Neulich bei McLaren: Kommt ein Lenkrad geflogen
Was tun, wenn die Schaltwippe klemmt? McLaren weiß die Antwort: Kurzerhand beim Boxenstopp in Rekordzeit das Lenkrad tauschen
(Motorsport-Total.com) - Es war wohl die Szene eines sonst nur mäßig spannenden Grand Prix von Indien und wird mit Sicherheit in so manchem Jahresrückblick auftauchen. In Runde 32 fuhr Lewis Hamilton in die Boxengasse. Zunächst sah alles nach einem Routinestopp aus, doch noch während der Brite in Richtung seiner Crew rollte, zog er plötzlich das Lenkrad ab. Ehe die Zuschauer überhaupt registrieren konnten, was da geschah, wurde schon ein neues Steuer montiert und Hamilton setzte seine Fahrt fort.
Weil alles so schnell geht, erst einmal der Reihe nach. Während des ersten Stints stellten sich bei Hamilton Probleme mit der Schaltung ein. "Im Rennverlauf bekam ich ein Problem beim Herunterschalten. Ich musste mit der rechten Hand runterschalten und kam mir vor wie in der Formel 3", erklärt der Brite. Teamchef Martin Whitmarsh präzisiert die Probleme: "Wir glauben, dass die Schaltwippe klemmte. Er hat an der Wippe gezogen, und dann hing sie fest, vor allem beim Herunterschalten."
Nun war guter Rat teuer. "Ich war ursprünglich gegen den Wechsel, sondern wollte, dass sich Lewis darauf einstellt", verrät Whitmarsh. "Aber letztlich waren wird davon überzeugt, dass wir genügend Zeit dafür haben." Also teilte man Hamilton mit, dass das Lenkrad während des Boxenstopps gewechselt werden soll. "So etwas habe ich in einem Rennen bisher noch nie erlebt", schüttelt der 27-Jährige den Kopf. "Es ging unglaublich schnell."
Lenkradlösen während der Fahrt erlaubt
"Ich löste das Lenkrad schon, bevor das Auto überhaupt zum Stillstand gekommen war und warf es nach rechts", berichtet der Brite. "Lewis hatte das Lenkrad schon abgezogen, bevor das Auto stillstand, nachdem er das Getriebe in den Leerlauf geschaltet hatte", erläutert Whitmarsh, warum der Wechsel bei laufendem Motor überhaupt möglich war. Doch das war noch der einfachere Teil der Übung: "Das Lenkrad abzunehmen, ist kein Problem, aber es aufzustecken kann schwierig sein, da es dort sehr viele Verbindungen gibt", so Whitmarsh.
Doch ehe sich Hamilton versah, fuhr er schon wieder aus seiner Box heraus: "Nur einen Augenblick später war ich schon wieder im ersten Gang und auf dem Weg aus der Box. Das war unglaublich." Fast noch unglaublicher war das Tempo des Wechsels. Die Standzeit betrug nach offizieller Messung 3,3 Sekunden. "Laut unserer Zeitmessung hat der Stopp nur 3,1 Sekunden gedauert, das ist nicht schlecht", findet Whitmarsh. Und auch Sportdirektor Sam Michael meint: "3,1 Sekunden inklusive Lenkradwechsel, das ist ziemlich beeindruckend."
Kein Zeitverlust durch den Wechsel
Fast noch beeindruckender ist der Blick auf die Durchfahrtszeit der Boxengasse. Gegenüber der schnellsten Zeit von Sebastian Vettel war Hamiltons Aufenthalt in der Boxengasse nur 145 Tausendstelsekunden langsamer. Trotz dieses rekordverdächtigen Wechsels kann Whitmarsh auf eine Wiederholung dankend verzichten. "Ich möchte aber nicht, dass das zur Routine wird, denn es kann auch schnell schief gehen. Aber die Jungs haben es in 3,1 Sekunden geschafft. Ich dachte, wir würden drei oder vier Sekunden durch den Lenkradwechsel verlieren", lobt der Teamchef seine Crew.
Doch auch in Noida lagen bei den McLaren-Boxenstopps wie schon oft in dieser Saison Licht und Schatten dicht beieinander. Beim Reifenwechsel von Jenson Button kam es zu einer Verzögerung beim Wechsel des linken Hinterrades: "Ich glaube, der Schlagschrauber hat auf der Mutter durchgedreht, man sag einige Funken fliegen", erklärt Whitmarsh, der dennoch mit dem Stopp zufrieden war: "Der Stopp hat nur 3,3 Sekunden gedauert. Vor einigen Monaten hätte man das noch als richtig schnell bezeichnet."