Formel 1 in China 2015: Mercedes vorn, Red Bull überrascht
Zahlreiche Zwischenfälle im zweiten Freien Training in Schanghai, ein "Flitzer" und zwei Crashs: Die Bestzeit geht erneut an Mercedes-Fahrer Lewis Hamilton
(Motorsport-Total.com) - Der Weltmeister bleibt vorn: Lewis Hamilton (Mercedes) hat nach der Bestzeit vom Vormittag auch das zweite Freie Training zum Großen Preis von China in Schanghai für sich entschieden. Und das in überzeugender Manier: Mit 1:37.219 Minuten blieb Hamilton am Shanghai International Circuit mehr als vier Zehntel vor seinem schärfsten Verfolger und etwa 1,1 Sekunden unter dem Topwert des Vorjahres.
Hamiltons Mercedes-Teamkollege Nico Rosberg (5.) rundete das gute Ergebnis der Silberpfeile ab: Im Endklassement belegte der Deutsche am Nachmittag zwar "nur" Rang sechs, fuhr in 1:41.7 Minuten aber mit Abstand die beste Longrun-Zeit. Mercedes wirkt also gut gerüstet für das dritte Rennen der Formel-1-Saison 2015. Doch wer kann dem Werksteam in China die Spitzenposition streitig machen?
Auf einer schnellen Runde hielt Kimi Räikkönen (Ferrari) am besten mit. Ihm gelang eine Runde von 1:37.662 Minuten, womit er 0,443 Sekunden hinter Hamilton als Zweiter abgewinkt wurde - und damit vor Malaysia-Sieger Sebastian Vettel (Ferrari). Der viermalige Weltmeister (+1,120 Sekunden) kam nicht über Rang vier hinaus und landete damit hinter seinem früheren Teamkollegen Daniel Ricciardo (Red Bull/+1,092).
Red Bull überrascht
Überhaupt war Ricciardo die positive Überraschung des Tages. "Ihn hatten wir da vorn nicht erwartet", meint Formel-1-Experte Marc Surer. Doch der australische Rennfahrer überzeugte auch über die Longrun-Distanz, indem er dabei nur 0,3 Sekunden auf Rosberg einbüßte und den zweiten Platz in dieser Wertung belegte. "Es scheint also doch vorwärts zu gehen bei Red Bull", stellt Surer fest.
Dabei blieben Pannen allerdings nicht aus: Ricciardos Red-Bull-Stallgefährte Daniil Kwjat (6./+1,518) ereilten im letzten Drittel der 90-minütigen Einheit noch technische Probleme. Die Bremse hinten links begann zu brennen, Kwjat sollte langsam zur Box zurückkehren. In der Haarnadel-Kurve vor Start und Ziel flog er schließlich ab und schlug in die Banden ein. "Die Bremse hat nicht funktioniert", klagte er.
Red-Bull-Teamchef Christian Horner nahm seinen Fahrer sofort in Schutz: "Es war nicht seine Schuld. Wir hatten einen Bremsdefekt." Vom Totalausfall der hinteren Bremsanlage, meint Surer, sei Kwjat in der härtesten Bremszone des Kurses wohl überrascht worden. "Trotzdem", findet Horner, "haben unsere Jungs einen guten Schritt nach vorn gemacht." Auch dank etwas flacherer Heckflügel, wie er hinzufügt.
Vettel im Kiesbett
Schwierigkeiten hatte aber auch die direkte Konkurrenz: Bei Räikkönen traten zu Beginn des Trainings ebenfalls Bremsprobleme auf, Vettel leistete sich sogar einen Abflug. Nach nur sieben Minuten rodelte der viermalige Weltmeister ausgangs der langgezogenen ersten Kurve kurz durch das Kiesbett. "Er ist zu hart auf das Gaspedal getreten, weshalb ihm das Heck ausbrach", erklärt Formel-1-Experte Surer.
Doch Vettel wirkt nach insgesamt 48 Runden zum Trainingsauftakt in Schanghai nicht unzufrieden. "Generell fühle ich mich wohl im Auto", meint er. "Es war ein solides Training. Und ich denke, wir können am Samstag einen Schritt nach vorn machen." Rückschritte dagegen bei Williams: Mehr als Platz sieben war nicht drin für Valtteri Bottas (+1,631), aber noch schlimmer erwischte es Felipe Massa (17./+3,204).
Nach etwa einer halben Stunde kam der Brasilianer am Ende der Gegengeraden erst ins Schlingern, dann von der Strecke ab und schlug schließlich leicht vorn links an der Streckenbegrenzung an. Mit gebrochenem Frontflügel gab Massa das Training auf, sein Fahrzeug wurde unter roten Flaggen geborgen. Entlastet wird Massa von Surer: "Für den Abflug kann er nichts. Das Auto hat hinten überbremst."
McLaren in den Top 10
Einen ordentlichen Nachmittag erlebten hingegen Felipe Nasr (Sauber/+1,813), Romain Grosjean (Lotus/+1,923) und Jenson Button (McLaren/+2,056) auf den weiteren Top-10-Positionen. Vor allem McLaren wirkte verbessert - auch dank Platz zwölf durch Fernando Alonso (+2,524). "Sie haben einen Riesenschritt gemacht. Das muss man sagen", so Formel-1-Experte Surer. Immerhin gelangen 95 Runden.
Nur im hinteren Mittelfeld tauchten dagegen die beiden Toro-Rosso-Piloten Max Verstappen (14./2,675) und Carlos Sainz (15./+2,752) auf. Direkt dahinter das Force-India-Duo um Nico Hülkenberg (16./+2,932) und Sergio Perez (18./+3,649), gesprengt nur von Pechvogel Massa. An vorletzter Stelle, aber innerhalb von 107 Prozent der Bestzeit: Roberto Merhi (20./+5,754) im Marussia.
Wirklich kurios ging es im zweiten Freien Training indes nicht nur auf der Rennstrecke zu: Auf den Rängen ließ sich ein Brautpaar fotografieren und ein "Flitzer" überquerte (völlig bekleidet) während des Fahrbetriebs die Zielgerade. Mit einem Sprung rettete er sich vor einem herannahenden Force India erst in die Boxengasse, dann in die Ferrari-Box. Kurz darauf griffen ihn dort Sicherheitsleute auf.
Rosberg und Räikkönen mit Miniduell
Rosberg und Räikkönen probten indes in der Schlussphase schon einmal den "Ernstfall" und leisteten sich ein Miniduell. "Das war gutes Racing", meint Rosberg. "Vielleicht erleben wir am Sonntag eine ähnliche Action." Sofern Mercedes nicht erneut das Geschehen dominiert. Wie die Chancen darauf stehen? Rosberg: "Auf eine Runde sind wir die Schnellsten, über die Distanz müssen wir schauen."
Nach der Niederlage von Malaysia ist vor allem Ferrari ein Thema für Mercedes. "Es scheint auch hier ziemlich eng zu sein zwischen ihnen und uns", sagt Hamilton. Kommt es also zu einem Duell auf Augenhöhe? Ferrari-Pilot Vettel dämpft die Erwartungen: "Für uns hat Priorität, direkt hinter ihnen zu landen." Das ist zumindest Räikkönen am Freitag gelungen. Und Vettel verspricht: "Wir können uns noch steigern."