Singapur: Rosberg lässt Polesetter Vettel zittern
Trotz erdrückender Dominanz von Sebastian Vettel macht Nico Rosberg das Qualifying in Singapur spannend - Kimi Räikkönen bereits in Q2 ausgeschieden
(Motorsport-Total.com) - Sebastian Vettel (Red Bull) hat das Qualifying zum Grand Prix von Singapur fast nach Belieben dominiert und sich am Ende auch die Pole-Position gesichert, aber dank Nico Rosberg (Mercedes) wurde es in den letzten Minuten noch einmal richtig spannend. Schlussendlich betrug der Abstand zwischen den beiden gerade mal 91 Tausendstelsekunden. "Sebastian hat sich deine Runde angeschaut und ist ein bisschen nervös geworden", funkte Mercedes-Teamchef Ross Brawn seinem Schützling ins Cockpit.
Vettel hatte Q2 mit 0,822 Sekunden Vorsprung auf seinen Teamkollegen Mark Webber dominiert und führte nach dem ersten Run in Q3 mit über einer halben Sekunde Vorsprung. Also entschied sein Renningenieur Guillaume Rocquelin, Reifen zu sparen und an der Box zu bleiben - was beinahe in die Hose gegangen wäre! Hätte Rosberg den ersten Sektor ähnlich gut hinbekommen wie Lewis Hamilton (5./+0,413) im zweiten Mercedes-Silberpfeil, hätte es für ganz vorne gereicht.
"Dass die Strecke so viel schneller wird, haben wir falsch kalkuliert", gibt Red-Bull-Motorsportkonsulent Helmut Marko zu. Und auch Vettel muss gestehen, dass seine Nerven ein bisschen geflattert sind: "Es war ein verrücktes Gefühl, an der Box zu stehen. Ich habe beobachtet, wie die anderen ihre letzten Versuche begannen. Ich konnte nichts mehr machen. Zum Glück war mein letzter Sektor stark genug, aber gegen Nico war es sehr eng."
Brawn lobt "außergewöhnliche" Runde von Rosberg
Der nahm die knappe Niederlage ganz locker: "Wäre witzig gewesen, wenn ich Sebastian noch die Pole weggeschnappt hätte, aber er hat's auf jeden Fall verdient", lächelt der Mercedes-Pilot und kassiert Lob von Teamchef Brawn: "Nicos Qualifying-Runde war außergewöhnlich." Für Formel-1-Experte Marc Surer übrigens keine Überraschung: "Nico fährt auf dieser Strecke immer sehr gut, generell auf Stadtkursen. Er hat Monaco gewonnen und weiß, wie man's macht."
Webber lag nach dem ersten Q3-Versuch noch gleichauf mit Rosberg, konnte aber am Ende nicht mehr so stark zulegen (+0,311). Das hatte zur Konsequenz, dass überraschend noch Romain Grosjean (Lotus/+0,217) auf den dritten Platz vorstieß. Der Franzose hatte seine Ambitionen auf einen Top-Startplatz bereits im Abschlusstraining angemeldet und stellte im Qualifying seinen Teamkollegen Kimi Räikkönen klar in den Schatten.
"Wenn ich sehe, wie viele Runden wir im Vorfeld gefahren sind, dann ist der dritte Platz nicht allzu schlecht", spielt Grosjean auf seine Lenkungsprobleme am Freitag an. "Am Vormittag lief es gut und wir wussten, dass wir stark sein würden. Die einbrechende Nacht hat die Strecke etwas langsamer gemacht, weil es kühler wurde. In Sachen Strategie haben wir eine gute Entscheidung getroffen. Bei diesem Grand Prix ist es gut, so weit vorne zu starten."
Räikkönen teilweise unter starken Schmerzen
Räikkönen schied als 13. bereits in Q2 aus, muss aber in Schutz genommen werden, weil er seit Freitagnacht mit Rückenschmerzen zu kämpfen hat. "Beim Frühstück dachte ich, ich kann nicht einmal fahren, aber zum Glück hat die Behandlung angeschlagen", sagt der "Iceman". "Am Vormittag haben wir Zeit verloren, um am Auto zu arbeiten, am Nachmittag war es dann nicht wirklich ideal. Aber wenigstens steht das Auto in der Startaufstellung."
