Regenchaos in Malaysia: Zweite Pole für Hamilton
50 Minuten Verspätung, dann aber volle Action: Mercedes wiederholt das Qualifying-Ergebnis von Australien, diesmal jedoch mit Sebastian Vettel mittendrin
(Motorsport-Total.com) - Wenn irgendjemand eine Mercedes-Pole verhindern kann - da waren sich die Experten vor dem heutigen Qualifying in Malaysia einig -, dann nur der Wettergott. Aber Fehlanzeige! Obwohl der Sepang International Circuit am späten Samstagnachmittag ab 15:10 Uhr (geplanter Beginn des Qualifyings um 16:00, tatsächlicher Beginn um 16:50 Uhr) komplett unter Wasser stand, sicherte sich Lewis Hamilton wie schon beim Auftakt zur Formel-1-Saison 2014 vor zwei Wochen in Melbourne den ersten Startplatz. Teamkollege Nico Rosberg fuhr neuerlich auf Rang drei.
Aber die Silberpfeile waren erstmals in dieser Saison richtig gefordert. "War ziemlich knapp, oder?", beugte sich Hamilton bei der anschließenden FIA-Pressekonferenz zu Sebastian Vettel rüber, den er gerade mal um 0,055 Sekunden hinter sich gelassen hatte. Dabei war zu Beginn der Session nicht mit so einem Ergebnis zu rechnen, als sein Renningenieur funkte: "Seb, wir haben ein Problem mit dem Energiespeicher. Wir machen einen Neustart, der sollte das lösen."
Was sich auch bewahrheitete. "Danach lief alles rund", freut sich der Vorjahressieger. "Am Ende hätte ich gerne noch eine Runde gehabt - schade, dass es nicht mehr gereicht hat. Aber so ist es für alle schwierig. Man hat immer das Gefühl, dass man sich überall noch verbessern kann, wenn man noch eine zweite Runde nachlegen kann. Schade, wenn es dann so eng ist. Ich bin aber zufrieden. Ich denke, wir haben ein schnelles Auto im Rennen. Lassen wir uns überraschen."
Totaler Blindflug bei zunehmendem Regen
Hamilton musste im letzten Versuch keine Steigerung mehr schaffen, denn seine Bestzeit von 1:59.431 Minuten war auch so schnell genug für die 33. Pole-Position seiner Karriere (gleich viele wie Jim Clark). "Ich habe hinter Hülkenberg rein gar nichts mehr gesehen, nicht mal mehr die Strecke", sagt der Brite. "Ich wusste nicht, wo die Kurven waren, wo ich bremsen sollte. Dann sah ich, dass Fernando hinter mir lag. Ich konnte keinen Abstand aufbauen, also brach ich den Versuch ab."
WM-Leader Rosberg, heute meistens in Hamiltons Gischt unterwegs, ging mit seiner letzten schnellen Runde immerhin noch um 0,125 Sekunden an Fernando Alonso (Ferrari/+0,744) vorbei. "Leider habe ich mich auf den Regenreifen nicht gar so wohl gefühlt, vor allem nicht auf der Bremse", analysiert der Mercedes-Fahrer. "Der dritte Platz ist trotzdem ordentlich. Mir ist die letzte Runde gelungen und ich konnte Fernando noch verdrängen. Von daher ist das schon okay."
Dass Alonso in Q3 überhaupt noch dabei war, hatte er seinen Mechanikern zu verdanken, die nach einer Kollision mit Daniil Kwjat (11./Toro Rosso) in Q2 die Radaufhängung blitzschnell repariert hatten. Schuldfrage? "Ich würde sagen, Alonso hat geschlafen", findet Experte Marc Surer. "Wenn man langsam fährt, muss man auch schauen. Es war Alonsos Fehler." Vielleicht auch deshalb, weil er trotz widrigster Bedingungen zu jenem Zeitpunkt auf Intermediates unterwegs war.
