Maldonado lässt Pole-Duell Hamilton vs. Vettel platzen
Pastor Maldonado sprengt in Singapur das erwartete Pole-Duell, hat aber keine Chance gegen die überlegene Qualifying-Performance von Lewis Hamilton
(Motorsport-Total.com) - Mit einer faustdicken Überraschung endete das heutige Qualifying zum Grand Prix von Singapur: Zwar lieferten sich Topfavorit Sebastian Vettel (Red Bull) und Lewis Hamilton (McLaren) in Q1 und Q2 das erwartete Pole-Position-Duell, doch im Top-10-Finale erhielten die beiden unerwartete Gesellschaft. Denn nicht Vettel, sondern Williams-Pilot Pastor Maldonado wird morgen um 20:00 Uhr Ortszeit neben Polesetter Hamilton ins Nachtrennen starten.
Maldonado steigerte sich in den drei Sessions sukzessive von P12 (1:49.494 Minuten) auf P6 (1:47.602 Minuten) und schließlich auf P2 (1:46.804 Minuten). Williams-Fahrermentor Alexander Wurz führt das auf die verbesserte Lenkradarbeit seines Schützlings zurück: "Bravo, Pastor! Platz zwei im Qualifying ist mega." Und Maldonado selbst freut sich: "Uns ist es gelungen, das Auto während des Qualifyings so hinzubekommen, dass die Balance nach meinem Geschmack ist."
Trotzdem reichte es nicht ganz, um nach Barcelona zum zweiten Mal auf die Pole-Position zu fahren - auf Hamiltons Zeit von 1:46.362 Minuten fehlten 0,442 Minuten. "Hamilton ist heute unantastbar", twitterte das Ferrari-Team schon vor den entscheidenden Finalruns auf Supersoft-Reifen im dritten Qualifying - und sollte damit Recht behalten. Nicht einmal Vettel konnte ihn ernsthaft gefährden - vielleicht auch, weil der Deutsche im dritten Sektor seine Dominanz aus den Trainings nicht hinüberretten konnte.
Letzter Sektor als Schlüsselstelle?
37,0 Sekunden benötigte der Vorjahressieger für den Schlussabschnitt, den Hamilton in 36,7 Sekunden meisterte. Und während sich Hamilton von 1:46.665 (Q2) auf 1:46.362 Minuten (Q3) steigern konnte, wurde Vettel langsamer - von 1:46.791 auf 1:46.905 Minuten. Dabei hatten sie sich in Q1 und Q2 noch einen harten Kampf geliefert, als zuerst Vettel um 45 und dann Hamilton um 126 Tausendstelsekunden schneller war.
"Ich bin ein bisschen enttäuscht", gibt der Weltmeister, der zuvor in allen drei Freien Trainings Bestzeit erzielt hatte, zu. "Ich weiß nicht, weshalb es uns nicht gelungen ist, in Q3 einen weiteren Schritt zu machen. Platz drei ist trotzdem eine gute Startposition. Das Rennen am Sonntag ist lang und es kann vieles passieren. Die Pace ist da, das haben wir im Verlauf des Wochenendes unter Beweis gestellt. Es hat am Ende aber nicht zusammengepasst."
Hamiltons Überlegenheit in Q3 war so drückend, dass er sich den zweiten Run auf frischen Supersoft-Reifen auch sparen hätte können - umso mehr, als dieser bei einem sanften Mauerkuss beinahe fatale Folgen gehabt hätte! Aber der robuste McLaren überstand die Berührung, sodass sich das britische Team über einen erfolgreichen Tag freuen kann, denn auch Jenson Button (+0,577) fuhr als Vierter ein positives Ergebnis ein.
McLaren-Dominanz immer eklatanter
Und: Zum ersten Mal seit 1999 hat McLaren vier Pole-Positions hintereinander geholt! "Die Jungs haben die gesamte Woche über klasse Arbeit geleistet", jubelt Hamilton. "Wir waren nicht sicher, wo wir im Vergleich zu den anderen stehen würden. Sebastian war in den meisten Sessions unglaublich schnell. Ich freue mich sehr, dass es uns gelungen ist, diese Zeit aus dem Auto herauszuholen. Damit bin ich sehr zufrieden, denn es ist unheimlich schwierig hier."
Ferrari-Pilot Fernando Alonso ("Sind einfach nicht schnell genug") erreichte mit Platz fünf und der dritten Startreihe genau das von der Scuderia als realistisch eingeschätzte Ziel. Dem WM-Leader fehlten neun Zehntelsekunden auf die Spitze und drei auf Button, während er nach hinten nur 0,025 Sekunden Puffer zu Paul di Resta hatte. Letzterer war übrigens der einzige Force-India-Pilot im Top-10-Finale - Nico Hülkenberg wurde in Q2 in letzter Minute noch von Michael Schumacher (Mercedes) verdrängt.
