Fiasko in der Wüste: Ferrari betreibt Ursachenforschung
Warum Fernando Alonso DRS nach dem Defekt wieder zu aktivieren versuchte und wieso Felipe Massas Reifenschäden unterschiedliche Gründe gehabt haben
(Motorsport-Total.com) - Hektik an der Ferrari-Box und ständig ein Auto, das mit einem defekten Teil vorfährt: Der Sonntag in Bahrain erinnerte an längst vergessene Zeiten, als bei den Roten ein italienisches Dauerfiasko herrschte. Erst besuchte die Defekthexe Fernando Alonso, dessen Heckflügel aus der DRS-Position nicht mehr zurück in die Ausgangsstellung ging, weil sich das bewegliche Element offenbar um die eigene Achse drehte. "Es war sicher ein mechanisches Problem, kein hydraulisches", erklärt Stefano Domenicali.
Genau deshalb entschied die Scuderia nach der ersten "Reparatur" an der Box, die aus dem händischen Zurückstellen des Flügels bestand, Alonso erneut das DRS-Knöpfchen betätigen zu lassen - in der Hoffnung, dass alles wieder wie gewohnt funktionieren würde, nachdem der Mechanik mit bloßer Kraft auf die Sprünge geholfen wurde. "Es sah aus, als sei alles in Ordnung, als wir ihn umgeklappt hatten, aber plötzlich kam das Problem wieder", erinnert sich Domenicali, der von "Pech" spricht.
Aber wäre es nicht eine Option gewesen, auf Notstopp Nummer zwei zu verzichten und so weiterzufahren? Auch mit weniger Abtrieb hatte sich Alonso immerhin einigermaßen souverän vor Paul di Resta gehalten. Der Teamchef winkt ab, was die Nutzung von unfreiwilligem Dauer-DRS angeht: "Wir mussten ihn in die Box holen, weil uns die Regeln dazu genötigt haben. Es war klar, dass es mit dem Flügel ein ernstes Problem gibt." Es war auch eine Lehre aus der Vergangenheit, Alonso ein Mal mehr anzufunken.
Kein Rennglück mehr
Ex-Formel-1-Pilot Alexander Wurz hat Verständnis für Ferrari. "Immer unter Druck Entscheidungen zu treffen ist schwierig", gesteht er dem Team auf Nachfrage von 'Motorsport-Total.com' zu. Der Österreicher verweist auf das Malaysia-Rennen, als Alonso trotz defektem Frontflügel einen Stopp hinauszögerte und dafür bitter bestraft wurde. "Die falsche Einschätzung", überlegt Wurz, "dann hat der Kommandostand ihn unter Druck nicht hereingeholt. Heute haben sie ihn reingeholt - zurecht - aber dann nicht angewiesen, das DRS nicht mehr zu verwenden."
Außerdem, so kritisiert der TV-Experte, habe man es versäumt, beim ersten Boxenstopp auch gleich die Reifen zu wechseln. "Da ist der zweite Stopp sowieso wurscht gewesen. Obwohl es ein sauschnelles Auto ist", so Wurz weiter. Ist es die große Trendwende bei der Mythosmarke, die Fortuna verlassen zu haben scheint? "Er hat im vergangenen Jahr viel Rennglück gehabt, aber er hat es verdient. Jetzt hat sich der Spieß umgedreht", zeichnet Wurz ein düsteres Bild von Alonsos guten Omen.
Schließlich hat der Defekt dem Spanier mindestens ein Podium, wenn nicht sogar einen Sieg gekostet. Sebastian Vettel hielt Domenicali nicht für unschlagbar: "Er ist ein gutes Rennen gefahren, aber er war auch alleine an der Spitze und hat das Tempo kontrolliert. Wir wissen, dass in dieser Situation die Reifen am besten zu beherrschen sind, schließlich waren wir beim vergangenen Rennen dort." Und Alonso siegte in Schanghai. "Er flog ohne DRS über den Kurs, er überholte ohne DRS. Bei seinen Rundenzeiten wäre es möglich gewesen."
