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Mercedes-Analyse: Die Gründe für die Dominanz
Mercedes hat den Qualifying-Speed in Melbourne aufgedeckt: Der W06 hat durch die neue Aerodynamik-Philosophie mehr Abtrieb, ist auf der Geraden aber langsamer
(Motorsport-Total.com) - Das erste Qualifying der Saison ist immer der Zeitpunkt, an dem die Formel-1-Teams zum ersten Mal die Hose herunterlassen müssen und die Karten aufdecken. Der temporäre Kurs im Albert Park der australischen Stadt Melbourne gilt wegen der Stop-and-Go-Charakteristik nicht als Gradmesser. Es fehlen schnelle Kurven, in denen die Aerodynamik zählt. Der Vorsprung von Mercedes war in der Qualifikation erdrückend. Williams hatte als erstes Verfolgerteam 1,4 Sekunden Rückstand.
© LAT
Mehr Abtrieb, weniger Topspeed: Ist diese Philosophie das Geheimnis der Dominanz? Zoom Download
Wird die Saison 2015 noch deutlicher von Mercedes dominiert als das Vorjahr? Beim Finale 2014 in Abu Dhabi hatte Williams im Qualifying nur 0,545 Sekunden Rückstand. Die Streckencharakteristik von Melbourne ist mit dem Yas-Marina-Circuit nicht vergleichbar. Sind die Zeitabstände trotzdem ein Indiz dafür, dass die Silberpfeile einen noch größeren Vorsprung auf die Konkurrenz haben?
"Mercedes hat ein weiteres herausragendes Auto gebaut. So einfach ist das", lächelt Nico Rosberg. "Es ist einfach großartig. Vor uns liegen also aufregende Wochen." Dass der Vorsprung mehr als eine Sekunde beträgt, kam auch für das Mercedes-Lager überraschend. Allgemein wurde der Vorsprung auf rund acht Zehntelsekunden geschätzt. "Wir haben unsere Hausaufgaben gemacht und stehen sehr gut da", verweist Rosberg auf die harte Arbeit in den Fabriken in Brackley und Brixworth.
Mercedes im Qualifying voll gefahren
Stellt sich die Frage, ob Mercedes schon alles gezeigt hat, oder ob noch mehr Performance im W06 steckt? "Das Auto fuhr mit einhundert Prozent", entgegnet Motorsportchef Toto Wolff. "Wir haben ein sehr gutes Fahrzeug und ein Paket, das voll funktioniert. In der modernen Formel 1 kannst du es dir nicht leisten, deinen Motor nicht komplett auszulasten. Jedes andere Team würde sofort merken, dass wir nicht mit voller Kraft unterwegs wären."
Deshalb betont der Österreicher klar: "Das war, was wir zu leisten imstande sind. In Kombination mit einem sehr guten Fahrer, der einen sehr guten Tag hatte, kommt dann eben ein solcher Abstand heraus", verweist Wolff auf die Topform von Weltmeister Lewis Hamilton. "Bis zum Qualifying ist es natürlich so, dass man den Motor nicht in der stärksten Einstellung fährt. Im Zeittraining legt dann jedes Team noch einmal nach. So machen auch wir das."
"Hinzu kommt aber: Die Strecke wird schneller. Auch die Fahrer legen zu. Gerade, weil es zwischen den beiden so eng zugeht, strengt sich jeder noch mehr an, um die bestmögliche Runde hinzulegen - zum spätestmöglichen Zeitpunkt. So werden die Zeiten schneller und schneller." Der Konkurrenzkampf beflügelt. In den kommenden Monaten geht das WM-Duell zwischen Hamilton und Rosberg in die zweite Runde.
Auto lässt sich ähnlich fahren wie der Vorgänger
Bei den Wintertests hatte sich angedeutet, dass der neue W06 am Limit schwierig zu fahren ist. Rosberg war in Melbourne mit dem Fahrverhalten auch nicht restlos zufrieden. Laut Hamilton ist der Unterschied zum erfolgreichen Vorgänger gering: "Der W06 fühlt sich ziemlich wie das Vorjahresauto an, aber das aktuelle Fahrzeug hat mehr Abtrieb", betont der Brite einen entscheidenden Vorteil.
"Um ehrlich zu sein, bei der reinen Leistung spürt man keinen großen Unterschied. Unser Antriebsstrang war schon 2014 ganz hervorragend. Die Leistungsentfaltung ist besser geworden, aber nicht in dem Maße, wie wir die Optimierungen bei der Aerodynamik spüren. Wir hatten schon 2014 einen guten Motor. In diesem Jahr können wir die Kurven besser attackieren, weil wir uns auf der Bremse gesteigert haben." Mercedes hat das Auto in entscheidenden Details verbessert. Das summierte sich in Melbourne auf 1,4 Sekunden Vorsprung.
Rosberg gibt ein ähnliches Urteil ab: "Das neue Auto ist nicht einfach nur in einem bestimmten Bereich besser, sondern insgesamt. Auch die Reifen sind anders, was den Gesamteindruck etwas verfälscht. Man spürt die Verbesserung rings um die Strecke, aber es ist nichts Spezifisches." Mercedes hat über den Winter nicht versucht, das Rad neu zu erfinden, sondern den eingeschlagenen Weg konsequent fortgesetzt.
Weniger Topspeed, mehr Abtrieb!
Es wurde aber eine andere Philosophie bei der Aerodynamik eingeschlagen. Obwohl Mercedes über den besten Antrieb verfügt, belegten Rosberg und Hamilton in der Topspeedwertung nur die Plätze elf und zwölf. Williams war mit dem gleichen Antriebsstrang auf der Geraden um sechs km/h schneller. Der Grund liegt bei der Aerodynamik. Williams setzt auf mehr Höchstgeschwindigkeit, hat dadurch aber in schnellen Kurven Probleme, wie spätestens Barcelona zeigen wird.
Wolff formuliert das folgendermaßen: "Wir erkennen ein Defizit unseres Autos auf den Geraden. Im Vergleich sind Williams und Ferrari in diesem Punkt besser aufgestellt. Beide Teams haben einen höheren Topspeed. Der Unterschied beträgt zehn bis zwölf km/h. Sie haben also weniger Luftwiderstand. Den größten Unterschied sehen wir in schnellen Kurven, wo es auf Abtrieb ankommt. Das scheint die Stärke unseres Autos zu sein. Es war einmal die Domäne von Red Bull, aber jetzt scheinen wir dort am besten zu sein."
Zuverlässigkeit auch besser als 2014?
Unter dem Strich geht es nicht alleine um Höchstgeschwindigkeit, sondern um die ultimativ schnellste Rundenzeit. Red Bull konnte mit diesem Konzept auch zwei Siege im ultraschnellen Monza erringen. Nun steht am Sonntag die erste Bewährungsprobe im Rennen an. Da die Silberpfeile schon im Vorjahr die höchste Pace fahren konnten, sollte der Doppelerfolg nur Formsache sein. Spritverbrauch, Effizienz und Reifenmanagement sollten auch mit dem W06 kein Problem darstellen.
Rosberg mahnt dennoch zur Vorsicht: "Wir müssen am Sonntag niemanden fürchten, wir fahren nur gegeneinander. Aber natürlich müssen wir die Standfestigkeit fürchten. Es ist das erste Rennen und es gab schon viele Änderungen. Das könnte uns noch einen Strich durch die Rechnung machen. Aber wir sind optimistisch." Die Zuverlässigkeit war beim Vorgänger W05 die einzige Achillesferse.