Formel 1 Kanada 2015: Rosberg frustriert, Hamilton auf Pole
Lewis Hamilton jubelt über die Pole-Position beim Grand Prix von Kanada in Montreal - Enttäuschung bei Nico Rosberg (2.) und Sebastian Vettel (16.) groß
(Motorsport-Total.com) - Fröhliche Zahlenspiele für Lewis Hamilton in Montreal: Der Mercedes-Pilot mit der Startnummer 44 sicherte sich im Qualifying zum Grand Prix von Kanada (Formel 1 2015 live im Ticker) die 44. Pole-Position seiner Karriere, die vierte auf dem Circuit Gilles Villeneuve. Zweiter wurde sein frustrierter Teamkollege Nico Rosberg, für den der Samstag vielversprechend begonnen hatte, und Dritter Kimi Räikkönen (Ferrari).
Der Pechvogel des Tages heißt aber Sebastian Vettel: Zuerst kam er noch mit einem blauen Auge davon, weil die Rennleitung im Abschlusstraining ein (von Roberto Merhi bestätigtes) Überholmanöver unter roter Flagge übersehen hatte; doch die ausgleichende Gerechtigkeit schlug zu, als er bereits in Q1 ausschied. Wegen eines defekten Transistors, "der vielleicht zehn Euro kostet", wie sich Ferrari-Teamchef Maurizio Arrivabene ärgert.
"Ist natürlich bitter für uns, weil wir heute wahrscheinlich näher dran gewesen wären", spielt Vettel auf den neuen Ferrari-Motor an, der extra für dieses Wochenende eingebaut wurde. Am Ende wurde es der 16. Platz - aber die Hoffnung auf ein gutes Rennen bleibt: "Wir werden das defekte Bauteil austauschen. Ich bin sicher, dass Sebastian ein gutes Rennen fahren kann", kündigt Arrivabene an. Und der drittplatzierte Kimi Räikkönen sowieso.
Aber ganz vorne scheint Mercedes auch in Montreal unantastbar zu sein, was auf der PS-kritischen Hochgeschwindigkeitsstrecke nicht überraschend kommt. Faszinierend, wie sich Hamilton und Rosberg einen Schlagabtausch im Tausendstelsekunden-Bereich lieferten - bis das Duell in Q3 doch noch zur klaren Sachen wurde: "Was für ein beschissenes Ende", fluchte Rosberg am Funk - und wunderte sich über sein Team am Kommandostand.
Denn das hatte ihm gefunkt, als nach dem ersten Q3-Run plötzlich drei Zehntel fehlten: "Das war dein schlechtester Reifensatz. Wir erwarten, dass der nächste viel besser sein wird." Worüber sich Rosberg ein paar Minuten später wunderte: "Wie wollt ihr wissen, welcher Satz gut und welcher schlecht ist? Okay, das diskutieren wir nachher..." Am Ende betrug sein Rückstand auf den Teamkollegen 0,309 Sekunden.
"Ich fühlte mich gut, aber am Ende hat es einfach nicht zusammengepasst", ärgert er sich. "Ich hatte hinten links überhaupt keinen Grip, vor allem mit dem ersten Satz Reifen." Geschlagen gibt er sich aber noch lange nicht: "Das Rennen wird morgen gefahren. Es gibt hier durchaus Überholmöglichkeiten. Noch ist nicht alles verloren." Was übrigens auch Räikkönen so sieht: "Im Rennen sind wir immer etwas stärker. Wir brauchen einen guten Start."
Für Hamilton standen die Vorzeichen vor dem Qualifying mäßig: unnötiger Crash im Freitagstraining, schlechte Bremsbalance am Samstagmorgen, mehrmals neben der Strecke - aber im entscheidenden Moment doch wieder voll da! "Es war nicht der einfachste Tag, ich habe bis vor dem Qualifying über das Setup gerätselt. Aber meine 44. Pole auf der Strecke zu holen, auf der ich meinen ersten Grand Prix gewonnen habe, ist etwas ganz Besonderes."
Für Mercedes war das Qualifying eine Demonstration: sechs Autos unter den ersten Sieben, sieben unter den ersten Zehn - nur das frühe Aus von Felipe Massa (Williams) in Q1 verhinderte, dass die komplette Flotte in den Top 10 landete. Beim 17. war es aber ausgerechnet der Antrieb, der ein Weiterkommen verhinderte: "Auf der Gegengeraden kam ich nicht einmal in den sechsten Gang", berichtet er. Wo genau der Defekt lag, ist aber noch unbekannt.
Die Mercedes-Festspiele störten nur Räikkönen (3.) sowie die beiden Red-Bull-Fahrer Daniil Kwjat (8./+1,686) und Daniel Ricciardo (9./+1,721). Letzterer hatte sich vor dem Wochenende dank einiger Updates deutlich mehr ausgerechnet und kann ein Jahr nach seinem Premierensieg in der Formel 1 nicht einmal mehr lächeln: "Es ist wirklich sehr frustrierend", wirkt der Sonnyboy zum vielleicht ersten Mal in seiner Karriere ernsthaft geknickt.
Grund zur Freude hingegen bei Force India, insbesondere bei Nico Hülkenberg (+1,221), der eine bisher starke Leistung in Montreal mit dem siebten Platz belohnte. Dass auch Sergio Perez (+1,945) in die Top 10 fuhr, ist nur eine Draufgabe. Und Valtteri Bottas (Williams) schob sich mit dem letzten Run noch an den beiden wiedererstarkten Lotus vorbei, rechnet sich als Vierter Chancen auf das Podium aus: "Im Rennen läuft es für uns meistens besser."
Wie stark Lotus im Renntempo sein wird, ist die große Unbekannte, aber zumindest beim Topspeed waren Romain Grosjean (+0,801) und Pastor Maldonado (+0,936) Spitze. Maldonado hatte in Q1 Glück, als ihn Streckenposten nach einem Dreher im Senna-S anschoben, sodass er überhaupt weiterfahren konnte. Mit 340,6 km/h war der Lotus heute das schnellste Auto auf den Geraden. Zum Vergleich: Der beste Nicht-Mercedes-Motor schaffte 335,4 km/h.
Toro-Rosso-Junior Carlos Sainz schnupperte in Q2 kurzzeitig am Top-10-Einzug, wurde am Ende aber doch noch von Kwjat verdrängt und belegte schlussendlich den elften Platz, immerhin 0,203 Sekunden vor dem gehypten Teamkollegen Max Verstappen. Im Qualifying-Stallduell führt Sainz bereits mit 5:2. Marcus Ericsson wurde 13., Felipe Nasr 15. - aber die stärkste Sauber-Leistung war, Nasrs Auto nach dem Trainingscrash überhaupt rechtzeitig fertig zu bekommen.
Fernando Alonso (McLaren-Honda) wurde 14., sein Teamkollege Jenson Button konnte wegen eines Motorwechsels nach dem ERS-Defekt im Abschlusstraining gar nicht erst teilnehmen. Die beiden Manor-Marussias schafften locker den 107-Prozent-Cut. Das Rennen verspricht spannend zu werden, denn der Circuit Gilles Villeneuve bietet mehrere Überholmöglichkeiten. Gestartet wird am Sonntag um 20:00 Uhr deutscher Zeit.