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Unkaputtbar: Rosberg und das Reifenwunder von Sotschi
Nico Rosberg gelingen in Sotschi notgedrungen 52 Runden auf einem Satz Reifen - Pirelli verteidigt konservative Auswahl
(Motorsport-Total.com) - Dass Pirelli mit der Wahl der Soft- und Medium-Reifen für den Grand Prix von Russland auf Nummer sicher gegangen ist, war bekannt. Dass sich der Reifenabbau in sehr überschaubaren Grenzen hielt, stellte sich im Laufe des Wochenendes heraus. Dass aber Mercedes-Pilot Nico Rosberg seine selbstverschuldete Aufholjagd von Platz 20 auf Platz zwei 52 Runden lang auf einem Reifensatz absolvieren konnte, war dann doch eine Überraschung.
Rosberg sorgte mit seinem Überholmanöver gleich nach dem Start für die vielleicht spannendste Szene des Rennens. An seinem Teamkollegen Lewis Hamilton vorbei, verbremste er sich aber so stark, dass seine weichen Reifen aus dem Qualifying hinüber waren und er postwendend an die Box kommen musste. Schnell war klar: um im Rennen noch etwas reißen zu können, muss er auf dem Medium-Satz jetzt durchfahren - ein Szenario, dass man sich nicht so recht ausmalen konnte. Selbst Jenson Button (McLaren), der zu diesem Zeitpunkt auf Platz drei lag, zweifelte über Funk daran, dass Rosberg ihm noch einmal gefährlich werden könnte.
Und auch im Team war man sich nicht ganz sicher, ob die Taktik aufgehen würde. "Wir hatten eine lustige Debatte im Funk", erzählt Mercedes-Motorsportchef Toto Wolff. "Unser Reifenspezialist hat gesagt, es geht sich nicht aus. Dann haben wir darüber diskutiert, ich habe mich als Unwissender eingebracht und gesagt: 'Lasst ihn doch mal fahren.' Daraufhin: 'Nein! Das kann sich nie ausgehen!' Durch diese neue Strecke und diesen öligen Belag ist der Reifen erst am Ende am 'Sweet Spot' gewesen und hat richtig Grip aufgebaut. Deswegen ging es so lange."
Ist Rosberg ein Reifenflüsterer?
"Zur Mitte des Rennens hatte ich das Gefühl, dass die Reifen abbauen", gesteht Rosberg selbst. "Ich war der Meinung, dass wir bestimmt noch einmal stoppen müssen. Aber sie haben gehalten. Anfangs habe ich auf Punkte gehofft, oder zu Beginn nicht einmal daran wirklich gedacht. Ich habe alles gegeben." Er konnte sich dabei nicht nur Button schnappen, sondern zog auch noch an Valtteri Bottas (Williams) vorbei auf Platz zwei -auf 52 Runden alten Reifen und mit Rundenzeiten als wären sie frisch gewesen.
"Das geht, wenn man den Reifen kennt und weiß, wie man mit ihm umgehen muss", erklärt Niki Laude gegenüber 'RTL'. "Nico kann das, das hat er heute bewiesen. Er ist 52 Runden gefahren und hat zwei Runden vor Ende die schnellste Runde gefahren. Mehr kann man aus diesem Auto und den Reifen nicht herausholen."
Ein weiteres Phänomen der unkaputtbaren Reifen von Sotschi erlebte Adrian Sutil. Der Sauber-Pilot war auf der härteren Mischung gestartet und in Runde 12 zum Wechsel an die Box gekommen. Auf dem Soft-Satz hielt er es 40 Runden lang bis zum Schluss durch.
Des einen Freud...
Leichte Reifensorge hatte hingegen Daniel Ricciardo (Red Bull): "Die Reifen waren zu Beginn des Rennens schon porös, die müssen beim Qualifying schon etwas mitbekommen haben und sahen während des ersten Stints schon nicht ganz gesund aus. Ich konnte sehen, dass es schlimmer wurde, also mussten wir recht früh stoppen. Der Prime-Reifen hielt dann sehr gut."
Neben dem Ausbleiben der erwarteten Safety-Car-Phase führte die ungewöhnliche Reifensituation bei manchen Teams zu Fehlentscheidungen in der Strategie. So blieb beispielsweise auch Sebastian Vettel (Red Bull) sehr lange (bis Runde 30) auf seinem ersten Reifensatz draußen.
Fotostrecke: GP Russland, Highlights 2014
Um einem Präsidenten die Hand zu schütteln, muss man einiges erreicht haben: Lewis Hamilton verdient sich die Ehre der Bekanntschaft mit Wladimir Putin mit dem Rennsieg bei der Grand-Prix-Premiere in Sotschi. Für den Mercedes-Star ist es ein Erfolg auf ganzer Linie: Vierter Sieg in Serie, WM-Gesamtführung ausgebaut und mit seinem Team den Konstrukteurs-Titel eingetütet. Fotostrecke
"Besser zu konservativ als zu aggressiv", verteidigt Wolff jedoch die Reifenwahl Pirellis und Lauda fügt hinzu: "Man kann Pirelli keinen Vorwurf machen. Sie haben keine Daten gehabt. Pirelli hat sich konservativer eingestellt, was in Ordnung und richtiger ist. Alle haben das umsetzen können. Auch die schnellen Autos sind in das Reifenfenster gekommen."
Pirelli verteidigt sich
Dem kann Pirelli Motorsportchef Paul Hembery nur zustimmen: "Es gab Sorgen um die Kurve 3, das dort vielleicht Blasenbildung entstehen könnte. Das haben wir bei manchen Autos sogar beobachten können. Bei dem weicheren Reifen gab es da Anzeichen. Das hat uns aber in unserer Entscheidung bestätigt", verteidigt er sich. "Ich weiß auch nicht, was es geändert hätte. Selbst wenn wir den Supersoften Reifen dabei gehabt hätten, der Soft-Reifen hat 25 bis 30 Runden gehalten. Man wäre höchstens zu einem Zweistopprennen übergegangen und der Soft-Reifen wäre dann größtenteils benutzt worden."
Die "sanfte" Oberfläche des neuen Asphalts war auch für den Reifenhersteller eine Überraschung. "Die Streckenoberfläche hier hatte einen großen Einfluss. Das wird sich in Zukunft vielleicht ändern" erklärt Hembery. "In der Zusammensetzung des Asphalts muss es irgendetwas gegeben haben, was mit dem Reifen reagiert, auf positiver Art und Weise. Weil die Oberfläche so glatt war, muss der Grip chemisch hervorgerufen worden sein. Wenn man sich nur den Reifen anschaut ist es aber schwer zu sagen, welche chemische Substanz das sein könnte." Aus den Daten, die man beim allerersten Grand Prix in Sotschi sammeln konnte, will man bei Pirelli jetzt seine Schlüsse ziehen.