• 26. Juli 2015 · 15:54 Uhr

Formel 1 Budapest: Sebastian Vettel bezwingt das Tohuwabohu

Rennchaos in Ungarn: Vettel souverän vor Red-Bull-Piloten Kwjat und Ricciardo - Kollisionen werfen Hamilton und Rosberg zurück - Hülkenberg mit Horrorcrash

(Motorsport-Total.com) - Sebastian Vettel hat am Sonntag einen denkwürdigen Ungarn-Grand-Prix der Formel 1 für sich entschieden. Der Heppenheimer landete seinen zweiten Saisonerfolg und den zweiten Erfolg in den Diensten Ferraris in souveräner Manier, als er von Startposition drei aus an der grünen Ampel die Mercedes Lewis Hamiltons und Nico Rosbergs überholte. Anschließend gab er die Führung nicht mehr ab und widmete den Sieg in Budapest im Funk hörbar bewegt dem verstorbenen Marussia-Piloten Jules Bianchi.

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Sebastian Vettel sicherte sich seinen zweiten Saisonsieg Zoom Download

"Grazie, grazie! Es lebe Ferrari! Danke Jules, dieser Sieg ist für dich, du wirst immer in unseren Herzen sein!", so Vettel nach der Zieldurchfahrt, als er auch an die vor dem Rennstart abgehaltene Gedenkminute für den Franzosen erinnerte: "Die Szene vor dem Start, als wir im Kreis standen und uns alle nochmal zusammengerissen haben, das war unheimlich schwierig."

Dennoch überwogen die positiven Emotionen beim viermaligen Weltmeister: "Wir hatten einen super Start und es war ziemlich wichtig, direkt in Führung zu gehen. Das Auto war zwar schwierig, aber toll zu fahren", resümiert Vettel und freut sich auf den Abend in Budapest: "Ich denke, wir werden eine tolle Nacht haben. Wenn ich mich erinnere, was in Malaysia abging, hoffe ich, dass es hier ähnlich wird. Trotzdem freue ich mich jetzt auf ein bisschen Pause. Auf Zeit zu Hause und mit meinem Liebsten", sagt Vettel nach einem Sieg, der ihn wieder auf Tuchfühlung mit der Spitze in der WM-Gesamtwertung bringt.

Den zweiten Platz sicherte sich überraschend Red-Bull-Pilot Daniil Kwjat. Der junge Russe feierte seine Podestpremiere in der Formel 1, weil er von dem Tohuwabohu an der Spitze profitierte. Mit einer nachträglich addierten Zehn-Sekunden-Zeitstrafe wegen Verlassens der Strecke belegt schlug er zunächst aus einer Safety-Car-Phase ab Runde 42, die seinen Rückstand eindampfte, Kapital. Anschließend profitierte er von einer Kollision zwischen den vor ihm liegenden Daniel Ricciardo und Nico Rosberg.

Was Kwjat zu Pass kam: Im Kampf um den zweiten Rang und die Chance, Vettel noch anzugreifen, ritt Ricciardo im 63. Umlauf mit den schnelleren weichen Reifen am Auto wenige Runden vor Schluss ein Harakiri-Manöver gegen Rosberg. Er bremste sich am Ende der Start- und Zielgeraden spektakulär am Vizeweltmeister vorbei, schoss jedoch über den Kurvenscheitelpunkt hinaus und kollidierte beim Zurückkehren auf die Ideallinie mit Rosberg. Am Red Bull ging der Frontflügel zu Bruch, der Deutsche hatte einen Plattfuß. Beide legten Notstopps zur Reparatur ein.

Kwjat spricht von einem Rennen mit Höhen und Tiefen: "Es war sehr schwierig. Nach Kurve eins dachte ich, dass mein Rennen vorbei wäre, denn ich hatte so einen massiven Bremsplatten, dass ich kaum auf der Strecke bleiben konnte. Dann meinte das Team, dass ich Druck machen solle." Kwjat wertet den Coup von Budapest als charakterbildend "Manche Leute sagen, dass man nie aufgeben soll. Aber sie wissen nicht, was sie da sagen - und auch ich habe bis heute nicht gewusst, was es wirklich heißt. Heute habe ich das gelernt", findet er gewichtige Worte.