Hülkenberg nach P11 enttäuscht
"Ich bin gar nicht zufrieden, das ging mächtig in die Hose", ärgert sich Hülkenberg. "Wir haben definitiv ein Q3-Auto. Mein erster Run in Q2 war ziemlich komprimiert. Wir sind ziemlich spät herausgefahren und die ganzen Jungs, die auf einer fliegenden Runde waren, sind auf meiner Out-Lap an mir vorbeigefahren. Ich musste im letzten Sektor fast stehenbleiben. Dadurch sind die Reifentemperatur und der Druck in den Keller gefallen. Und die zweite Runde war auch nicht perfekt."
Unter Umständen könnte er noch um einen Platz aufrücken, denn dem siebtplatzierten Mark Webber (Red Bull/+1,113) blüht möglicherweise eine Rückversetzungs-Strafe. "Ich startete meine fliegende Runde, kam durch die erste Kurve und sah, dass er aus der Box kommt", schimpft "Blockade-Opfer" Timo Glock. "Er hat dann zu Kurve drei hin beschleunigt und ist mir vor das Auto gefahren. Er hat mir so meine Runde kaputtgemacht. Ich habe dort drei Zehntel verloren."
Davon würde auch Romain Grosjean (8./Lotus) profitieren, der Teamkollege Kimi Räikkönen (12.) bei der Rückkehr nach einem Rennen Sperre in Q2 sieben Zehntelsekunden einschenkte. Die Q3-Runde samt (erneutem) Mauerkuss war aber bestenfalls suboptimal: Der Franzose habe "mit der Brechstange" agiert, analysiert Experte Marc Surer. Und: "Er fährt zu eckig. Unter Druck ist der Kerl einfach... Aber Kimi hat er heute brutal eingeteilt, das muss man ihm lassen!"
Taktisches Spielchen der Silberpfeile
Räikkönen klagte über "einfach keinen Grip" in Q2, ist aber zufrieden, dass sich der Lotus heute "schon viel besser" anfühlte als gestern. Seine Aussicht auf dem Grid wird silbern sein: Die Silberpfeil-Stars Schumacher und Nico Rosberg zogen ins dritte Qualifying ein, setzten dort aber keine Zeit, um für morgen freie Reifenwahl zu haben. Während die Top 8 gezwungen sind, auf den roten Supersofts zu starten, können die beiden theoretisch auch mit den gelben Soft-Pirellis losfahren.
"Wir hätten sicher die Möglichkeit gehabt, noch ein oder zwei Plätze weiter nach vorne zu fahren, wobei das bereits schwierig gewesen wäre", begründet Schumacher die taktische Entscheidung. "Die neuen Reifen und die Freiheit bei der Strategie, mit welchem Reifen wir das Rennen beginnen, ist für uns wichtiger als eventuell zwei Plätze weiter vorne zu stehen. Wir haben uns das schon vorher überlegt. Unsere Entscheidung war die beste Variante."
Felipe Massa (Ferrari) wurde 13., gefolgt von Sergio Perez (Sauber) und den beiden Toro-Rosso-Junioren. Bruno Senna (17./Williams) schaffte es zwar, in Q1 Kamui Kobayashi (18./Sauber) den frühzeitigen Todesstoß zu versetzen, schmiss dann aber in Q2 sein rechtes Hinterrad gen Leitplanke. Generell war die Fehlerquote insbesondere im ersten Qualifying-Abschnitt deutlich größer als in den Freien Trainings. "Da spürt man die Hektik", so Surer.
Glock: Wieder keine Chance gegen Caterham
Ganz hinten blieb trotz des angekündigten Marussia-Angriffs alles beim Alten: Witali Petrow gewann zwar überraschend das Caterham-Stallduell, obwohl er im Abschlusstraining noch Schrott fabriziert hatte, aber Glock fehlten unterm Strich doch wieder 0,233 Sekunden auf Heikki Kovalainen. Immerhin behielt der Deutsche gegen Charles Pic, der bereits im Vorhinein eine 20-Sekunden-Strafe für das morgige Rennen kassiert hat, um vier Zehntelsekunden die Oberhand.
Aus Sicht von Vettel gilt es, den verloren gegangenen Speed zu finden, um in der heißen Phase des WM-Fights nicht den Anschluss zu verlieren. Aber hängende Köpfe sucht man bei Red Bull vergebens: "Platz drei ist keine Katastrophe", relativiert Teamchef Christian Horner. "Wir haben immerhin Fernando und Kimi hinter uns." Aber Maldonado, der in den Augen vieler Experten eine tickende Zeitbombe ist, direkt vor ihnen...