Rosberg: "Es war ein Rennunfall"
Nico Rosbergs traurigster Platz 2 - Trotz Gegenwind durch Fans und Medien zeigt sich der WM-Führende nach seinem Unfall mit Teamkollege Lewis Hamilton uneinsichtig
(Motorsport-Total.com) - Nico Rosberg war nach dem Grand Prix von Belgien ein äußerst gefragter Mann. Grund: Der Mercedes-Fahrer hatte Teamkollege Lewis Hamilton in einem riskanten Manöver den Hinterreifen aufgeschlitzt. Während das Rennen für den Briten gelaufen war, konnte Rosberg seine Führung in der WM deutlich ausbauen. Nicht nur die Fans zeigten während der Siegerehrung ihre Wut durch Buhrufe - auch intern brodelt es ordentlich bei Mercedes.
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Lewis Hamilton und Nico Rosberg gerieten bereits in Runde 2 aneinander Zoom Download
Frage: "Nico, es gibt eigentlich nur ein wirkliches Thema: den Unfall zwischen dir und Lewis zu Beginn des Rennens. Wir haben die Reaktion der Fans gesehen. Wenn man Geschichte schreiben will und um Meisterschaften kämpft, gibt es immer schwierige Situationen. Dies ist deine Chance, uns deine Sicht der Dinge zu schildern."
Nico Rosberg: "Um ehrlich zu sein, bin ich nicht in der Lage, überhaupt etwas dazu zu sagen, weil ich die Situation in der Hitze des Gefechts noch nicht gesehen habe. Ich muss erst die Fernsehbilder sehen, bevor ich etwas dazu sagen kann. Natürlich ist es aus Teamsicht sehr, sehr schade, denn wir hätten hier deutlich besser abschneiden können als mit einem zweiten Platz. Wir hatten ein wirklich gutes Auto an diesem Wochenende."
Frage: "Habt ihr darüber gesprochen?"
Rosberg: "Wir hatten ein Gespräch. Was passiert ist, hat dem Team eine Menge Punkte gekostet. Das ist das größte Problem bei solchen Vorkommnissen wie heute. Wir haben es natürlich diskutiert. Leider werde ich nicht ins Detail gehen, das wäre nicht richtig. Wir werden das anschauen und dann diskutieren, wie wir weitermachen."
Frage: "Niki Lauda hat unmissverständlich erklärt, dass er dich in der Rolle des Schuldigen sieht, und auch Toto Wolff hat gesagt, was passiert ist, sei 'absolut inakzeptabel'. So etwas dürfe nicht in der zweiten Runde eines Rennens passieren. Hast du das absichtlich gemacht? Dass ein Frontflügel einen Hinterreifen aufschlitzen kann, ist ja nichts Neues."
Buhrufe auf dem Podium
Frage: "Einige Fans haben dich während der Siegerehrung ausgebuht, kannst du dieses Verhalten nachvollziehen?"
Rosberg: "Das waren britische Fans, also verstehe ich, warum sie das getan haben. Das ist kein schönes Gefühl gewesen. Ich respektiere deren Meinung und verlange nur, dass sie sich ein klares Bild von der Situation machen, bevor sie sich so eine Meinung bilden. Damit meine ich auch, das Regelwerk zu lesen. Man muss verstehen, wie ein solcher Kontakt bewertet wird. Das würde ich mir wünschen. Aber wie auch immer... Ich denke, das war eine kleine Minderheit da draußen, und all die anderen haben ein großartiges Rennen gesehen."
Frage: "Egal was im Rennen passiert - niemand möchte auf dem Podium ausgebuht werden. Wie hat sich das aus deiner Sicht angefühlt?"
Rosberg: "Wie gesagt: Ich respektiere die Meinung der britischen Fans. Sie hatten definitiv keinen Grund zum Jubeln, deshalb hat sich das natürlich nicht gut angefühlt. Das ist doch völlig klar."
Frage: "Du hast gesagt, es sei ein Rennunfall. Fühlst du dich zu Unrecht kritisiert?"
Rosberg: "In so einem Zwischenfall ist es völlig normal, dass es unterschiedliche Ansichten gibt. Ich schätze, dass Engländer eher auf der Seite von Lewis stehen werden, und dass die Deutschen eher auf meiner Seite sind. Das ist ganz normal. Ich respektiere jede Meinung, solange sie mit ordentlicher Vorbereitung getroffen wurde."
Frage: "Es ist nicht nur die Meinung der Briten. Auch Toto Wolff hat gesagt, es ist inakzeptabel."
Rosberg: "Inakzeptabel gibt niemandem von uns die Schuld. Aus Teamsicht ist das nicht akzeptabel, und da stimme ich komplett zu. Wir müssen solche Kollisionen zu jeder Zeit vermeiden."
Frage: "Er sagt, in Runde 2 mit dem Messer zwischen den Zähnen zu attackieren, ist nicht vernünftig. Also gibt er dir die Schuld..."
