• 23. November 2014 · 15:44 Uhr

Sieg in Abu Dhabi: Hamilton ist Formel-1-Weltmeister!

Ob mit oder ohne ERS-Defekt, es hätte nicht gereicht: Nico Rosberg unterliegt Lewis Hamilton im WM-Duell - Felipe Massa verpasst Grand-Prix-Sieg nur knapp

(Motorsport-Total.com) - Der Formel-1-Weltmeister 2014 heißt Lewis Hamilton! Mit einem Sieg beim abschließenden Saisonfinale in Abu Dhabi sicherte sich der Mercedes-Pilot seinen zweiten WM-Titel nach 2008. Für Teamkollege Nico Rosberg endete der große Traum schon in der 24. Runde, als ihn die Technik seines Silberpfeils im Stich ließ.

Das Drama hatte sich für den Deutschen aber schon davor abgezeichnet: Gleich am Start fiel er hinter Hamilton zurück - ein Worst-Case-Szenario, musste er doch 17 Punkte aufholen. "Das war der beste Start, den ich jemals hatte", strahlt Hamilton. Der Brite setzte sich in der ersten Runde um 1,2 Sekunden ab und war so alle DRS-Sorgen los, fuhr bis zur 23. Runde auf 2,7 Sekunden davon. Schon da war klar, dass die Weltmeisterschaft für Rosberg nur noch schwierig zu gewinnen sein wird.

Doch dann ging es Schlag auf Schlag: Zuerst kam er in der 23. Runde von der Strecke ab, was weitere 1,2 Sekunden kostete ("Da hat ERS angefangen auszusetzen"), dann verabschiedete sich in der 24. Runde das Hybridsystem ganz. ERS liefert für gut eine halbe Minute pro Runde 160 PS zusätzlich - somit war Rosberg von dem Zeitpunkt an nur noch Kanonenfutter. Letztendlich fuhr er als 14. über die Ziellinie, mit einer Runde Rückstand auf den neuen Champion.

Rosberg präsentierte sich bei der Siegerehrung als großer Sportsmann und gratulierte seinem langjährigen Freund und Kollegen im Zeremonienraum. "Gratuliere, du hast es verdient", sagte er da. Und später weiter: "Lewis hätte so oder so gewonnen", räumt der 29-Jährige ein. Als das ERS weg war, klammerte er sich noch an den letzten Strohhalm, mindestens Fünfter zu werden, falls Hamilton ausfallen sollte - doch der Gefallen wurde ihm nicht getan.

"So, wie Lewis heute gewonnen hat, hätte es sowieso keinen Unterschied gemacht. Daher gratuliere ich ihm jetzt einfach von Herzen", erklärt Rosberg. "Er hat einen tollen Job gemacht dieses Jahr, ist auf einem phänomenalen Level gefahren. Über die Saison gesehen war er ein bisschen der bessere Fahrer, und deswegen hat er es auch verdient. Es ist natürlich hart jetzt, aber es ist auch okay so. Jetzt gucke ich nach vorne, Dienstag ist schon wieder Test. Dann greife ich für nächstes Jahr an."

In der vorletzten Runde, als die Entscheidung längst gefallen war, funkte Renningenieur Tony Ross, Rosberg möge das Auto abstellen, weil zu viele Systeme kollabiert waren. Aber der WM-Zweite ließ es sich nicht nehmen, seinen Silberpfeil ins Ziel zu tragen. "Darüber habe ich in dem Moment gar nicht nachgedacht", gibt er zu, während Hamilton mit Tränen der Rührung kämpft: "Mir fehlen die Worte. Es fühlt sich so an, als wäre ich zum ersten Mal Weltmeister!"

Und auch der richtige, wenn es nach der Mercedes-Teamführung geht: "Lewis ist der Richtige", strahlt Niki Lauda, Vorsitzender des Aufsichtsrats des Silberpfeil-Rennstalls. "Es gibt überhaupt keine Diskussion: Er war in diesem Jahr mit elf Siegen der absolut Beste - das muss man jetzt emotionslos sagen. Er ist allen um die Ohren gefahren, im Endeffekt auch Nico. Nichtsdestotrotz hat Nico für mich genauso eine weltmeisterliche Leistung gebracht. Es können nicht beide Weltmeister werden."

Hamilton bewahrte in der Schlussphase kühlen Kopf, obwohl sein Verfolger Felipe Massa (Williams) um neun Runden frischere (und weichere) Reifen drauf hatte und nach seinem letzten Boxenstopp noch einmal alles versuchte. Tatsächlich gelang es Massa, den Rückstand von 10,8 auf 2,5 Sekunden zu verkürzen, aber wirklich gefährlich werden konnte er Hamilton nicht mehr. "Ich hatte nicht erwartet, so eine gute Pace zu haben", gesteht der Brasilianer.

