• 13. März 2014 · 11:12 Uhr

Die Stunde der Wahrheit: Wie gut ist Williams wirklich?

Geheimfavorit, im Aufwind oder einfach nur gut dabei? Die Konkurrenz bringt Williams vor dem Saisonstart in Melbourne sehr viel Respekt entgegen

(Motorsport-Total.com) - Treffen sich zwei Formel-1-Piloten in Melbourne. Sagt der Eine: "Ich würde sagen, Mercedes ist der Favorit." Sagt der Andere: "Und ich sage Williams." Das sind die Äußerungen von Felipe Massa und Lewis Hamilton vor dem Saisonauftakt in Australien. Und diese Äußerungen zeigen: Die Favoritenrolle für den ersten Grand Prix des Jahres will niemand haben, sondern weist sie lieber der Konkurrenz zu.

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Der Williams FW36 steht im Formel-1-Fahrerlager derzeit sehr hoch im Kurs Zoom Download

Doch gerade das britische Formel-1-Traditionsteam Williams steht vor dem Rennen im Albert Park (den Großen Preis von Australien 2014 im Formel 1 Live-Ticker verfolgen!) im Fokus. Denn mit dem FW36 scheint dem Rennstall um Frank Williams ein großer Wurf gelungen zu sein. Das muss sogar die Gegnerschaft anerkennen, zumal Williams bei den Testfahrten eine gute Figur abgegeben hat.

"Sie scheinen ein sehr solides Auto auf die Strecke gezaubert zu haben", meint Mercedes-Sportchef Toto Wolff, der Williams einen "positiven Lauf" attestiert und das Team schon jetzt als "unseren härtesten Gegner" bezeichnet. Wenngleich, und das betonen in Melbourne alle Beteiligten fast schon gebetsmühlenartig, vor dem ersten Kräftemessen auf der Strecke noch nicht sehr viel festzuhalten ist.

Aufbruchsstimmung in Grove

Doch Williams-Neuzugang Massa macht keinen Hehl aus seinen Ambitionen: "Vor uns könnte eine gute Saison liegen", sagt der brasilianische Rennfahrer, im Winter von Maranello nach Grove gewechselt. "Wie gut, das weiß ich aber noch nicht. Wir müssen einfach abwarten. Schon an diesem Wochenende wird es erste Antworten auf diese Frage geben, wenn auch wohl nicht alle Antworten."

In keinem Fall dürfe man vergessen, welchen Ausgangspunkt Williams vor der Saison 2014 gehabt habe. Zur Erinnerung: Mit gerade einmal fünf Punkten belegte das dominante Team der 1990er-Jahre in der Saison 2013 lediglich den neunten Platz in der Konstrukteurswertung der Formel 1. Und jetzt soll Williams auf einmal vorn mitfahren, um Siege und vielleicht sogar um den WM-Titel kämpfen?


Der Williams FW36 im Martini-Design

Warum nicht? Das ist zumindest die Reaktion von Massa, der hinzufügt: "Ja, sie hatten eine schwierige Zeit, aber sie haben sich regelrecht in die Entwicklungsarbeit gestürzt. Und vielleicht können wir es mit den Spitzenteams aufnehmen, vielleicht sind manche Teams schneller als wir. Wir wissen es noch nicht. Doch das ist ja auch erst der Anfang. Und schon bald werden wir ein klareres Bild haben."

Das schwierige Jahr 2013 ist (fast) vergessen

Für die stellvertretende Teamchefin Claire Williams, die Tochter von Teamgründer Frank Williams, wohnt in eben diesem Anfang schon ein gewisser Zauber inne. Denn der Rennstall aus Grove in Großbritannien hat sich im Winter neu aufgestellt. "Es gab wirklich viele Veränderungen", sagt Claire Williams. "Und nun stehen wir deutlich besser da. Wir hoffen: Die Investitionen machen sich bezahlt."

Optisch hat Williams auf jeden Fall Fortschritte gemacht: Mit Martini kam ein neuer Titelsponsor an Bord, der Teamname tauchte beim Testen häufig am oberen Ende der Zeitenliste auf. Claire Williams bestätigt diesen Eindruck: "Wir hatten einen guten Testwinter, bei dem wir sämtliche Ziele erreicht haben. Und das Auto scheint konkurrenzfähig zu sein. Jetzt warten wir ab, was das bedeutet."


Fotos: Williams, Großer Preis von Australien


"Am Sonntag werden wir es wissen. Und wenn wir in Melbourne gleich in die Punkte fahren könnten, wäre das eine fantastische Belohnung für all die Mühen der Jungs, die sich im Werk so sehr ins Zeug gelegt haben. Doch niemand weiß, wie das Kräfteverhältnis aussieht, weil es in diesem Jahr so viel Neues gibt. Wir müssen einfach abwarten. Denn du kannst dir nie zu einhundert Prozent sicher sein."

Geheimfavorit? Erst einmal abwarten...

