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Kanada-Vorschau: Mercedes Favorit, aber zählt Papierform?
Worauf es in Montreal wirklich ankommt, wieso fast alle Schlüsselkriterien für die Silberpfeile sprechen und warum auf der Ile Notre Dame trotzdem alles möglich ist
(Motorsport-Total.com) - Für viele Piloten zählt es zu den Lieblingsrennen der Saison. Und auch der Formel-1-Tross hat das Spektakel auf der Ile Notre Dame längst liebgewonnen, obwohl es dort immer besonders viel Kleinholz gibt. Der Grand Prix von Kanada in Montreal, der seit 1978 auf einer künstlich aufgeschütteten Insel im Sankt-Lorenz-Strom stattfindet, hat sich als eines der absoluten Highlights im Grand-Prix-Kalender etabliert.
© xpbimages.com
Ein kleiner Fehler, und man landet in der Mauer - das kann auch Mercedes treffen Zoom Download
Das liegt nicht nur daran, dass sich die ganze Stadt am Grand-Prix-Wochenende im Formel-1-Fieber befindet, sondern auch an der einzigartigen Anlage. Der Circuit Gilles Villeneuve (zum Streckenportrait - hier klicken!) ist in einer Zeit, wo eine Rennstrecke der anderen gleicht, eine absolute Ausnahmeerscheinung: Er kombiniert Hochgeschwindigkeitspassagen mit dem Charakter eines Stadtkurses, wo die Mauern unmittelbar neben der Strecke lauern und keine Fehler verzeihen.
Das liegt vor allem daran, dass die schmale Insel kaum Platz für große Auslaufzonen bietet, weshalb auch die Sicherheit nicht mit herkömmlichen Grand-Prix-Kursen vergleichbar ist. Wenn es in Montreal richtig kracht, dann gehört oft auch eine gehörige Portion Glück dazu, dass alles gut geht - wie man 2007 bei Robert Kubicas Horrorcrash gesehen hat. Gleichzeitig ist der Kurs ein absoluter Garant für spannende Rennen.
Antriebsstrang steht klar im Vordergrund
Das Layout mit seinen Geraden und engen Kurven bietet zahlreiche Überholmöglichkeiten und zwingt die Teams dazu, ein Paket für mittleren Abtrieb zu nutzen, um auf den Geraden nicht zur Beute für Konkurrenten zu werden, deren Setup mehr auf Höchstgeschwindigkeit ausgelegt ist.
Das ist auch der Grund, warum die Teams in Montreal jedes Jahr neue Heckflügelvarianten enthüllen - es handelt sich um die erste Strecke des Jahres, wo mit mittlerem Abtrieb gefahren wird. Aus den langsamen Kurven heraus und auf den langen Geraden zählt vor allem eines: Motorleistung. Über 55 Prozent der Strecke wird mit Vollgas gefahren - nur Spa und Monza sind mit rund 70 Prozent Vollgas noch extremer.
Alles spricht für Mercedes
Und auch der Spritverbrauch spielt in Montreal eine größere Rolle als zuletzt: Durch die harten Bremsmanöver vor den Haarnadeln und Schikanen - Montreal gilt übrigens als forderndster Kurs für die Bremsen - gibt es kaum Möglichkeiten, Sprit zu sparen. Die Teams haben bereits ausgerechnet, dass der Motor mehr als die erlaubten 100 Kilogramm Sprit pro Rennen benötigen würde, daher kommt dem Hybridantrieb eine besondere Bedeutung zu. Da der Antriebsstrang an diesem Wochenende so wichtig ist, ergibt sich ganz automatisch, wer die Favoritenrolle innehat - das Mercedes-Team.
Doch die Papierform ist in Kanada manchmal nicht viel Wert. Das hat bereits die Vergangenheit gezeigt. Kimi Räikkönen und Jenson Button triumphierten in den Jahren 2005 und 2011 in ihren McLaren-Boliden jeweils von Startplatz sieben - der Brite war kurzzeitig sogar Letzter im Grand Prix. Nicht einmal bei der Hälfte der Rennen in den vergangenen zehn Jahren triumphierte der Pole-Setter.
Unfälle und Safety-Car-Phasen beinahe unvermeidbar
Wie das möglich ist? Die Betonmauern neben der Piste machen es manchmal unvermeidbar, dass es zu Berührungen kommt. Dadurch ist es nur eine Frage der Zeit, ehe Wrackteile auf der Strecke liegen, die für Reifenschäden oder Unterbrechungen sorgen können. Und wenn ein gröberer Fehler passiert, dann strandet man unweigerlich in der Mauer, was wegen des mangelnden Platzes fast immer eine Safety-Car-Phase nach sich zieht.
Das beweist auch die Statistik: In den vergangenen zehn Jahren gab es in Montreal insgesamt 13 Safety-Car-Phasen - die Safety-Car-Wahrscheinlichkeit beträgt 56 Prozent. 2011 führte Bernd Mayländer in seinem Mercedes sogar fast die Hälfte des Rennens das Feld an. Das lag aber auch daran, dass der Regen für unfahrbare Bedingungen sorgte. Und damit wären wir bei einem weiteren Spannungsfaktor: Das Wetter hat sich in Montreal im Juni schon oft als unberechenbar erwiesen.