Ricciardo hielt immerhin Platz drei und zeigt sich überglücklich, schließlich hatte er schon zuvor einen heftigen Zusammenstoß mit Rosbergs Teamkollegen Lewis Hamilton und gleich nach dem Start weiteren Feindkontakt unbeschadet überstanden: "Die Berührung in Kurve 1 hat viel Schaden verursacht. Ich dachte, das Rennen sei vorbei", so der Australier, der nach dem ersten Umlauf nur noch Siebter war und auch nach dem Hamilton-Vorfall glaubte, seinen Dienstwagen vorzeitig abstellen zu müssen.

Er spricht von einem großen Kampf: "Ich habe heute mein Herzblut in die Angelegenheit gesteckt." Die harte Aktion gegen Rosberg verteidigt er vor dem Hintergrund des Power-Defizits seines Renault-Antriebs: "Wir haben die Geschwindigkeit auf der Geraden nicht. Ich wusste, dass ich schnell genug war, um zu gewinnen. Also dachte ich mir: 'Wenn ich Nico kriegen kann, dann auch Seb'. Die Runden zählten runter. Ich sah eine Lücke, die ich genutzt habe. Bis dahin war das Manöver sauber."

Wenn überhaupt, dann sieht Ricciardo die Schuld bei der Folgeaktion bei seinem Konkurrenten: "Es sah aus, als hätte mir Nico am Ausgang den Weg abgeschnitten und kam mir in die Quere. Ich denke, dass ich nicht genug Platz hatte und wir berührten uns", beschreibt er das vorzeitige Ende des Dreikampfes an der Spitze, bei dem der lachende Fighter Vettel hieß. "Wir haben offensichtlich beide unsere Chancen auf einen Sieg zerstört", bilanziert Ricciardo nüchtern.

Rosberg erwischte es schlimmer. Er verlor viel Zeit, als er mit dem Plattfuß die komplette Runde zurück an die Box humpelte und fiel auf nach dem Besuch bei der Crew auf Rang acht zurück, auf dem er auch das Ziel erreichte. Allerdings hatte der Wiesbadener im Rennen zu keinem Zeitpunkt den Speed, um Vettel oder den lange auf dem zweiten Platz liegenden Kimi Räikkönen anzugreifen, sondern musste chronisch in den Rückspiegel schauen. WM-Rivale Hamilton war stets deutlich schneller unterwegs.

Umso erstaunlicher, dass Rosberg nach eigener Aussage nicht unzufrieden war - zumindest, bis es krachte: "Es lief sehr gut, ich war ziemlich zufrieden mit dem Rennen", sagt er und ortet die Schuld für die Kollision bei Ricciardo: "Ich sehe es so, dass es meine Kurve war, weil ich die Ideallinie gefahren bin, während er zu spät gebremst hat und geradeaus geschossen ist - aber sein Frontflügel war noch da, und er hat nicht zurückgezogen." Da die Rennleitung inaktiv blieb, sei aber niemand verantwortlich.

Trotz der Enttäuschung zeigt sich Rosberg tapfer: "Manchmal kann der Sport so hart sein, wenn man all diese Punkte verliert." Zumal es sich um eine goldene Chance im WM-Duell handelte: Hamilton, der am Start auf Rang vier zurückfiel, sich eingangs der Schikane verbremste, durch das Kiesbett räuberte und Rosbergs mehrmaligen Spurwechsel für das Malheur verantwortlich machte, erreichte das Ziel nur als Sechster. Schließlich erlebte der Weltmeister bei seiner Aufholjagd weitere Kabale.

