Schikane im fünften Gang: Pirelli-Pneus maximal belastet
Beim Großen Preis von Indien müssen die Reifen von Formel-1-Lieferant Pirelli großen Belastungen standhalten - Spektakuläres Rennen wird erwartet
(Motorsport-Total.com) - Am Wochenende ist die Formel 1 in Indien zu Gast. Wie im vergangenen Jahr liefert Pirelli die harte (Silber) und die weiche Reifenvariante (Gelb). Die 2012er-Mischungen der Slicks sind jedoch weicher als ihre Vorgänger.
© McLaren
Beim Großen Preis von Indien müssen die Pirelli-Reifen Schwerstarbeit verrichten Zoom Download
Der Grand Prix von Indien stellt hohe Ansprüche an die Reifen. Das beginnt bei den zu erwartenden heißen Temperaturen von über 30 Grad Celsius. In den Highspeed-Kurven wird enorm viel Energie durch die Reifen geleitet. Kurve 10, die der berühmten Kurve 8 in der Türkei ähnelt, ist exemplarisch: Auf den linken Vorderreifen wirken hier Kräfte von 4 g. Maximaler Grip ist nötig, um an dieser Stelle die Ideallinie zu halten. Die Reifen werden dieser gewaltigen Belastung knapp sieben Sekunden lang ausgesetzt, ein gesteigerter Verschleiß ist die Folge.
Besonders zu Beginn der Runde gibt es deutliche Höhenunterschiede. Hier wirken große vertikale Kräfte auf die Reifen. Die Hauptgerade ist mit mehr als einem Kilometer die längste Gerade der Formel-1-Saison. Die Temperatur der Lauffläche der Reifen steigt hier auf mehr als 100 Grad.
Die Strecke nahe Delhi wird während des Jahres selten genutzt. Daher wird sich der Kurs im Verlauf des Wochenendes stark verändern, je mehr Gummi sich ablagert. Häufig Schmutz oder Sand auf dem Asphalt kann Wheelspin, das Durchdrehen der Räder, verursachen. Auch das erhöht den Abrieb. Generell ist der Asphalt des Buddh International Circuits allerdings relativ glatt. Daher hält sich der Reifenverschleiß in Grenzen. Das macht es den Teams einfacher, die beste Rennstrategie festzulegen.
"Vergangenes Jahr erlebten wir beim indischen Grand Prix eine bezaubernde Atmosphäre und wir wurden sehr herzlich empfangen", sagt Pirellis Motorsport-Direktor Paul Hembery. "Daher freuen wir uns sehr darauf, wieder nach Indien zu reisen. Dieses Jahr wissen wir etwas mehr über die Strecke. Der harte und der weiche Slick - die das letzte Mal in dieser Saison gemeinsam nominiert sind - sollten exakt die richtige Balance zwischen Performance und Haltbarkeit bieten."
"Das Streckenlayout ist eines der schwierigsten der zweiten Saisonhälfte für unsere Reifen", erklärt der Brite. "Beim Bau des Buddh Circuit wurde besonders darauf geachtet, dass es viele Überholmöglichkeiten gibt. Die Idee, Überholvorgänge zu fördern, hat uns auch bei der Entwicklung der Reifen angetrieben. Daher sollten wir zu einem wichtigen Punkt der Meisterschaft ein wirklich spannendes Rennen sehen."
Davon geht auch Narain Karthikeyan aus, der Formel-1-Stammpilot von HRT. "Vergangenes Jahr war die Reifenwahl verständlich, aber etwas konservativ. Doch da die Mischungen 2012 etwas weicher sind, könnte das Rennen dieses Mal etwas anders verlaufen. Das Layout ist eine große Herausforderung für die Reifen. Es gibt einige Richtungswechsel, die wir im fünften Gang fahren, zum Beispiel die S-Kurven acht und neun sowie 13 und 14. Hier haben die Autos etwa 200 km/h auf dem Tacho."
"Und schließlich gibt es die scheinbar unendliche Kurve zehn, in der wir das Lenkrad sechs Sekunden lang einschlagen - ebenfalls bei kaum weniger als 200 km/h", meint der indische Lokalmatador und fügt hinzu: "Auch wenn der Asphalt nicht sehr rau ist, müssen die Slicks auf dem Kurs hart arbeiten. Doch der Abrieb sollte nicht der Rede wert sein. Allerdings werden wir erst nach dem Freien Training am Freitag wissen, wie sich die Reifen bei längeren Stints schlagen. Wir wollen herausfinden, wie die weichen Slicks bei vollen Tanks reagieren."
Ungeachtet dessen sei er sehr gespannt auf seinen Auftritt vor heimischem Publikum, sagt Karthikeyan. "Auf dieses Rennen habe ich mich in diesem Jahr am meisten gefreut. Es gibt viel Begeisterung für die Veranstaltung, da die Meisterschaft noch so offen ist. Und ich hoffe, alle Fahrer und Formel-1-Teams können Indien genießen."
Schenkt man den Worten von Pirelli-Testfahrer Jaime Alguersuari Glauben, dann haben zumindest die Piloten ihren Spaß am Ausflug nach Indien: "Ich denke, der Buddh Circuit ist eine der besten Strecken der Formel 1", meint der Spanier. "Der Kurs bietet eine interessante Kombination unterschiedlicher Kurven und langer Geraden. Es gibt recht ungewöhnliche Abschnitte wie eine Schikane, die im fünften Gang durchfahren wird. Das passiert nicht oft."
"Die größte Belastung für die Reifen in Indien sind die vielen langen Kurven", erklärt Alguersuari. "Hier treffen hohe Kräfte auf schnelle Richtungswechsel. Die Fahrer benötigen hier allen Grip, den sie von den Slicks bekommen können. Wer kein gutes Reifenmanagement hat, läuft auch Gefahr, dass es zu Graining kommt. Der harte und der weiche Slick sind eine gute Wahl. Ich denke, eine Einstopp-Strategie ist möglich."
Der Asphalt des Buddh International Circuit war 2011 ganz neu. Doch ein Jahr später können sich die Eigenschaften des Belags verändert haben. Auf einem neuen Kurs lagert sich teilweise Öl ab, das aus dem Asphalt kommt. Dadurch entsteht ein rutschiger Belag. Mit der Zeit verschwindet dieser Ölfilm aber wieder, dann baut der Asphalt mehr Grip auf.
Die Boxengasse in Indien ist mit 600 Metern eine der längsten der Formel 1. Die Fahrer verlieren hier beim Boxenstopp deutlich Zeit, wenn sie Reifen wechseln. Das ist wichtiger Faktor bei der Planung der Rennstrategie.