• 03. September 2014 · 07:58 Uhr

Rennvorschau Monza: Silber ist die Kabale, Rot die Liebe

Europafinale in Italien: Wieso in Monza ein neuer Temporausch wartet, an Mercedes (fast) kein Weg vorbeiführt und die Tifosi eine Portion Trostpasta vorkochen sollten

(Motorsport-Total.com) - Rückblende ins Jahr 2005: Die Formel-1-Fahrzeuge wurden noch von hoch drehenden V10-Motoren angetrieben, und Kimi Räikkönen stellt in Monza einen Rekord auf, der bis heute Bestand hat. Damals wurde sein McLaren-Mercedes in Monza vor der ersten Schikane mit 370,1 km/h "geblitzt" - der höchsten gemessenen Geschwindigkeit bei einem WM-Rennen. Wenn am Wochenende der Italien-Grand-Prix an Ort und Stelle (Die komplette Action live im Ticker!) steigt, wird der "Iceman" um die Bestmarke nicht bangen. Aber sie könnte beim Highspeed-Festival der Saison stärker wackeln als jemals zuvor in den vergangenen zehn Jahren.

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Mercedes ist der Topfavorit: Da könnte die rote Party sehr viel kleiner ausfallen Zoom Download

Schließlich erwarten die Teams beim 13. Saisonlauf im Autodromo Nazionale den Prognosen zufolge bis zu 355 Kilometer pro Stunde (zehn km/h mehr als 2013), die am Ende der Start- und Zielgeraden möglich sind - den Hybrid-Antriebssträngen sei Dank. "Es kommt auf das Abtriebsniveau an, aber ich rechne damit, dass es höher sein wird als im vergangenen Jahr", relativiert Lotus-Technikchef Nick Chester mit Verweis auf den erhöhten Bedarf nach Anstellwinkel der Flügel, den die neuen Autos aufweisen. Dennoch glaubt er an das Fallen der 360-km/h-Marke, wenn DRS aktiviert wird.

Den Tifosi, die jedes Jahr zu Zehntausenden in den Königlichen Park pilgern, wird es egal sein, ob einer ihrer Ferrari mit Schallgeschwindigkeit oder Schneckentempo gewinnt. Hauptsache: Rot ist vorne. Die wenige Kilometer vor den Toren Mailands gelegene Strecke ist seit 1950 das Heimspiel der Scuderia und mit Ausnahme eines umbaubedingten Intermezzos in Imola im Jahr 1980 ohne Unterbrechung im Kalender. Doch das in Finanznöte geratene und in einen Korruptionsskandal verwickelte Monument wackelt, weshalb Insider von einer Abschiedsvorstellung sprechen.

Parabolica:Einem Monument ging es an den Kragen

Die Reize Monzas sind die gleichen, die einst Tazio Nuvolari und Rudolf Caracciola auf die Strecke zogen: sieben Kurven auf 5,793 Kilometern, viermal über 300 km/h und Bremsmanöver, deren G-Kräfte jedem Normalverbraucher einen Tag Zwieback bescheren würden (Alle Infos zu Layout und Strecke!). Und doch hat sich der Dinosaurier verändert. Schikanen bremsen seit Jahrzehnten den Temporausch, der unter anderem Alberto Ascari, Jochen Rindt und Ronnie Peterson das Leben kostete. Im Sommer ging es sogar einem Monument des Motorsport an den Kragen. Die Parabolica-Kurve hat kein Kiesbett mehr.

Im Auslauf des mit hohem Tempo durchfahrenen Rechtsbogens grüßt eine makellose Asphaltzone, Kritiker bezeichnen sie als "Parkplatz". Die FIA führt Sicherheitsgründe und die Bitten der Fahrer für die Maßnahme ins Feld. Romain Grosjean unterstreicht: "So gesehen ist es eine gute Sache, Piloten mehr Raum für Fehler zu geben. Ich erinnere mich, dass man direkt in die Mauer gerauscht ist, wenn man nur ein bisschen spät dran war. Wir werden das Limit schneller finden." Teamkollege Pastor Maldonado ist unbesorgt: "Es wird keinen großen Unterschied machen."

"Eine gute Sache."Romain Grosjean über die asphaltierte Parabolica
Ob mit Kiesbett oder ohne: Für das Überholen ist kaum eine Bahn so geeignet wie Monza. Dabei helfen auch zwei DRS-Zonen, die erneut zwischen der zweiten Lesmo-Kurve und der Ascari-Schikane sowie auf der Start- und Zielgeraden verortet sind. Auch das Wetter spielt am kommenden Wochenende mit. Ersten Prognosen zufolge bleibt es an allen drei Tagen mit Fahrbetrieb trocken, nur für den Samstagnachmittag besteht eine geringe Niederschlagswahrscheinlichkeit. Der Rest ist bester italienischer Spätsommer mit Sonne und Temperaturen bis 27 Grad Celsius.

Mercedes-Stars "auf Bewährung"

Bei einem Vollgasanteil von über 70 Prozent könnte das beinahe vergessene Thema Spritverbrauch wieder akut werden. Weil Pirelli die härtesten Reifenmischungen aus seinem Regal holt, scheinen die Pneus für die Teams keine Herausforderung zu präsentieren. Doch selbst mit Holzreifen gibt es auf der Powerstrecke Monza wohl nur einen Siegertipp namens Mercedes. Nico Rosberg und Lewis Hamilton können sich mit dem besten Antrieb im Heck und dem besten Auto unter dem Sitz nur selbst schlagen. Genau darauf allerdings hofft die Konkurrenz seit Beginn des "Kriegs der Sterne".