Rosberg: "Ich habe ihn das nicht sagen hören."
Kann Harmonie bei Mercedes bestehen?
Frage: "Glaubst du wirklich, ihr könnt die Harmonie im Team aufrechterhalten nach dem, was heute passiert ist?"
Rosberg: "Ja, ich bin zuversichtlich, dass wir das können. Es war immer ein intensiver Zweikampf. Das war von Anfang an klar. Es wird immer schwierige Momente geben, darüber haben wir erst nach dem Ungarn-Rennen besprochen und danach ganz normal weitergemacht. Ich bin mir sicher, dass es diesmal genauso sein wird."
Frage: "Du hast über Ungarn sowie das interne Meeting gesprochen. Ich denke, wir haben dieses Wochenende eine andere Körpersprache bei dir gesehen. Es war offensichtlich, dass du nicht zufrieden mit den Resultaten der Besprechung mit dem Team und Lewis warst. Bist du mit einem kühlen Kopf in dieses Rennen gegangen?"
"Mit diesem tollen Auto, das ich im Moment habe, auf einer Strecke wie Spa zu fahren, macht wirklich Spaß. Zumal ich die Pole-Position hatte und das Rennen gewonnen hätte, wenn ich keine Fehler gemacht hätte. Ich habe nicht an die Meisterschaft gedacht, sondern nur an dieses Rennen. Ich wollte einfach nur mit dem Silberpfeil in Spa gewinnen."
Duell war immer ein Thema
Frage: "Habt ihr im Gespräch nach Ungarn Situationen wie heute vorausgesehen?"
Rosberg: "Nicht im Detail, aber natürlich haben wir unseren Zweikampf viele, viele Male diskutiert. Und natürlich kennen wir die Richtlinien des Teams, die sind ziemlich klar. Tatsächlich sind wir nach Ungarn nicht derart ins Detail gegangen, sondern haben eher generell gesprochen. Aber natürlich ging es auch oft um den Zweikampf, besonders nach Bahrain. Das war ein Gesprächsthema."
Frage: "Auch wenn du den Unfall noch nicht gesehen hast: Ich denke, vielleicht kannst du zufrieden sein, weil es keine Untersuchung durch die FIA gegeben hat. Dass der Zwischenfall nicht untersucht worden ist, das bedeutet ja etwas. Vielleicht war es ja einfach nur ein Rennunfall?"
Rosberg: "Ich weiß es nicht. Ich habe es nicht gesehen, sorry. Ich will nicht... Ich muss mir das erst im Fernsehen anschauen, bevor ich... Es ist im Moment sehr schwierig für mich, hier direkt nach dem Rennen zu sitzen und die Situation zu kommentieren."
Rosberg bleibt stur
Frage: "Hast du dich bei Lewis entschuldigt?"
Rosberg: "Ich möchte nicht ins Detail gehen, wer sich bei wem entschuldigt hat. Es ist besser, das nicht zu machen."
Frage: "Ist es nicht besser, seinen Fehler zuzugeben? Du bist ihm doch reingefahren."
Rosberg: "Ich respektiere deine Meinung."
Frage: "Du teilst sie nicht?"
Rosberg: "Nein, ich teile sie nicht. Es war ein Rennunfall, so kann man es am besten beschreiben. Und so haben es auch die Stewards gesehen."
Frage: "War es ein emotionales Teammeeting?"
Frage: "Wäre es enttäuschend, wenn euch euer Team nicht mehr frei fahren lässt, weil man auf die Punkte schauen muss?"
Rosberg: "Wir werden sehen. Wir werden bald zusammensitzen und hatten gerade nur eine kurze Diskussion. Ich weiß nicht, ob es einen anderen Ansatz geben wird."
Ausweichen wäre möglich gewesen
Frage: "Als du Seite an Seite mit Lewis warst: Gab es da noch einen Ausweg, indem du gebremst oder etwas nach links gelenkt hättest? Oder war es in diesem Moment nicht mehr möglich?"
Rosberg: "Es gibt immer einen Ausweg, indem man von der Strecke fährt."
Frage: "Ist das der härteste Tag deiner Motorsportkarriere?"
Rosberg: "Mit Sicherheit ist es ein sehr komplizierter Tag."
Frage: "Würdest du deinem Team nachsehen, wenn sie jetzt Teamorder einführen würden?"
Frage: "Wenn du die Zeit zurückdrehen könntest: Würdest du noch einmal in der zweiten Runde attackieren oder wäre es weiser zurückzustecken?"
Rosberg: "Ich war zu diesem Zeitpunkt schneller, es gab eine Möglichkeit, und von daher habe ich es probiert."
Frage: "Wäre es vielleicht besser gewesen, auf DRS zu warten?"