Zwei Stopps als wahrscheinliche Variante
Fotostrecke: Triumphe & Tragödien in Kanada
1967 findet im Mosport Park in Bowmanville das erste Formel-1-Rennen in Kanada statt - und sorgt gleich für mehrere Highlights. Mit über 2:40 Stunden ist der verregnete Grand Prix das längste Rennen der gesamten Saison. Jackie Stewart, hier in Führung vor Jack Brabham, sieht die Zielflagge am Ende nicht. Fotostrecke
Pirelli liefert an diesem Wochenende die gleichen Mischungen wie in Monte Carlo - also Supersoft und Soft (im Vorjahr hatte man statt der Soft- noch die Medium-Mischung an Bord). Dabei sind die Anforderungen ganz anders als in den Häuserschluchten des Fürstentums. "Die Reifen werden in Kanada weitaus stärker beansprucht als in Monaco, denn aufgrund der deutlich höheren Geschwindigkeiten wirken hier sehr viel mehr Energie und viel höhere Kräfte auf sie ein", erklärt Pirelli-Motorsportchef Paul Hembery. Weil die Streckenoberfläche aber so glatt ist, gelten die weichsten Mischungen als beste Wahl.
Muss Red Bull Schadensbegrenzung betreiben?
Doch wie wird sich all das auf das Kräfteverhältnis auswirken? Da Red Bull nicht einmal in Monaco, wo der Renault-Antriebsstrang von minderwertiger Bedeutung war, auf Augenhöhe mit Mercedes war, ist auch in Kanada nicht damit zu rechnen. Obwohl Renault bereits bekanntgab, dass die Probleme des Saisonauftakts nun endgültig gelöst seien und man ab dem Rennen in Montreal einschätzen wird können, wo man wirklich steht. Das gilt aber vor allem für die Zuverlässigkeit, die bislang mangelhaft war, wie vor allem Vettel leidvoll erfahren musste.
Red Bull wird sich an diesem Wochenende auch in Sachen Updates zurückhalten, denn man hat für das Heimrennen in Spielberg ein umfassendes Paket angekündigt. Muss sich das Weltmeisterteam also um Schadensbegrenzung bemühen? Durchaus möglich, wenn man den Aussagen von Teamchef Christian Horner lauscht.
"Montreal wird für uns ein herausforderndes Rennen, und es wird interessant sein, wie wir uns dort schlagen werden", sagt der Brite gegenüber 'Autosport'. "In Monaco konnten wir Mercedes erstmals herausfordern, aber während es dort um das Handling geht, steht in Montreal die Performance auf der Geraden im Vordergrund."
Updates bei Mercedes und Ferrari
Und da könnten die Silberpfeile in Milton Keynes für ein böses Erwachen sorgen, denn die dominante Mannschaft hat nicht nur neue aerodynamische Teile für Montreal an Bord, sondern auch eine weitere Antriebs-Ausbaustufe - eine gefährliche Drohung in Richtung der Rivalen.
Fotostrecke: GP Kanada: Highlights 2013
2013 empfängt der Circuit Gilles Villeneuve die Piloten mit ungemütlichem Schmuddelwetter. Im ersten Freien Trainings werden zunächst die Regenreifen aufgezogen. Fotostrecke
Besonders groß ist die Spannung derzeit bei Ferrari: Die Roten haben eine Generalüberholung des bislang enttäuschenden F14 T angekündigt. Für die Power-Strecke gibt es eine neue Ausbaustufe des Antriebsstrangs, dessen Mappings deutlich aggressiver sein sollen als bisher. Dazu kommen ein neuer Unterboden und effektivere Bremsen.
"Wir freuen uns schon auf das kommende Rennen in Kanada, wo das Paket, das wir dort benutzen werden, noch einmal ein gutes Stück schneller sein wird als bisher", kündigt Technikchef James Allison an. Das Rennen in Montreal könnte über die weitere Vorgehensweise in Maranello mitentscheiden: Schlagen auch diesmal die neuen Teile nicht ein, könnte man die Saison 2014 vorzeitig abhaken.
Williams als Geheimtipp
Wie es bei den anderen Teams aussieht? Lotus fürchtet wegen der langsamen Kurven, dass man die gleichen Probleme wie in Monaco haben wird - auch die Tatsache, dass die Motorleistung im Vordergrund steht, sorgt nicht gerade für Zuversicht. Bei Williams sieht es hingegen deutlich besser aus: Der Bolide von Valtteri Bottas und Felipe Massa produziert weniger Luftwiderstand und könnte mit seinem Mercedes-Antrieb zum Geheimtipp werden. Und bei Force India wartet man noch bis Silverstone vergeblich auf neue Teile - die Erwartungen halten sich in Grenzen.
Nach dem fulminanten neunten Platz von Jules Bianchi im Marussia darf man auch die Nachzügler-Teams nicht ganz außer Acht lassen, zumal diese in Montreal wegen der unberechenbaren Rennen stets bis in die Haarspitzen motiviert sind. Mit einer Leistung wie in Monaco ist aber nicht zu rechnen, da schlicht das Geld für ein Paket für mittleren Abtrieb fehlt - deswegen dürfte man rein, was die Rundenzeit angeht, weiter zurückliegen als zuletzt. Montreal hat aber schon oft bewiesen, dass Wunder möglich sind...