• 14. April 2013 · 19:58 Uhr

"...Dann bleibt das Fighten auf der Strecke"

Die Formel 1 im Reifenwahn: Virtuelle Gegner statt echter Zweikämpfe drücken die Stimmung in der Königsklasse - Muss nur eine andere Mischungsauswahl her?

(Motorsport-Total.com) - Pirelli-Motorsportchef Paul Hembery sollte Recht behalten. Der Brite kündigte gestern nach dem Qualifying an, dass Ankündigungen von vier oder fünf Stopps unsinnig seien, und dass eine Dreistopp-Strategie wohl der beste Weg am Rennsonntag sei. Auch eine Zweistopp-Strategie hatte der Pirelli-Mann für möglich gehalten. Von 18 ins Ziel gekommenen Fahrern legten 16 jene angekündigte Taktik mit drei Boxenstopps auf den Kurs, lediglich die beiden McLaren von Jenson Button und Sergio Perez kamen mit zwei Reifenwechseln über die Runden.

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Ist das ein echter Zweikampf oder nicht? Die Fans wissen es meist nicht mehr genau Zoom Download

Die reifenschonende Fahrweise der Chrompfeile scheint sich auszuzahlen. Zwar klassierte sich Perez als Elfter knapp außerhalb der Punkte, Button holte mit Rang fünf jedoch die beste Saisonplatzierung für das britische Team. Der Ex-Weltmeister blieb im ersten Stint 23 Runden draußen - sieben Runden länger als der ausdauerndste Nicht-Mclaren - Valtteri Bottas. Seinen zweiten Stint schraubte Button sogar auf 26 Runden.

Doch vielmehr im Fokus standen die gelbmarkierten weichen Reifen. Kein Fahrer schaffte länger als sieben Runden mit den Pneus, die im Vorfeld für so viel Aufregung gesorgt hatten, weil sie im Training so schnell zerbröselten. "Ich war mir ziemlich sicher, dass niemand anderes zwei Stopps machen wird", weiß der Brite um die geringe Haltbarkeit der Reifen. Die dadurch bedingte vorsichtige Fahrweise stößt viele Experten, Fans und Fahrer an.

Virtuelle Gegner im Kampf um die Uhr

Von einem Strategie-Rennen war heute häufig die Rede. Fahrer seien vielmehr nach ihren berechneten Zielvorgaben gefahren, als Plätze auf der Strecke zu erkämpfen. Jenson Button beschreibt dazu eine Szene aus dem Rennen: "Als Seb (Sebastian Vettel; Anm. d. Red.) hinter mir Druck machte und mich überholen wollte, dachte ich mir: 'Ist es das wert?' Du willst dich nicht kampflos geschlagen geben, aber für uns war es wichtig, die Reifen nicht zu zerstören."


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"Einmal rausrutschen oder ein Verbremser, und schon wären die Reifen hinüber gewesen. Hätten wir die Zielvorgaben nicht erreicht, hätte das unser Rennen zerstört. Wir mussten also lange im Schongang um die Strecke fahren, anstatt mit anderen Leuten zu kämpfen. Am Ende kam ein guter fünfter Platz dabei heraus." Da war es wieder, das Wort - Zielvorgaben. Und Zielvorgaben erreicht man nun einmal mit Reifenschonen besser als mit beinharten Zweikämpfen.

Selbst an der Spitze konnte man das beobachten. Als Fernando Alonso an Sebastian Vettel vorbeiging, um die Spitze zu erobern, war dies nicht etwa ein echtes Überholmanöver - vielmehr war es ein virtueller Ausgleich der Zielvorgaben - ein Rennen gegen die Uhr, mit ein paar Hindernissen, die aber "leider" nicht einfach verschwinden. "In dem Moment hatte Alonso deutlich die besseren Reifen. Deswegen kann er so locker vorbeifahren", hat TV-Experte Marc Surer beobachtet.