Die große Überraschung der Formel-1-Nacht in Singapur war indes Sauber-Rookie Esteban Gutierrez, der erstmals überhaupt schneller war als Nico Hülkenberg (11.) und als Q2-Siebter sensationell ins Top-10-Finale einzog. Dort schenkte er sich dann zwar eine weitere schnelle Runde, weil er ohnehin keine frischen Reifen mehr hatte, aber Startplatz zehn hinter Daniel Ricciardo (Toro Rosso/+1,598) ist für den Mexikaner ein wichtiger Erfolg im Hinblick auf seine zukünftige Karriere.
Hülkenberg fehlten in Q2 nur 0,058 Sekunden auf den zehntplatzierten McLaren-Piloten Jenson Button (8./+1,441) - Zeit, die er sicher gefunden hätte, wenn er nicht von der Technik im Stich gelassen worden wäre: "Ich hatte auf der DRS-Geraden ein Problem mit der DRS-Aktivierung. Der Flügel ging bis kurz vor Ende der Geraden nicht auf. Dadurch habe ich eineinhalb Zehntel verloren", rechnet der Deutsche vor.
Ferrari wirkt im Qualifying weiterhin ratlos
Ferrari freute sich heute Morgen noch über ein verbessertes Handling, doch das ständige Wechseln zwischen unterschiedlichen Frontflügeln demonstrierte die eigentliche Ratlosigkeit der Italiener. "Denen fehlt es einfach an Anpressdruck", kommentiert Surer einen Rutscher von Fernando Alonso gleich zu Beginn der Session. Am Ende belegte der Spanier Platz sieben, 0,048 Sekunden hinter seinem Teamkollegen Felipe Massa - womit auch kaum jemand gerechnet hätte.
"Wir waren an diesem Wochenende leider in allen Trainings nicht konkurrenzfähig und haben Schwierigkeiten, das Tempo unserer Mitbewerber mitzugehen. Das ist aber im Grunde nichts Neues", klingt Alonso fast schon resignativ. "Im Qualifying haben wir Schwierigkeiten, uns zu steigern. Morgen müssen wir wieder einen guten Sonntag hinlegen, hoffentlich viele Punkte erzielen und sehen, wo unsere Mitbewerber ankommen."
Adrian Sutil (Force India) kann sich heute damit trösten, sein Stallduell gegen Paul di Resta (17.) gewonnen zu haben, Rang 15 entspricht aber sicher nicht den Erwartungen des Deutschen. Force India ist auf dem kurvenreichen Stadtkurs noch weniger konkurrenzfähig als zuletzt in Spa-Francorchamps und Monza, scheint zunehmend den Anschluss zum vorderen Mittelfeld zu verlieren - auch wenn McLaren-Pilot Sergio Perez (14.) einigermaßen in Reichweite liegt.
Williams von erster Startreihe meilenweit entfernt
Enttäuschend auch das Abschneiden von Pastor Maldonado, 2012 noch Zweiter der Startaufstellung: Der Williams-Pilot war als 18. Letzter der etablierten Piloten und sorgte für einen hängenden Kopf bei Teamchefin Claire Williams - auch Valtteri Bottas klassierte sich als 16. nur unwesentlich weiter vorne. Die "kleine" Pole-Position der zwei Nachzügler-Teams holte sich indes Charles Pic (19./Caterham), allerdings eineinhalb Sekunden (!) hinter Maldonado.
Für das Rennen tippt jetzt alles auf Vettel. Sogar Red-Bull-Motorsportkonsulent Marko gibt sich ungewohnt unbescheiden: "Sebastian wäre wieder deutlich vorne, hätte er den zweiten Run gemacht. Wenn er den Start hinkriegt, fährt er das Rennen in seiner üblichen Manier nach Hause." Mercedes-Teamchef Brawn nickt zustimmend: "Sebastian und Mark waren am Freitag im Renntrimm sehr schnell. Wir müssen auf ein Safety-Car hoffen."
Experte Surer kann sich gut vorstellen, "dass Nico morgen ein starker Gegner sein wird, aber um Vettel zu schlagen, müsste er ihn am Start kriegen. Wenn Vettel wegfährt, ist er weg - dann sieht ihn keiner mehr." Was der Polesetter selbst ein wenig relativiert: "Überholen ist sehr schwierig, aber für gewöhnlich kommt ein Safety-Car. Da es ein sehr langes Rennen ist, gibt es für uns alle viele Möglichkeiten. Hoffentlich habe ich einen guten Start."