• 24. März 2013 · 16:09 Uhr

Und plötzlich: Relative Ruhe in der Reifendebatte

Der Grand Prix von Malaysia hat die hitzige Diskussion um die neuen Reifen von Pirelli etwas abgekühlt - Bissiger Niki Lauda wird handzahm: "Es lief doch gut"

(Motorsport-Total.com) - Pirelli-Motorsportchef Paul Hembery darf nach dem Grand Prix von Malaysia einmal kräftig durchatmen. Die heftige Kritik an den neuesten Formel-1-Produkten der Italiener ist weitestgehend verhallt. Im zweiten Rennen des Jahres standen die Pneus nicht ganz so negativ im Mittelpunkt wie zuletzt beim Saisonauftakt in Melbourne. "Nach all den Diskussionen der vergangenen Woche lief es nun doch gut. Ich bin glücklich", sagt Reifenkritiker Niki Lauda im Gespräch mit 'Motorsport-Total.com'.

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Die Formel-1-Piloten lassen immer viel Gummi auf der Strecke liegen Zoom Download

Der österreichische Aufsichtsratschef des Mercedes-Formel-1-Teams hatte in der vergangenen Woche scharf gegen Pirelli geschossen. "Meine Kritik galt eher für die Zukunft", lacht Lauda nach dem Grand Prix in Sepang. "Dass man sich austauscht und über etwaige Probleme spricht, ist doch ganz normal. Wir pflegen eine gute technische Zusammenarbeit mit Pirelli. Vor allem das Verhältnis zu Paul ist gut. Er ist offen für Kritik. Wir werden weiterhin ganz offen sprechen."

Vor allem von Seiten Mercedes und Red Bull war heftige Kritik an Hembery gerichtet worden. "Wir fanden einige Kommentare nicht ganz gerechtfertigt, vor allem was die Leistung der Reifen angeht", sagt der Pirelli-Motorsportchef. "Das heutige Ergebnis hat gezeigt, dass Red Bull ganz offensichtlich ein sehr schnelles und konkurrenzfähiges Auto hat, das mit den Reifen sehr gut funktioniert. Die Reifen haben länger gehalten, als wir nach dem Freien Training gedacht hätten." Im Lager der Weltmeister stand der Zweikampf zwischen Sebastian Vettel und Mark Webber eher im Mittelpunkt als die Reifen.

Die beiden Streithähne im Lager der "Bullen" waren auf unterschiedlichen Strategien unterwegs. Webber nutzte früh die harten Pneus, Vettel nach dem Wechsel von den Intermediates auf Slicks zunächst die weichere Medium-Mischung. "Das hatten wir den Teams so geraten, damit sie wichtige Erkenntnisse bei diesen Bedingungen sammeln können", sagt Hembery. "Da konnte man viel lernen, wie es bei abtrocknender Strecke und steigenden Temperaturen ist. Ohne Regen wäre es ein Dreistopp-Rennen geworden - wie erwartet."

Viel Abtrieb als Grund für Probleme?

"Im Moment werden wir ein wenig dafür bestraft, dass wir ein gutes Auto haben, das vor allem in schnellen Kurven sehr gut geht. Wir geben unser Feedback an Pirelli und die reagieren nach ihrer Einschätzung", gibt sich Red-Bull-Teamchef Christian Horner beruhigter. Allerdings ist der Brite davon überzeugt, dass Pirelli beim Bau der neuen Pneus "sehr aggressiv" herangegangen sei. "Die Pneus sind in Sachen Mischungen und Konstruktion grenzwertig. Es ist nicht schön, wenn ein Fahrer rund fünf Sekunden langsamer fahren muss als er könnte, damit die Reifen durchhalten. Pirelli weiß das."

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Niki Lauda äußerte in der vergangenen Woche scharfe Kritik an den Pirellis Zoom Download

"Es sind erst zwei Rennen gefahren und wir müssen uns die Situation nach Bahrain richtig anschauen und sie genau analysieren. Das machen wir jedes Jahr so: Erst die ersten vier Rennen abwarten, um dann zu sehen, was man verändern kann", nimmt sich Hembery ausreichend Zeit für eine genaue Analyse. "Für Bahrain sind jetzt die harte und die weiche Mischung vorgesehen. Vielleicht sollten sie dort den harten und mittleren Reifentyp bringen wie hier in Malaysia um die Situation etwas zu korrigieren. Aber das man etwas ganz Neues macht, das glaube ich nicht", schätzt 'Sky'-Experte Marc Surer.

