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Toro Rosso auf dem Vormarsch: Greift der Key-Effekt?
Mit altbekannten Rezepten verleiht James Key Toro Rosso neue Flügel - Südkorea die bisher beste Gesamtperformance des Red-Bull-B-Teams seit langem
(Motorsport-Total.com) - Die Zeiten, in denen ein einzelner Ingenieur ein ganzes Formel-1-Auto baut, sind längst vorbei, trotzdem beweisen Ausnahmekönner wie Adrian Newey immer wieder, wie viel letztendlich doch vom Technischen Direktor abhängt. Nun ist auch James Key auf dem besten Weg, sich in der Königsklasse des Motorsports als "Tausendsassa" einen Namen zu machen.
© xpbimages.com
Tolles Teamwork der Junioren: Toro Rosso fuhr gestern auch sehr clever Zoom Download
Der erst 46-Jährige Brite wurde von Red-Bull-Motorsportkonsulent Helmut Marko zu Toro Rosso geholt und gilt als möglicher Newey-Nachfolger, sollte sich der Technische Direktor des A-Teams der Österreicher eines Tages zurückziehen. Key wurde in Monza als Nachfolger von Giorgio Ascanelli vorgestellt, bei dem interne Meinungsverschiedenheiten am Silverstone-Wochenende zu einem völligen Zerwürfnis und zur Trennung führten.
Bis einschließlich Monza holte Toro Rosso in elf Rennen nur ein einziges Mal Punkte, in den vergangenen drei Rennen ging das Team hingegen kein einziges Mal leer aus. Südkorea war mit sechs Punkten sogar die Egalisierung des bisher besten Ergebnisses (Belgien) - und das mit der eindrucksvollsten Performance aus eigener Kraft. Denn Jean-Eric Vergne (8.) und Daniel Ricciardo (9.) rutschten nicht zufällig nach vorne, sondern konnten ein konstant gutes Tempo gehen.
Vergne ortet echte Fortschritte
"Ich finde, wir hatten ein wirklich, wirklich gutes Rennen, auch ich persönlich. Wir waren auf unterschiedlichen Strategien, aber es ist aufgegangen", freut sich Vergne. Aber die Frage ist erlaubt: War dieses Tempo ein "One-Hit-Wonder" in Südkorea oder doch mehr? "Natürlich liegt uns auch die Strecke", gibt der Franzose zu, unterstreicht aber: "Ich glaube, es ist ein echter Fortschritt. Wir haben neue Teile bekommen, die uns weiterbringen."
Offenbar die erste Tranche, die unter Keys Leitung entstanden ist. Der gelernte Dateningenieur (Formel-1-Einstieg 1998 im Team von Eddie Jordan) stand laut Informationen von 'Motorsport-Total.com' in fortgeschrittenen Verhandlungen mit einem britischen Formel-1-Rennstall, ehe ihn Red Bull zu engagieren versuchte. Und weil er dadurch in einer guten Verhandlungsposition war, ließ sich Key angeblich mehr Einfluss zusichern, als dies normalerweise bei Toro Rosso üblich wäre.
Besonders auffällig: Vergne wurde gestern mit 324,5, Ricciardo mit 318,9 km/h "geblitzt" - so schnell war sonst niemand. Zum Vergleich: Der Topspeed von Sieger Sebastian Vettel war um 12,6 km/h schlechter. Das führte immer wieder zu absoluten Bestzeiten im schnellen ersten Sektor mit der langen Geraden - und dazu, dass die Toro Rossos selbst in der DRS-Zone für die meisten Gegner nahezu unangreifbar waren.
Key-Trend zu wenig Luftwiderstand
Ein Trend, der Branchenkenner wenig überrascht, denn schon hinter Force Indias "Topspeed-Wunder" in der Saison 2009 (Giancarlo Fisichella Zweiter in Spa-Francorchamps, Adrian Sutil in Monza in der ersten Startreihe) stand ein gewisser James Key. Aber diesmal geht die Höchstgeschwindigkeit nicht so stark auf die Gesamtperformance in den Kurven, wie Vergnes immerhin achtschnellste Rennrunde beweist.
Ricciardo hat "gemischte Gefühle", denn ein stehendes Rad zehn Runden vor Schluss kostete ihn ein besseres Ergebnis als den neunten Platz: "Ich bin zufrieden mit meiner Leistung und der des Teams, aber diese kleine Problem hat uns zwei Punkte gekostet." Andererseits hätte er noch weiter zurückfallen können, wenn sich Verfolger Lewis Hamilton nicht mit einem Stück Rasenteppich die Aerodynamik des ohnehin schon mit Stabilisator-Problemen kämpfenden McLaren zerstört hätte.
Ricciardo legte nach dem Getriebeschaden im Qualifying (samt Plus-Fünf-Strafe) einen wahren Raketenstart hin (von P21 auf P15) und tauchte gleich zu Beginn direkt hinter Vergne auf, setzte seinen Teamkollegen unter Druck. Gegen Rennende, als Ricciardos Rundenzeiten abbauten, drehte sich der Spieß um und der Franzose begann zu drücken - mit dem zu jenem Zeitpunkt noch unversehrten und deutlich schnelleren Hamilton-McLaren im Schlepptau.
Fahrer zeigen ungewöhnliche Reife
Doch die beiden Junioren, die gestern ihr bisher stärkstes Empfehlungsschreiben für einen Verbleib im Team abgaben, bewahrten kühlen Kopf: Ricciardo machte am Ende der langen Geraden geschickt Platz, ließ Vergne durch und schirmte diesen so lange wie möglich nach hinten ab, um ihm einen Vorsprung auf Hamilton zu verschaffen. Dass Hamilton dann das Missgeschick mit dem Rasenteppich passierte, fällt in die Kategorie Glück des Tüchtigen.
Doch selbst vor diesem Zwischenfall schien sich Ricciardo gegen den Weltmeister von 2008 mit dem langsameren Auto souverän zu verteidigen - sicher dank des hohen Topspeeds, aber auch dank der eigenen Zweikampfstärke. Immerhin: Eine Woche nachdem mit Michael Schumacher der erfolgreichste Formel-1-Pilot aller Zeiten am Australier verzweifelte, hielt er diesmal mit Hamilton wieder ein großes Kaliber in Schach.
Das ist auch Teamchef Franz Tost nicht entgangen, der sich besonders über die vielen gewonnenen Zweikämpfe freut: "Das war vom Team eine sehr starke Leistung", freut sich der Österreicher. "Das kann man anhand der Tatsache sehen, dass unsere Fahrer nicht weniger als sechs Autos überholt haben - mehr als jedes andere Team heute Nachmittag!" Nur bei den Boxenstopps (mit Ein- und Ausfahrt) fehlt immer noch durchschnittlich gut eine Sekunde auf die Besten...