Ferrari lobt Renntempo: Aus Flämmchen wird Feuersturm
Status als zweite Kraft gesichert, aber Mercedes noch meilenweit voraus: Sebastian Vettel und Kimi Räikkönen sind heilfroh über den SF15-T, wollen aber mehr
(Motorsport-Total.com) - Jubelbilder in Rot sind in der Formel 1 beinahe in Vergessenheit geraten. Beim Australien-Grand-Prix am Sonntag gab es für Ferrari wieder Grund zur Freude: Auch wenn die sieglose Serie des Jahres 2014 fortbesteht, sorgten der dritte Platz Sebastian Vettels und die schnellen Runden Kimi Räikkönens für Aufbruchstimmung. "Toto liegt richtig, wenn er sich Sorgen macht: Wir kommen!", lanciert Maurizio Arrivabene bei 'Sky' eine Kampfansage an den Mercedes-Motorsportchef Wolff.
Woher die Euphorie? "Seit den Barcelona-Tests und erst recht seit Freitag waren wir überhaupt nicht besorgt", meint der Teamchef. Ferrari probte Longruns mit vollem Tank und stellte fest, dass der SF15-T im Gegensatz zu seinem Vorgänger ein Ausdauerläufer ist. Vettel lobt die Performance über die Renndistanz und zeigt sich "insgesamt sehr zufrieden". Im Scuderia-Lager ist man sich einig, dass es eine Erleichterung sei, endlich ein Auto zu haben, mit dem es sich arbeiten lässt.
Auch strategisch: Vettel schaffte es in Melbourne nach einem schlechten Start mit durchdrehenden Rädern, sich an die Fersen Felipe Massas zu heften. Vorbei kam er am Brasilianer zunächst nicht. Ein altes Manko des Ferrari-Antriebsstrangs: "Überholen ist schwierig, auch wenn ich am Anfang schneller konnte", so Vettel. "Der Williams hat guten Topspeed. Wir haben aber Unorthodoxes geschafft: länger draußen bleiben und vorbeikommen. Es war nicht einfach, die Strategie umzusetzen."
Mercedes noch nicht in Reichweite? Räikkönen widerspricht
Zwar litten die Reifen, allerdings längst nicht so schlimm wie noch vor Jahresfrist. Auch Räikkönen sieht die Stärken des neuen Wagens im Rennen und glaubt, das Verfolgerduell mit Williams und Red Bull zunächst für sich entschieden zu haben. "Das Tempo reicht für das Podium. Unser Auto ist auf einer Runde schnell, aber nicht schnell genug. Im Rennen ist die Lücke kleiner." Denn Mercedes scheint für Ferrari weiter eine Nummer zu groß zu sein: "Wir wussten, dass die beiden unschlagbar sind", räumt Vettel ein. "Für uns war es wichtig, uns direkt dahinter zu positionieren."
Für den Heppenheimer sind die Silberpfeile derzeit nicht in Reichweite. "Wir sollten Manns genug sein, das zu respektieren", so Vettel. Räikkönen sieht die Sache optimistischer, schließlich würden das Zeittraining und die Jagd nach einer schnellen Einzelrunde das Bild verzerren: "Wir sind nicht weit weg. Wir können an der Spitze mitmischen." Für Ferrari gilt es, den Status als zweite Kraft zu sichern und sich dann an die Platzhirsche von Mercedes heranzuarbeiten. "Die zweite Aufgabe ist deutlich schwieriger und es braucht Zeit, die Lücke zu schließen", weiß Vettel.
Surer: "Der alte Vettel, der nichts falsch macht, ist zurück"
Die Experten im Paddock haben Vettel und Ferrari mit der Vorstellung beeindruckt: "Eine super Leistung. Sie sind zurück", zollt Niki Lauda den Roten bei 'RTL' Tribut und glaubt, dass der Neue mit seinem Auftritt bei den Tifosi aus einer Sparflamme einen Feuersturm gemacht hätte: "Mehr Erfolg kann er nicht erwartet haben. Damit hat er die italienischen Emotionen hochgefahren - im Team und in ganz Italien. Das ist wichtig für ihn", so Lauda, der selbst mit Ferrari Weltmeister wurde.
'Sky'-Experte Marc Surer ist überzeugt, dass die Scuderia wieder ein Wörtchen mitspricht. Der neuen Stärke im Rennen sei Dank: "Mit vollen Tanks ist mir schon am Freitag aufgefallen, wie gut die Ferrari unterwegs sind. Da war klar, dass sie einen Tick schneller sind als die Williams." Doch nicht nur der SF15-T bürgt aus Sicht des Schweizers für Erfolg, auch der neue Star im Team. "Es ist wieder der alte Vettel, der nichts falsch macht", erkennt Surer den deutschen Seriensieger wieder.
Er sieht darin den Schlüssel zum Erfolg: "Rennen gewinnt nur, wer sauber durchkommt, fehlerfrei fährt und taktisch zusammen mit dem Team alles richtig macht", meint Surer. "Das hat er wieder gezeigt, nachdem ihm im vergangenen Jahr taktisch alles oder fast alles misslungen ist." Dennoch hält Surer es für unabsehbar, wie gut Ferrari wirklich ist. Erst in den schnellen, engen Kurven und auf den langen Geraden Sepangs in zwei Wochen würde sich zeigen, wie stark das Team wirklich ist. Er warnt: "Im Park herumzufahren ist etwas anderes als auf einer richtigen Rennstrecke."