Alonso gesteht zumindest eine Teilschuld ein
Fünfter wurde Daniel Ricciardo (Red Bull), bereits mit einem Rückstand von 1,110 Sekunden, noch vor Kimi Räikkönen (Ferrari), dem 1,787 Sekunden fehlten. In den ersten drei Startreihen damit zwei Mercedes, zwei Red Bull und zwei Ferrari - verfolgt von einem Force India: "Auch wenn man unter solchen Bedingungen hofft, dass ein bisschen mehr drin ist, müssen wir damit zufrieden sein", freut sich Nico Hülkenberg (+2,281) über seinen siebten Platz.
Kevin Magnussen "überlebte" einen spektakulären Ausritt ins Kiesbett der Boxeneinfahrt in Q2, wechselte in Q3 aber just von Intermediates auf Voll-Regenreifen, als sein McLaren-Teamkollege Jenson Button von Voll-Regenreifen auf Intermediates umstellte - ein Poker, der sich für den Routinier nicht bezahlt machen sollte. "Das Reifentheater, das die aufgeführt haben, war nicht nachvollziehbar", kritisiert Experte Surer.
Vergne Überraschungsmann in den Top 10
Das Williams-Team verpasste eine Überraschung und landete auf den Positionen 13 (Felipe Massa) und 15 (Valtteri Bottas). Dem jungen Finnen blüht noch ein Nachspiel: "Schafft mir diesen verdammten Williams aus dem Weg!", schimpfte Ricciardo am Funk, als er von Bottas aufgehalten wurde. Er hat das letztes Jahr auch schon so oft gemacht, das ist ein Witz." Ein Zwischenfall, den sich die FIA-Rennkommissare noch genau anschauen werden, genau wie die Kollision Alonso/Kwjat.
Regenspezialist Adrian Sutil musste sich im Sauber-Stallduell heute geschlagen geben. Das lag einerseits an der roten Flagge am Ende von Q1, die ihn auf den 18. Platz festnagelte, hatte aber auch andere Gründe: "Das Auto war eigentlich unfahrbar. Da wartet noch viel Arbeit auf uns", seufzt er. "Es gibt viele Dinge, die nicht passen. Es ist einfach sehr schwierig, mit dem Auto eine ordentliche Runde zusammenzubekommen. Ein bisschen Geduld muss man haben."
Ericsson außerhalb der 107-Prozent-Zeit
Auf FIA-Gnaden angewiesen wäre eigentlich Marcus Ericsson, dessen Caterham die 107-Prozent-Zeit nicht geknackt hat - was im Regen egal ist. Der Schwede blieb schon beim Rausfahren aus der Boxengasse stehen, fuhr dann später unglücklich auf einen Randstein und krachte in die Leitplanken. Dass er beim Austrudeln beinahe noch Esteban Gutierrez (14./Sauber) abgeschossen hätte, sah aber auf den TV-Bildern spektakulärer aus, als es wirklich war.
Sollte es morgen trocken sein, ist Mercedes eindeutig in der Favoritenrolle. Doch man weiß, dass Vettel über sich hinauswachsen kann, wenn er eine Chance sieht - und die erste bietet sich ihm bereits am Start, den er in Malaysia 2010 schon auf beeindruckende Weise gewonnen hat: "Wenn ich nicht falsch liege, stehe ich morgen auf der guten Seite", blickt Vettel auf das zweite Saisonrennen, das er im Vorjahr auf kontroverse Weise gewonnen hat.
Aber Experte Surer sieht ein großes Handicap: "Die Mercedes sind auf den Geraden so viel schneller als der Red Bull. Vettel muss also weit wegfahren in den schnellen Kurven, damit er auf den langen Geraden nicht geschnupft wird. Der Unterschied zwischen den beiden Autos liegt bei ungefähr 16 km/h", analysiert er und prophezeit: "Wenn es nass ist, macht das nichts, aber wenn es trocken ist, dann liegt der Vorteil bei Mercedes."