Bis zur erwähnten Safety-Car-Phase in Runde 43 hatte er sich vom zehnten auf den vierten Platz nach vorne gearbeitet, wurde jedoch von dem weich bereiften Ricciardo angegriffen und überholt. Als der Red Bull schon vorbei war, warf Hamilton die Türe zu, beschädigte seinen Frontflügel und musste zum Reparaturstopp einrücken. Die Rennleitung verhängte außerdem eine glasklare Durchfahrtsstrafe, die der Brite akzeptierte und sich sogar im Funk bei seinem Team für die Aktion entschuldigte.

Von Rang 13 ging es - auch dank der Turbulenzen der übrigen Spitzenpiloten - wieder nach vorne, doch zufrieden ist ein Lewis Hamilton damit natürlich nicht: "Was für ein Tag, Jesus! Das war ein harter Nachmittag", pustet er durch und ist hörbar bemüht, etwas Positives an einem Rennen zu finden, dass sich für ihn als pures Chaos entpuppte. "Ich hatte definitiv einen sehr schlechten Tag im Büro, aber das Team hat einen guten Job gemacht, sodass ich wenigstens ein noch ein paar Punkte mitnehmen konnte."

Härter traf das Schicksal Räikkönen: Nach bombastischem Start und einem exzellenten Zweikampf mit Rosberg um Rang zwei cruiste der vor dem Ferrari-Aus stehende Finne lange einem sicheren Podiumsplatz entgegen, als er in Runde 42 Leistungsverlust meldete. Die Konkurrenten schnupften den roten Renner reihenweise auf. Nach Rundenzeiten drei Sekunden über dem Niveau der Spitze und einem missglückten Reset an der Box strich Räikkönen die Segel und reiste mit einem Nuller aus Budapest ab.

In den Punkterängen gab es nach dem Tohuwabohu viele Überraschungen: Der 17-jährige Max Verstapppen (Toro Rosso) landete als Vierter seinen größten Karriereerfolg, Fernando Alonso und Jenson Button holten für McLaren auf den Rängen fünf und neun erstmals in dieser Saison ein doppeltes Punkteergebnis. Offenbar ist das Chassis des MP4-30 besser als der auf dem Hungaroring wenig geforderte Honda-Antrieb. Romain Grosjean (7.; Lotus) und Marcus Ericsson (10.; Sauber) komplettierten die Top 10.

Glück im Unglück hatte Nico Hülkenberg: Er war es, der in Runde 42 die mehrfach besungene Safety-Car-Phase auslöste, als sein Frontflügel ohne Fremdeinwirkung Ende der Start- und Zielgeraden brach, unter das Auto gelangte und den Emmericher geradewegs in die Reifenstapel schießen ließ. Obwohl der Aufprall heftig war, funkte Hülkenberg sofort: "Ich bin in Ordnung." Trotzdem brauchte es eine kurze Verschnaufpause auf einem Campingstuhl, ehe es per Pedes zurück an die Box ging.

Williams hatte mit Valtteri Bottas und Felipe Massa auf dem "Mickey-Mouse-Kurs" Ungarn die erwarteten Probleme und blieb ohne Punkte, Pastor Maldonado (14.) erlebte einen rabenschwarzen Tag. Eine übertriebene Durchfahrtsstrafe wegen einer Kollision mit Sergio Perez (ausgeschieden; Force India), eine weitere wegen Tempolimitüberschreitung in der Boxengasse und eine Zehn-Sekunden-Zeitstrafe wegen Überholens hinter dem Safety-Car bescherten dem Venezolaner einen Sanktionsmarathon.

Nach dem Chaos-Grand-Prix verabschiedet sich die Formel 1 in ihre vierwöchige Sommerpause. WM-Führender ist weiterhin Hamilton (202 Punkte). Der Champion ist mit komfortablem Vorsprung auf Rosberg (181) ausgestattet, allerdings verkürzte Vettel (160) seinen Rückstand beträchtlich und könnte mit formverbessertem Ferrari im Herbst zur Aufholjagd blasen. Bei den Teams ist Mercedes (383) weiter vor Ferrari (236) und Williams (151) einsame Spitze.

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