Rosberg: "Das ist sehr hypothetisch. Ich habe kein Risiko beim Überholversuch gesehen. Also warum sollte ich es nicht probieren? Die Möglichkeit war auch ohne DRS da, weil ich schneller war. Wer weiß, was danach passiert wäre?"
Komplizierte Situation für Rosberg
Frage: "Wie erlebst du diese Situation und die ganze Kritik persönlich?"
Rosberg: "Es ist eine komplizierte Situation, weil viele Dinge besprochen werden müssen. Das ist vollkommen natürlich."
Frage: "Kannst du das Meeting noch einmal zusammenfassen?"
Frage: "Wurden dir Vorwürfe gemacht?"
Rosberg: "Natürlich verstehe ich, dass das interessant ist, aber es hat keinen Sinn, in Details zu gehen. Das müssen wir einfach intern diskutieren. Wir wollen Meisterschaften gewinnen. Natürlich versuchen wir euch so viele Details zu geben, weil es interessant ist. Dafür sind wir auch hier: um Entertainment zu machen. Natürlich nicht in der Form vom heutigen Tag, aber in gewisser Weise muss ich dann auch Sachen zurückhalten. Dennoch: Im Großen und Ganzen ist der wichtigste Punkt, dass es ein sehr, sehr schlechter Tag gewesen ist. Wir sind hier, um für Mercedes Doppelsiege einzufahren. Das war möglich mit dem Auto, das wir heute hatten. Das ist natürlich der schlimmste Aspekt vom heutigen Tag."
Frage: "Welche Verhaltensregeln habt ihr jetzt festgelegt?"
Rosberg: "Das müssen wir jetzt diskutieren im Laufe der Zeit."
Zukunft offen
Frage: "Egal was entschieden wird: Bleibt etwas hängen, und fährst du das nächste Mal im Zweikampf mit angezogener Handbremse?"
Rosberg: "Das müssen wir schauen, wie wir als Team weitermachen. Was heute passiert ist, ist natürlich nicht akzeptabel. Wir müssen schauen, was wir anpassen müssen oder ob wir so weitermachen, wie bis jetzt."
Frage: "Die Entscheidung ist also noch nicht gefallen?"
Rosberg: "Nein, da müssen wir uns als Team natürlich ein bisschen Zeit nehmen."
Großer Preis von Belgien - Sonntag
Daniel Ricciardo (Red Bull), Adrian Newey, Christian Horner und Sebastian Vettel (Red Bull) Galerie
Frage: "Muss man bei solch einem WM-Duell nicht zwangsläufig damit rechnen, dass es zu solchen Situationen kommt?"
Frage: "Wenn man einmal die Strecke verlassen musste, sagt man sich dann: Jetzt verlasse ich die Strecke nicht mehr?"
Rosberg: "Nein, das hatte keinerlei Relevanz für den heutigen Tag."
Frage: "Wenn du Lewis gewesen wärst: Hättest du deinem Teamkollegen mehr Platz gelassen?"
Rosberg: "Wenn ich darauf jetzt eingehen würde, dann fängt es an, in die Details zu gehen, wer mehr Schuld hat oder wer wen beschuldigen soll. Da ist es besser, es so zu sehen, wie die Stewards das gesehen haben: Es ist ein Rennunfall gewesen - und sehr, sehr schlecht für unser Team."
Abseits des Unfalls
Frage: "Mal abseits des Unfalls: Ihr habt euch beim Setup ein wenig verpokert. Das Überholen ging nicht mehr so leicht und die Höchstgeschwindigkeit war nicht mehr so überlegen. Habt ihr gestern ein wenig mehr Abtrieb ans Auto gemacht, um auf jeden Fall vorne zu stehen?"
Rosberg: "Es ist eher so gewesen, dass Red Bull auf der Geraden plötzlich einfach schneller war. Die haben ein bisschen zugelegt von der Rennperformance auf der Geraden, und da mussten wir uns ein wenig anpassen und unseren Heckflügel ein bisschen flacher stellen - einfach, um besser verteidigen zu können, wenn sich die Situation irgendwie ergibt. Generell sind wir schon noch schneller gewesen, aber wir müssen auch schauen, was die Gegner machen. Das ist uns eigentlich ganz gut gelungen. Es war schon stark zu sehen, wie unser Auto an diesem Wochenende wieder lief. Das war vom Team wirklich eine starke Leistung."
Frage: "Wäre es in deiner Situation mit flacherem Flügel besser gewesen?"
Rosberg: "Nein, das kann man so nicht sagen."
Frage: "Wie zufrieden bist du unter den gegebenen Umständen mit dem zweiten Platz?"
Frage: "Du hast bereits in Runde 8 zum ersten Mal gestoppt. Hat der Zwischenfall mit Lewis deine Reifenstrategie dramatisch verändert? Oder war eine Dreistoppstrategie von Anfang an geplant?"
Rosberg: "Nein. Meine Strategie war wegen der verschiedenen Vorkommnisse vollkommen dahin. Wir haben komplett umdisponiert."