Pirelli hatte den Auftrag von Teams und Rechteinhaber FOM, die Reifen für 2013 etwas weicher zu gestalten. "Nun ist das passiert und trotzdem nicht recht", sagt Surer. "Zu meiner Zeit hat man versucht, mit einem Reifensatz ein ganzes Rennen zu fahren. Da durfte man das Auto auch nicht rutschen lassen. Man kennt das ja auch aus anderen Rennserien: Wenn man es richtig fliegen lässt, dann fliegen auch die Reifen auseinander. Man muss sich den Reifen anpassen, sie schonen und auch ein Gefühl für sie haben."

Dies ist vor allem bei Lotus gelungen. Das Team um Melbourne-Sieger Kimi Räikkönen konnte zwar im Malaysia nicht sonderlich glänzen, aber doch wieder die Reifen schonen. Der Finne drehte auf einem Satz harter Slicks satte 22 Runden am Stück - so viele wie kein anderer. "Mir ist aufgefallen, dass der Lotus ein sehr neutrales Fahrverhalten hat. Ich habe schon beim ersten Test in Jerez gesehen, dass die Fahrer kaum korrigieren müssen, das Auto geht gleichmäßig über alle vier Reifen. Das ist natürlich ideal, denn dann wird kein Reifen stärker beansprucht als der andere", sagt Surer.

Vier Rennen lang beobachten

"Ich glaube, das ist die große Stärke des Lotus. Der feine Fahrstil von Kimi Räikkönen spielt dabei natürlich auch eine große Rolle. Ich glaube auch, dass seine Zeit in der Rallye-WM ihm dabei geholfen hat, sich an den Reifen anzupassen, weil man dort ja auf ganz unterschiedlichen Untergründen fährt", meint der Schweizer Ex-Grand-Prix-Pilot. "Vier Stopps wollen wir nicht. Aber ein Stopp ist zu wenig und zu langweilig. Wir wünschen uns immer zwei oder drei Boxenstopps. Am besten, dass einige zwei machen, andere drei", gibt Hembery die Wunschvorstellung von Pirelli an.

Ob sich diese Optimalvariante beim kommenden Rennen in China darstellen lässt, ist bislang ungewiss. "Eine weitere schwierige Strecke. Der Asphalt ist sehr rau und die Temperaturen können sehr stark variieren", erklärt Hembery die Voraussetzungen in Schanghai. "In einer Session kann es sehr heiß sein, in der anderen dann wieder extrem kühl. Zudem ist der starke Wind ein Problem. Die Luft kann extrem schnell abkühlen - bis zu 20 Grad innerhalb von 30 Minuten."


Fotos: Großer Preis von Malaysia


Ist die Luft aus der Debatte um womöglich zu weiche und fragile Pneus nun schon raus? Nein. Im Frust um den verlorenen Sieg in Sepang haute Webber noch einmal drauf. "Man fährt Grands Prix heutzutage mit 80 Prozent - es ist nicht mehr wie früher, als man voll gefahren ist und den Reifen alles abverlangen konnte, weil die Reifen jetzt verschleißen. Das ist für uns Grand-Prix-Fahrer nicht befriedigend." Hembery antwortet lächelnd: "Man muss das Beste aus seinem jeweiligen Gesamtpaket herausholen. So ist es doch immer im Motorsport."

"Ich beobachte bei einer ganzen Reihe von Teams ein Überreagieren in Bezug auf die Reifen. Ich glaube aber, dass es - wie immer im Leben - besser ist, erst einmal ruhig zu bleiben", stellt sich Ferrari-Teamchef Stefano Domenicali an die Seite des Reifenpartners. Diese Ruhe wünscht sich Hembery von allen Seiten. "Es ist doch so: Beim Wintertests sind die Kombinationen von neuen Autos und Reifen erstmals getestet worden - und das bei kaltem Wetter. In Melbourne entdeckte man die Wahrheit. Das ist mal gerade eine Woche her. Wartet doch mal vier Rennen bei unterschiedlichen Bedingungen ab und urteilt dann."

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