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Mercedes: Strategiefehler oder von Anfang an ohne Chance?
Mercedes musste sich heute rein sportlich auf der Strecke beugen und fragt sich, ob man heute überhaupt gewinnen konnte - Wird die Gleichbehandlung aufgehoben?
(Motorsport-Total.com) - "Auch wenn wir immer etwas skeptisch über unseren eigenen Vorsprung sind, haben wir nicht gedacht, dass er so schnell weg ist. Wir haben immer daran geglaubt, dass wir uns ranhalten müssen, um nicht eingeholt zu werden. Dass wir aber innerhalb von zwei Wochen von Ferrari eingeholt werden und das Rennen fair und ehrlich auf der Strecke verlieren, ist eine Überraschung." Das Fazit von Mercedes' Motorsportchef Toto Wolff sagt alles: Die Silberpfeile haben den Großen Preis von Malaysia auf der Strecke verloren.
Die Ausgangslage ist klar: Dass Sebastian Vettel nur zwei Stopps machen musste - und nicht drei wie Mercedes - war für die Scuderia heute der Schlüssel zum Sieg. Mercedes ging hingegen am Ende die Reifenperformance aus: "Fakt ist, dass der Reifen bei Ferrari - besonders der Option - wesentlich länger haltbar war. Lewis ist der Reifen bei Runde 13, 14 eingegangen, bei Sebastian war es Runde 17, 18. Das macht einen großen Unterschied", urteilt Wolff.
"Ich glaube, dass wir vielleicht sehr auf diese Ein-Runden-Pace konzentriert waren und das Setup von den Temperaturen her vielleicht zu aggressiv gegenüber Ferrari fahren. Das müssen wir uns anschauen", so seine erste Analyse. "Nichtsdestotrotz muss man anerkennen, dass der Ferrari verdammt schnell war. Die haben schon am Freitag mit Räikkönen einen Longrun hingelegt, der beeindruckend war. Der hat uns schon gezeigt, dass die Pace bei Ferrari da ist."
Safety-Car-Stopp als entscheidender Fehler?
Knackpunkt dabei dürfte vor allem der Dreher von Marcus Ericsson und die damit herbeigeführte erste Safety-Car-Phase gewesen sein. Denn während Lewis Hamilton und Nico Rosberg sofort an die Box beordert wurden, blieb Vettel draußen und sparte sich den Stopp. Anders als die Silberpfeile hatte der Heppenheimer dann an der Spitze freie Fahrt und konnte den Vorteil umsetzen. War das der große Fehler am heutigen Tag?
"Wenn das Safety-Car-Fenster aufgeht, versucht man es zu nutzen", winkt Aufsichtsratschef Niki Lauda bei 'RTL' ab. "Das haben zwei Drittel des Feldes gemacht. Im Nachhinein muss man aber sagen: Die Gescheiten nicht." Zwar sah der Plan bei einer so frühen Safety-Car-Phase stets einen Boxenstopp vor, "wir haben aber nicht erwartet, dass so viele Leute draußen bleiben", erklärt Nico Rosberg, der zudem hinter seinem Teamkollegen warten musste und weitere Plätze und Zeit verlor. "Danach war es schwierig, durch das Feld zu kommen, was uns viel Reifen gekostet hat", schildert er.
Denn Rosberg und Hamilton hingen so einige Zeit lang hinter einigen langsameren Autos fest, kamen durch die Charakteristik des Autos, die vor allem auf Abtrieb basiert, nicht schnell genug vorbei. "Wir waren im mittleren Sektor sehr gut, aber auf den Geraden einfach nicht schnell genug. Dadurch kommst du einfach weniger leicht vorbei, und verschleißt beim Hinterherfahren in der Hitze deine Reifen", erklärt Toto Wolff. "Lewis ist im vorletzten Stint ein paar Runden hinter Maldonado und Grosjean gefahren, und binnen weniger Kurven war der Grip weg, weil der Reifen über den Jordan gegangen war."
Wolff will Gleichbehandlung überdenken
Doch hätte man diesem Szenario nicht entgehen können, indem man beide Piloten auf eine unterschiedliche Strategie setzt? "Vielleicht hätten wir die Strategien splitten können, aber wir waren ganz klar auf einer Dreistopp, das hat unser Algorithmus ausgeworfen", bekräftigt der Österreicher. Zudem hatte man im Hinterkopf, welch negative Kommentare es wieder geben würde, wenn ein Fahrer das Rennen dadurch verlieren würde - und der andere nicht.
"Vielleicht sind wir so konzentriert darauf, diesen Fair Play zwischen den beiden zu halten - in der Annahme, dass es eh nur zwischen den beiden geht - dass wir in der Sekunde diese Entscheidung nicht getroffen haben", sagt Wolff. "Man kann sich vorstellen: Wenn wir das Rennen mit dem einen Fahrer gewinnen und mit dem anderen nicht, heißt es wieder: 'Warum wurden die Strategien so gesplittet? Das war doch unfair.'"
Zu Zeiten der großen Dominanz konnte man sich das allerdings erlauben, heute könnte es hingegen mitverantwortlich für die erste Niederlage in neun Rennen gewesen sein. Hat Mercedes Ferrari vielleicht unterschätzt? "So kann man es heute natürlich sagen", überlegt Experte Marc Surer bei 'Sky', und Wolff bestätigt, dass man die Scuderia heute nicht so stark erwartet hatte. "Was wir bei Ferrari gesehen haben, war besser als erwartet, während unsere Pace im normalen Bereich lag", sagt er.
Ferrari schon in China wieder auf Abstand?
Doch seit heute sind die Sinne bei den Silberpfeilen wieder geschärft, sodass man demnächst wieder mit einem Großangriff rechnen kann. Eventuell entscheidet man sich bei einem gleichen Szenario dann zu einer anderen Strategie - wie etwa einem Split: "Jetzt muss man vielleicht anerkennen, dass es einen Gegner gibt, und dass man vielleicht Entscheidungen treffen muss, die sich im Nachhinein als unpopulär herausstellen können", bestätigt Wolff, der dennoch lange an seine Strategie geglaubt hat.
"Die Strategien heutzutage sind kein Bauchgefühl mehr, sondern Algorithmen und viel Forschung. Wir haben die besten Strategen bei uns und haben heute auf unsere Informationen vertraut. Daher waren wir zuversichtlich, dass wir sie (Ferrari und Sebastian Vettel; Anm. d. Red.) am Ende einholen würden", so der Österreicher. Gleiches gab man den Fahrern auch am Funk mit, doch am Ende musste man sich Ferrari heute deutlich beugen.
Man darf sich fragen, wie die Scuderia den Rückstand in nur zwei Wochen aufholen konnte, doch bei den Silberpfeilen gibt man sich noch ganz entspannt und schiebt es auf die Umstände: "Ferrari ist bei diesen Bedingungen auf unserem Niveau, weil sie einfach vom Reifenverschleiß besser gelegen sind. In Schanghai wird es schon wieder anders sein", ist Wolff überzeugt.
Niki Lauda muss hingegen einsehen, dass Ferrari heute nicht zu bezwingen war: "Ferrari war heute reifenschonender unterwegs, deshalb sind sie gleich auf zwei Stopps umgestiegen oder hatten das von vornherein so geplant. Das war der richtige Weg, um heute zu gewinnen. Bei uns wäre das nicht möglich gewesen." Stimmt, meint Wolff: "Wir haben gewusst, dass Ferrari nur zwei Stopps macht, weil wir gesehen haben, dass sie den Longrun fahren können - wir nicht. Trotzdem waren wir uns zu lange sicher, dass die Strategie die richtige ist."