Montreal: Renault-Teams vor schwieriger Aufgabe
Der Circuit Gilles Villeneuve ist für die Antriebsstränge die bisher größte Bewährungsprobe 2015 - Remi Taffin erklärt Schwierigkeiten und Herangehensweise
(Motorsport-Total.com) - Den Grand Prix von Monaco im Leitplankenkanal von Monte Carlo haben die Formel-1-Piloten mehr oder weniger erfolgreich hinter sich gebracht. Am kommenden Wochenende wartet eine gänzlich andere Herausforderung auf Mensch und vor allem Material: der Circuit Gilles Villeneuve in Montreal.
Die auf der Ile Notre-Dame inmitten des Sankt-Lorenz-Stroms gelegene Rennstrecke hat einen Vollgasanteil von etwas mehr als 60 Prozent. Entsprechend groß ist die Belastung für die Motoren. Auf der langen Gerade vor der letzten Schikane erreichen die Formel-1-Boliden eine Höchstgeschwindigkeit von 330 km/h. In Barcelona ging es zwar in ähnliche Bereiche, doch dort war das Gesamtpaket der Autos aufgrund der Streckcharakteristik auf mehr Abtrieb ausgelegt als in Montreal.
Mit einer Rundenzeit von rund 75 Sekunden (Pole-Position im Vorjahr von Nico Rosberg mit 1:14.874 Minuten) ist die kanadische Grand-Prix-Piste eine der zeitlich am schnellsten umrundeten. Nur auf dem Red-Bull-Ring in Spielberg wird eine Runde noch zügiger absolviert.
Fotostrecke: FIA-Fast-Facts Montreal
2015 wird der 46. Grand Prix von Kanada gefahren werden - die vergangenen 35 wurden auf der Ile Notre-Dame ausgetragen. Das Rennen kam 1978 dorthin und wurde von Gilles Villeneuve auf Ferrari gewonnen. Zu diesem Zeitpunkt wurde die Rennstrecke Circuit Ile Notre-Dame genannt. Fotostrecke
Neben der bisher höchsten Belastung für die 2015er-Motoren spielt der Benzinverbrauch in Montreal Jahr für Jahr eine große Rolle. Aufgrund der heftigen Bremspunkte und anschließenden Beschleunigungsphasen liegt der Spritverbrauch laut Angaben von Renault sieben Prozent über dem zulässigen Maximum (100 Kilogramm pro Rennen). Eine entsprechend große Bedeutung kommt auf der Ile Notre-Dame dem Thema Energie-Rückgewinnung zu.
In diesem Zusammenhang haben die Ingenieure vor allem den Wind im Blick. Mit Rückenwind ist der Spritverbrauch entsprechend niedriger, bei Gegenwind umso höher. Die MGU-K leistet vor allem in Bremszone vor der Haarnadel (Kurve 10) Schwerstarbeit. Dort werden die Boliden von 290 km/h auf 60 km/h verzögert. Weil auf dem 4,361 Kilometer langen Kurs aber nicht genügend Bremspunkte gibt, kommt hinsichtlich der Energie-Rückgewinnung auch die MGU-H ins Spiel. So wird auf der 13 Sekunden dauernden Vollgaspassage ausgangs der Haarnadel jede Menge Abgasenergie rekuperiert.
"Der Circuit Gilles Villeneuve verlangt den Antriebskomponenten alles ab", sagt Renault-Motorenchef Remi Taffin und präzisiert: "Mehr als die Hälfte der Runde wird mit Vollgas gefahren. Aufgrund der zwei langen Geraden und der heftigen Bremspunkte an deren Ende ist der Verbrennungsmotor enormen Belastungen ausgesetzt. Selbst die Energie-Rückgewinnungssysteme werden in Kanada hart rangenommen. Alles in allem ist es ein Rennen, bei dem es schwerfällt, alles richtig zu machen."
Fotostrecke: Triumphe & Tragödien in Kanada
1967 findet im Mosport Park in Bowmanville das erste Formel-1-Rennen in Kanada statt - und sorgt gleich für mehrere Highlights. Mit über 2:40 Stunden ist der verregnete Grand Prix das längste Rennen der gesamten Saison. Jackie Stewart, hier in Führung vor Jack Brabham, sieht die Zielflagge am Ende nicht. Fotostrecke
Denn auch das Thema Leistungsentfaltung ist in Montreal von entscheidender Bedeutung. "Die Geraden sind lang. Das bedeutet, der Fahrer ist auf ein gutes Beschleunigungsverhalten angewiesen, um am Ende der Geraden den Top-Speed zu erreichen. Die Kurven hingegen sind langsam und eng. Dort braucht der Fahrer ein gutes Ansprechverhalten, um das Auto zügig um die Ecken und durch die Schikanen zu manövrieren. Diesbezüglich haben wir uns intensiv mit den Teams zusammengesetzt, um die richtigen Mappings auszuarbeiten", so Taffin.
Mit Teams meint der Franzose die beiden einzigen verbliebenen Renault-Kunden Red Bull und Toro Rosso. Mit welchen sportlichen Erwartungen geht man in das bevorstehende Rennwochenende? "Wir sind realistisch. Unsere Zuverlässigkeit haben wir im Verlauf der beiden zurückliegenden Rennwochenenden deutlich verbessert, aber wir wissen, dass wir es in Montreal hinsichtlich der Performance schwer haben werden", sagt Taffin.
So will es Renault "mit der gleichen Herangehensweise wie in Monaco probieren, nämlich jeden einzelnen Sektor der Runde zu optimieren". Dabei gibt es nur ein Problem. Anders als in Monaco müssen die Teams in Montreal auch auf das richtige Verhältnis zwischen Luftwiderstand und Abtrieb achten, um sowohl im Qualifying als auch im Rennen konkurrenzfähig zu sein. "Wir hoffen, dass wir in Montreal einmal mehr näher dran sein können", sagt Taffin. Im vergangenen Jahr gelang Renault in Montreal dank Red-Bull-Pilot Daniel Ricciardo der erste von drei Saisonsiegen.