power aus Verbrennungs- und Elektromotor an.
Weil auch Sauber das weiß, bauen die Schweizer für die Ardennen um: Der C34 von Felipe Nasr und Marcus Ericsson wird nicht nur mit der lange angekündigten neuen Motorspezifikation aus dem Hause Ferrari aufwarten (die im Werksauto schon seit Monaten eingesetzt wird), sondern auch über spezielle Flügel verfügen.