Massa in Dauerproblemen
Auf der anderen Seite bleibt anzumerken, dass zum Zeitpunkt des DRS-Versagens beim Ex-Weltmeister bereits der Hinterreifen den Weg in die ewigen Jagdgründe antrat. Überhaupt schien Ferrari mit dem Gummi seine liebe Mühe zu haben, was das Beispiel Felipe Massa illustriert. Der Brasilianer kam mit zwei Reifenschäden an die Box, die unterschiedliche Ursachen gehabt haben sollen: "Für den ersten war der Abbau verantwortlich, der zweite war ein Plattfuß, der vielleicht durch ein Trümmerteil hervorgerufen wurde. Als ich aus der letzten Kurve kam, war der Reifen einfach weg", so Massa.
Seine Theorie untermauert, dass der Schadenshergang bei Zwischenfall Nummer eins eindeutig auf einen schleichenden Verfall des Pneus hinweist: "Beim ersten hat es stark vibriert", erinnert sich der Ferrari-Pilot, der zu diesem Zeitpunkt komfortabel in den WM-Punkten lag und von dem Problem aus heiterem Himmel getroffen wurde: "Es war so stark, dass man kein Vollgas geben konnte. Dann sah ich, dass die Reifen völlig abgefahren waren. Mir ist das noch nicht passiert, zwei Plattfüße in einem Rennen. Das war Pech für mich und für das Team."
Schon zuvor lief das Bahrain-Rennen für Massa alles andere als rund. Kurz nach dem Start gab es eine Kollision mit Adrian Sutil, die der Leistungsfähigkeit seines F138 nicht unbedingt zuträglich war. Der Frontflügel wurde dabei stark demoliert. "Wir haben uns berührt. Das hat meinem Auto sicher nicht geholfen, das ganze Rennen über." Massa konnte keine optimalen Rundenzeiten mehr fahren: "Nach dem Vorfall untersteuerte das Auto in einigen Kurven stärker und ließ Grip auf der Vorderachse vermissen. Es war aber möglich, das Rennen so zu überstehen." Aber eben auf Kosten von mehr Verschleiß.
Ferrari, der geborene Jäger
Für Domenicali war die Massa-Messe zu diesem Zeitpunkt bereits gelesen: "Sein Rennen war zerstört", sagt der Teamchef, der auf dem Rückflug keine Familienpackung Taschentücher benötigen wird. "Schade, aber in diesem Moment jammert man lieber nicht so viel. Das Positive ist aber nicht, dass wir Punkte geholt haben, sondern die tatsächliche Leistungsfähigkeit des Autos." Hinzu kommt: Es sind erst vier Rennen absolviert und der Scuderia eilt der Ruf eines echten Spätzünders in Sachen Entwicklung voraus.
Das weiß auch Rubens Barrichello: "Ferrari hatte noch nie so einen tollen Saisonstart. Wir wissen, dass sie sich im Laufe des Jahres steigern werden", warnt der Rekordstarter die Konkurenz und sieht im Jahr 2012 einen Präzedenzfall: "In der vergangenen Saison haben sie richtig schlecht angefangen und wie aus dem Nichts haben sie dann Rennen gewonnen. Sie werden diejenigen sein, die es zu schlagen gilt." Allerdings gibt es da noch eine nicht gerade kleine, dunkelblaue Truppe aus Österreich, die erbitterten Widerstand leistet: "Aber Red Bull ist Red Bull", bemerkt Barrichello.
Domenicali sieht Hopfen und Malz noch nicht verloren. "Es ist noch ein weiter Weg. Im vergangenen Sommer hatten wir 40 Punkte", meint er. "Die Chance wird wiederkehren, vielleicht trifft das Pech bald die anderen. Die Saison ist so lang." Und in ihrem Verlauf will Ferrari die Samstagsform steigern: "Das Qualifying ist wichtig, denn wenn man vorne startet, kann man mit den Reifen bestmöglich umgehen und sie bei Gelegenheit schonen. Betrachte ich die Situation, scheint alles möglich."