"Als noch zehn Runden zu fahren waren, war ich mehr als eine Sekunde pro Runde schneller. Ich dachte mir: Wenn die Reifen so bleiben, kann ich das Rennen gewinnen. Dann haben sie aber allmählich abgebaut - es waren ja die weichen Reifen. In den letzten vier Runden war der Abstand dann zu groß, ihn noch einzuholen", sagt Massa. Teamkollege Valtteri Bottas wurde nach schlechtem Start (von P3 auf P8) am Ende guter Dritter.

Bottas fixierte damit Platz vier in der Fahrer-Weltmeisterschaft, vor Sebastian Vettel (heute 9./Red Bull) und Fernando Alonso (9./Ferrari) - und Williams sicherte endgültig Platz drei vor Ferrari ab. Aber das waren heute nur Nebenschauplätze. Wie auch die sensationelle Aufholjagd des WM-Dritten Daniel Ricciardo (nach Qualifying-Disqualifikation aus der Boxengasse gestartet), der Vierter wurde, oder der fünfte Platz beim wahrscheinlichen Formel-1-Abschied von Jenson Button (McLaren).

Button lieferte noch einmal ein sehenswertes Rennen ab, etwa bei der Neuauflage seines Duells mit Alonso (wie schon in Austin). Kevin Magnussen im zweiten McLaren fuhr um 3,6 Sekunden an WM-Punkten vorbei - und hätte eigentlich die Strafe für die Situation mit Nico Hülkenberg (Force India) in der ersten Runde kassieren müssen. Als die FIA-Rennkommissare den Deutschen dafür fünf Sekunden aufbrummten, konnte es Hülkenberg kaum glauben: "Er hat doch mich abgedrängt!"

Doch der Deutsche (auf harten Reifen gestartet) ließ sich dadurch nicht aus der Bahn werfen, verlor eine Position an seinen Teamkollegen Sergio Perez, fuhr aber ein starkes Rennen und kam als Sechster ins Ziel, letztendlich 8,5 Sekunden vor dem Mexikaner. Achter wurde der entthronte Weltmeister Vettel, dessen erster Boxenstopp rund eineinhalb Sekunden zu lange dauerte, weil er beim Losfahren offenbar kurz irritiert war und abbremste.

Die Emotionen beim Abschied von Red Bull halten sich in Grenzen: "Es ist nicht so, als würde ich den Platz komplett verlassen. Man läuft sich ja noch über den Weg", meint Vettel kühl und sagt über sein Rennen: "Am Anfang war es schwierig im Verkehr. Ich konnte den Speed nicht mitgehen und habe mich mehr oder weniger hinter den Leuten festgefahren, was nicht so berauschend war. So, wie das Rennen verlaufen ist, war mehr drin. Aber leider hat es nicht gepasst."

Ein kämpferisches Rennen zeigte Jean-Eric Vergne (12./Toro Rosso), der beim möglichen Abschied aus der Red-Bull-Familie keinen Respekt vor Ricciardo zeigte und dem Australier ungewöhnlich harte Gegenwehr lieferte. Teamkollege Daniil Kwjat war da schon aus dem Rennen: "Ich habe Leistung verloren, Jungs", meldete er, als er den STR9 neben der Strecke abstellte - und bekam einen versöhnlichen Funkspruch retour: "Sorry dafür, Dani!"

Ausfälle setzte es beim Saisonfinale auch für Kamui Kobayashi (Caterham) und Pastor Maldonado (Lotus), dessen Renault-Motor lichterloh in Flammen aufging. Dass die Lotus-Mechaniker das mit hämischem Gelächter quittierten, blieb im ersten Moment rätselhaft. Grand-Prix-Debütant Will Stevens (Caterham) überstand zwar die wolle Distanz beim Flutlicht-Rennen, kam aber als 17. und Letzter mit fast zwei Runden Rückstand ins Ziel.

Weltmeister Hamilton erhöht seinen Abschluss-Punktestand auf 384 und holt sich damit den Titel vor Rosberg (317) und Ricciardo (238). Titelverteidiger Vettel belegt 2014 den fünften Platz. In der Konstrukteurswertung schließt Mercedes mit 701 Punkten ab - neuer Weltrekord! Auf den Plätzen: Red Bull (405), Williams (320) und Ferrari (216). Weiter geht's nach der Winterpause am 15. März 2015 mit dem Grand Prix von Australien in Melbourne.

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