Fotostrecke: Triumphe & Tragödien in Italien

In Italien muss sich der nach der Kollision beim Belgien-Grand-Prix geschlossene Friedensvertrag erstmals bewähren. Tenor: Der Kommandostand greift nicht ein, dafür sind sportliche Fairness und Teamplay auf der Strecke oberstes Gebot. Damit Hamilton die 29 Punkte Rückstand (Punktetabelle aktuell), die er in der Gesamtwertung auf den Teamkollegen hat, aufholen kann, müssen jedoch Qualifying-Patzer und Technikpech des Briten ein Ende finden. Immerhin gewann er in Monza bereits 2012 in Diensten McLarens. Rosbergs stand in der Lombardei hingegen noch nie auf dem Podium.

Kommt unverhofft bei Red Bull schon wieder oft?

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Sebastian Vettel hat derzeit einiges, worüber er grübeln kann Zoom Download

Logische Herausforderer der Silberpfeile sind ihre Kundenteams. Allen voran mit den schon in Spielberg bärenstarken Williams ist zu rechnen - in Spielberg foppten sie im Qualifying sogar die Topfavoriten. Der formstarke Youngster Valtteri Bottas holte sich bei vier der jüngsten fünf Rennen einen Pokal ab, Felipe Massa scheint an einem guten Tag auch in seinen Dreißigern noch den großen Coup im Tank zu haben. Bei McLaren geht es nach der Sommerpause langsam wieder aufwärts. Das Sorgenkind im Mercedes-Lager heißt neuerdings Force India.

Vom avisierten vierten Rang in der Konstrukteurs-WM müssen Nico Hülkenberg und Co. langsam aber sicher abrücken und auch das erste Podium in der Formel-1-Karriere des Emmericher scheint in weiter Ferne. Daran nicht unschuldig ist Red Bull: Daniel Ricciardo überraschte mit seinen Siegen in Montreal und Spa-Francorchamps - Highspeed-Strecken, auf denen kaum jemand auch nur einen Pfifferling auf den schwachbrüstigen Renault-Boliden aus Milton Keynes gegeben hätte. Damit sich Geschichte in Monza wiederholt, wird es aber wie gewohnt Mercedes-Hilfe brauchen.


Monza-Vorschau mit Reifenfokus

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Die Höchstgeschwindigkeiten beim Grand Prix von Italien sind auch eine besondere Herausforderung für die Reifen Weitere Formel-1-Videos

Das gilt umso mehr für Weltmeister Sebastian Vettel. Der Heppenheimer kämpft auch nach der Sommerpause noch mit den Reifen und fährt zunehmend nicht nur gegen die Konkurrenz auf der Strecke, sondern auch gegen den eigenen Frust. Mit 122 Punkten Rückstand auf Rosberg ist die Titelverteidigung längst Tagträumerei. Wenn es überhaupt noch das große Red-Bull-Wunder geben kann, dass muss dafür Ricciardo sorgen: Er hat 58 Zähler mehr auf dem Konto und den Eindrücken aus Ungarn zufolge schon in seiner ersten Saison im Team die nötige Abgebrühtheit.

Ferrari: Wenig bella in Italia

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Die Erwartungen an Ferrari sind hoch: Allerdings nur bei den Tifosi Zoom Download

Zurück zu den Tifosi. Sie sollten am Sonntagmorgen möglichst viele Madonnen besuchen, um den Königlichen Park nicht bedröppelt zu verlassen. Spa hat dunkle Vorzeichen hervorgebracht: In Sachen Topspeed ist die Mannschaft um Teamchef Marco Mattiacci von Renault mit der Lösung einiger Software-Probleme überholt worden. Darüber konnte nicht hinwegtäuschen, dass die Italiener mit der Bestätigung Fernando Alonsos und des langsam in Form kommenden Kimi Räikkönens als Piloten für die Saison 2015 einen Unruheherd eliminiert haben. Es war der Spanier, der 2010 den vorerst letzten "Heimsieg" für Rot holte.

Zu klären ist außerdem noch eine spannende Personalfrage: Wer fährt für Caterham? Offenbar sind die Chancen Andre Lotterers, nach seinem unbefriedigenden Kurzauftritt in Spa weiter als fünfter Deutscher im Feld für die Grünen ins Lenkrad zu greifen, eher gering. Es kursieren die Namen von Red-Bull-Talent Carlos Sainz jun. und dem Ex-DTM-Piloten Roberto Merhi (in Belgien bereits zu Gast an der Strecke), der allerdings noch eine Superlizenz braucht. Ob alle "vertraglichen Probleme" Max Chiltons bei Marussias ausgeräumt sind, ist wohl erst am Rennwochenende klar.

Anm. d. Red. In einer ersten Version des Artikels hatten wir den Geschwindigkeitsrekord fälschlicherweise Antonio Pizzonia zugeschrieben. Wir bitten den Fehler zu entschuldigen.

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