Deshalb zeigt sich auch Valtteri Bottas noch zurückhaltend, wenn er dieser Tage nach einer Prognose für die Formel-1-Saison 2014 befragt wird. "Schwer zu sagen", ist das Erste, was ihm dazu einfällt. Und weiter: "Wir wissen ja nicht, ob einige der anderen Teams noch Reserven haben. Kann zum Beispiel Mercedes noch schneller fahren, als sie es bisher getan haben? Bald werden wir es wissen."

In der Zwischenzeit träumt man beim britischen Traditionsteam von der Rückkehr zu alter Stärke. Oder wie es Bottas ausdrückt: "Wir hoffen natürlich auf das Beste und dass wir um Punkte, vielleicht sogar um Podestplätze kämpfen können. Das Ziel für das erste Rennen lautet in jedem Fall, gute Punkte einzufahren. Je mehr es werden, umso besser." Doch insgeheim ist da der Wunsch nach noch mehr.

Daraus macht Bottas auf Nachfrage keinen Hehl: "Wir reden nicht so gern über Siege, auch wenn das natürlich der Grund ist, weshalb wir all das veranstalten. Siege sind das Ziel. Doch bleiben wir mal auf dem Boden und warten ab. Wir wollen möglichst weit vorn stehen. Und ich bin zuversichtlich für das erste Rennen. Das Team ist bereit, ich bin bereit. Wir müssen aber vorsichtig bleiben und dürfen jetzt nicht zu viel erwarten."

Kann Williams im Entwicklungsrennen mithalten?

Vor Williams und der Formel-1-Konkurrenz liege schließlich eine sehr lange Rennsaison. "Und der Schlüssel zum Erfolg wird sein, sich während des Jahres am besten zu steigern", erklärt Bottas, in diesem Jahr Teamkollege von Massa. "Selbst wenn du im ersten Rennen konkurrenzfähig bist, muss das noch lange nicht bedeuten, dass du am Ende auch um den Titel kämpfst. Das ist uns bewusst."

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Frank Williams und Tochter Claire: Das Traditionsteam wirkt sehr gut aufgestellt Zoom Download

In jedem Fall sei der Williams FW36 ein deutlich besseres Fahrzeug als das Vorjahresmodell, mit dem Bottas und Pastor Maldonado meist auf verlorenem Posten standen. "Der FW35 erbrachte nicht die erwartete Leistung", sagt Bottas heute. "Nun ist das anders. Und das ist ein gutes Gefühl. Seit dem Test in Bahrain wissen wir nämlich: Das Fahrzeug ist zuverlässig, gut gebaut und auch ziemlich schnell."

Das habe, so der finnische Rennfahrer, "allen Beteiligten im Team noch einmal frischen Mut verliehen", was so auch ersichtlich sei. "Wenngleich wir alle auch etwas überrascht sind, weil speziell das vergangene Jahr so schwierig war. Das Ziel ist und bleibt aber, einen Schritt nach vorn zu machen. Und im Vergleich zu 2013 sind uns bereits gute Fortschritte gelungen. Wir stehen viel besser da."

Auch Williams hat noch Reserven

Und Williams hat offenbar noch Reserven, zumindest aber schon in Melbourne einige neue Teile für den fast komplett in Weiß gehaltenen FW36, wie Bottas erklärt. "Es gibt ein paar kleine Updates, aber nichts Großes. Das sollte helfen. Und natürlich können auch wir noch ein bisschen schneller fahren als beim Testen, aber das ist nicht sehr viel. Also schauen wir einmal. Wir scheinen auf Kurs zu liegen."

Was logischerweise auch der Motivation im Team gut tut, obwohl Bottas mit Massa schon genug Motivation vor sich hat. Darauf deuten jedenfalls seine Worte über das bevorstehende Teamduell hin: "Du willst immer mindestens genauso gut fahren wie dein Teamkollege oder sogar schneller sein. Ich denke, das ist möglich. Ich respektiere aber, dass Felipe schnell ist und über viel Erfahrung verfügt."

Er werde, so Bottas weiter, in diesem Jahr sicherlich mehr von seinem Stallgefährten lernen als in der Vergangenheit. Eine kleine Spitze gegen Maldonado? Der jedenfalls äußert sich lobend über Williams: "Die Basis in Grove ist gut. Die Leute sind auf Trab und sie haben schon gewonnen." Klingt fast so, als würde der Venezolaner seinen Wechsel zu Lotus bereuen, doch er winkt ab: "Auch dort ist das Potenzial gut."

Und so wie Maldonado und Wolff anerkennend über Williams sprechen, scheint in Melbourne das gesamte Fahrerlager zu denken. Wolff, übrigens mit zwei Firmen nach wie vor Anteilseigner beim Rennstall aus Grove, bringt es auf den Punkt: "Ich freue mich sehr für Williams, für Frank und für Claire." Fehlt eigentlich nur noch, dass Williams den Vorschusslorbeeren auch gerecht wird.

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