"Das ist Teil des Racings"

"Aber das ist eben das, was Pirelli will bzw. was die Verantwortlichen in der Formel 1 wollen: Dass die Reifen ein Problem sind und dass deswegen unterschiedliche Strategien gefahren werden", nimmt der Schweizer die Gegebenheiten hin, ohne selbst allzu glücklich darüber zu sein. "Ich möchte lieber Rad-an-Rad-Kämpfe mit der gleichen Strategie sehen. Aber okay, das muss jeder selbst entscheiden, ob das gut oder schlecht ist."

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Fernando Alonso hat heute das Rennen gegen die Uhr für sich entscheiden können Zoom Download

"Auf jeden Fall haben wir hier Fahrer mit unterschiedlicher Strategie gegeneinander kämpfen sehen. Schlussendlich haben die Reifen dann entschieden, wer wann was fährt, wer dann vorne liegt", erklärt der Ex-Pilot den Rennverlauf. Diese unterschiedlichen Strategien ermöglichen zwar Überholmanöver auf der Strecke, doch viel wert sind sie meistens nicht. "Es ist kompliziert und komplex. Wenn du extreme Reifen hast, wie wir im Moment, dann lässt es sich nicht vermeiden, dass verschiedene Leute verschiedene Dinge tun", schildert Red-Bull-Teamchef Christian Horner.

"Das ist Teil des Racings. Mit den Reifen und ihren unterschiedlichen Abbaugraden hat man eben diese Art Racing", so der Brite. Doch vielleicht wird es besser, wenn die Teams mit der Zeit die Reifen besser verstehen. Denn bisher wurde noch nicht das Optimum aus den Walzen herausgeholt, wie man bei McLaren gemerkt hat: "Heute haben wir gelernt, dass wir die Reifen stärker hätten fordern können, als wir es gemacht haben", erklärt Teamchef Martin Whitmarsh. Und auch Fernando Alonso an der Spitze hatte noch Reserven: "Wir hätten vielleicht noch ein bisschen Geschwindigkeit nachlegen können. Du weißt allerdings nicht, wann du das einsetzen kannst. Es kommt auf den Zustand deiner Reifen an."

Surer findet Reifen an sich "super"

Doch nicht nur auf das Rennen haben die Pirellis einen signifikanten Einfluss. Bereits im Qualifying war die Action meist auf das Ende eines Abschnittes reduziert, in Q3 fuhren sogar drei Autos keine repräsentative Rundenzeit - inklusive Weltmeister Sebastian Vettel. "Wir haben gesehen, dass es im Qualifying eher darum geht, die Reifen aufzuheben", so Teamchef Horner, der auch weiß, wieso sein Team diese Strategie wählen musste: "Unser Auto ist sehr gut und schnell, aber ein schnelles Auto misshandelt die Reifen stärker und die Reifen können damit nicht fertigwerden."

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Marc Surer hat im Grunde nichts gegen die Pirelli-Pneus Zoom Download

Doch nicht überall ist man der Meinung, dass die Pirelli-Pneus per se für die Tonne sind - vielmehr läge es an der Auswahl, glaubt Marc Surer: "Die Pirelli-Reifen sind super, da gibt es nichts zu diskutieren", so der Schweizer. "Sie sind schnell, sie passen zur Formel 1. Die Wahl der Mischung für das jeweilige Rennen kreide ich ein bisschen an. Dass man einfach oft eine Mischung zu weich wählt. Wenn man eine härtere nimmt, dann ist der Pirelli-Reifen ein super Reifen. Dann kann man auch fighten damit."

Für ihn ist die Sache klar: Die weicheren Reifen kommen zu Unterhaltungszwecken: "Es geht darum, dass man eigentlich besseres Racing möchte - deswegen die weichen Reifen. Damit es mehr unberechenbare Rennen gibt. Das ist passiert." Doch das kann für ihn nicht der Weisheit letzter Schluss sein: "Auf der anderen Seite möchten wir die Fahrer fighten sehen. Wenn man immer nur Reifenschonen muss, bleibt das Fighten auf der Strecke." - Oder eben nicht auf der Strecke, wie man's nimmt.

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