Ursachenforschung bei McLaren: Die Ingenieure rätseln
McLaren erlebt eine Krise: Die Ingenieure verstehen den MP4-28 nicht und die Fahrer machen sich Mut - Punkte werden als Erfolg gefeiert, doch die WM bleibt das Ziel
(Motorsport-Total.com) - Die großen Geschlagenen des ersten Rennwochenendes waren die Chrompfeile. In Melbourne stellte sich heraus, dass der neue MP4-28 nicht konkurrenzfähig ist. Jenson Button kam als Neunter ins Ziel und rettete noch zwei WM-Punkte. Sein neuer Teamkollege Sergio Perez kam wenige Sekunden dahinter über die Linie, doch er ging als Elfter leer aus. Im Winter wurde von Siegen und dem WM-Titel gesprochen. Davon ist McLaren derzeit weit entfernt. "Das war wirklich nix. Ich glaube, dass die das Auto richtig verbaut haben, im wahrsten Sinne des Wortes", kommentiert Niki Lauda die McLaren-Vorstellung bei 'RTL'.
© xpbimages.com
Ist der neue MP4-28 eine Fehlkonstruktion? Jenson Button erkämpfte sich zwei Punkte Zoom Download
"Im vergangen Jahr hatten sie in Asien das schnellste Auto, schneller als der Red Bull. Dass sie jetzt neu gekommen sind, da ist der Weg nach hinten gegangen und nicht nach vorne. Aber die werden sich schon etwas überlegen. McLaren ist dafür berühmt, dass sie schnell auf Probleme reagieren, die darfst du nicht abschreiben." Die Saison ist noch jung und McLaren steht erst am Anfang. Im Vergleich zum Vorgänger ist das Chassis des neuen Autos höher gelegt, dadurch kann mehr Luft unter das Auto strömen, was aerodynamisch ein anderes Konzept verlangt.
Im Zusammenspiel mit weiteren Änderungen beim Chassis und nicht zuletzt durch die mechanische Lösung der Zugstrebe bei der Vorderradaufhängung haben die Ingenieure das Auto bisher nicht verstanden. "Es fehlt uns an Abtrieb und Stabilität. Es ist nicht nur eine Sache", sagt Perez über die derzeitigen Mängel. "Wir haben viele Probleme. Das Auto ist einfach nicht schnell genug. Das ist die Realität. Die Strecke hier kam uns aber auch nicht entgegen. Sie hat vielmehr die Probleme verstärkt aufgezeigt."
In erster Linie hatte McLaren Probleme mit den zahlreichen Bodenwellen im Albert Park. Das ist eine direkte Folge der neuen Dämpfung, denn wenn diese nicht perfekt passt, reißt auch der Luftstrom ab und das Auto gerät aus der aerodynamischen Balance. Speziell nach dem trockenen Freitag klagten die beiden Piloten, dass das Auto in Kurven "alles macht", also nicht stabil liegt und unberechenbar ist. Deswegen hofft Button, dass die Probleme in Malaysia geringer sind, denn in Sepang ist der Asphalt viel ebener.
McLaren gibt die Hoffnung nicht auf
Hoffnung schöpft McLaren aus einem Beispiel aus dem Vorjahr: Vor zwölf Monaten setzte Ferrari als erstes Team auf die Zugstrebe vorne und benötigte ebenfalls einige Wochen, um das Konzept in der Praxis zum Arbeiten zu bringen. "Das ist positiv: Fernando war hier im Qualifying vor einem Jahr 1,5 Sekunden von der Spitze entfernt und hat am Ende fast den Titel geholt. Das zeigt, dass es für ein Topteam möglich ist, eine Lücke zu schließen", gibt sich Button optimistisch. "Ob es die gleiche Situation ist? Ich weiß es nicht." Am Freitag lag McLaren zwei Sekunden zurück.
Nach dem Auftaktrennen versuchen die beiden Fahrer eine gute Miene zur aktuellen Situation zu machen. "Es gibt natürlich Positives. Allerdings erbringt das Auto nicht die gewünschte Leistung. Wir haben aber das beste Team, um zurückzuschlagen", ist sich Perez sicher. "Es wird Zeit brauchen, das Auto schneller zu machen. Sehr schade, dass wir heute keine Punkte geholt haben. Hoffentlich sieht es in Malaysia schon deutlich besser aus. Wir liegen aber rund zwei Sekunden zurück. Wir haben also viel Arbeit vor uns. Auch in Malaysia werden wir nicht um den Sieg kämpfen, doch ich erwarte, dort in Q3 zu sein."
Button sprach am Freitag davon, dass er mit WM-Punkten zufrieden wäre. Auch für Malaysia gibt er die gleiche Zielsetzung vor. "Es wird sich über Nacht nichts ändern. Wenn wir in Malaysia die gleiche Anzahl an Punkten holen, dann wäre das extrem gut. Das zeigt deutlich wo wir stehen." Doch das wird den Ansprüchen des Traditionsteams nicht gerecht: "Wir sind McLaren und sollten viel weiter vorne stehen. Eigentlich bin ich davon überrascht, dass wir Punkte geholt haben."
"Aus der Situation das Beste gemacht"
"Wir haben in unserer Situation das Beste gemacht und sollten zufrieden sein. Mit dem Tempo des Autos können wir natürlich nicht glücklich sein." Neben den Fahrern musste vor allem Teamchef Martin Whitmarsh den Medien erklären, warum McLaren mit so einem schlechten Auto in die Saison gestartet ist. Die meisten anderen Teams haben ihre Vorjahresautos im Detail verfeinert, lediglich McLaren hat auf ein neues Konzept gesetzt und ist damit vorerst gescheitert.
"Wir können das Auto weiterentwickeln und müssen uns die Chance dazu geben, das ganze Jahr über. Hätten wir an den Grundprinzipien des vergangenen Jahres festgehalten, wären wir heute stärker." Im Fahrerlager tauchten auch Fragen auf, ob McLaren das erfolgreiche Vorgängermodell einsetzen könnte. "Nein. Das ist keine Option", winkt Perez ab. "Wir müssen konzentriert arbeiten. Das Auto hat Potenzial. Wir müssen es verstehen, um dann hoffentlich schon bald um gute Platzierungen kämpfen zu können."
Eine weitere Frage im Fahrerlager lautete, ob McLaren die Übergangssaison 2013 früh abschreiben und die volle Konzentration auf 2014 legen könnte. "Ich habe mit einigen Ingenieuren gesprochen, die am Auto für 2014 arbeiten und sie ermutigt, doch etwas mehr für den Wagen zu machen, den wir in dieser Saison fahren", meint Whitmarsh diesbezüglich mit einem Augenzwinkern. Es stellt sich die Frage, wie es sportlich in den kommenden Wochen weitergehen wird.
Button hatte bekräftigt, dass für ihn einige WM-Punkte ein toller Erfolg sind. Doch als er nach dem ersten Rennen nach den Saisonzielen gefragt wurde, lautete seine Antwort: "Wir sollten immer noch den WM-Titel anpeilen, aber im Moment sieht es sehr schwierig für uns aus. Das muss das Ziel sein, wenn man für McLaren fährt. Es wird in diesem Jahr aber sehr schwierig."