Monza: Hamilton siegt, Perez macht die Show
McLaren-Pilot Lewis Hamilton feiert seinen ersten Monza-Sieg - Sergio Perez mit großartiger Aufholjagd, Fernando Alonso auf dem Podium - Sebastian Vettel im Pech
(Motorsport-Total.com) - Die Formel-1-Saison hat sich mit dem Grand Prix von Italien aus Europa verabschiedet. Beim Rennen in Monza gab es für die italienischen Fans alles, was man sich nur wünschen kann: Sonne, qualmende Reifen, harte Duelle und einen Ferrari-Piloten auf dem Podest. Aber auch in Großbritannien wird man vor dem Flug zu den Überseerennen noch einen genüsslichen Schluck trinken. Lewis Hamilton (McLaren) siegte in Monza souverän vor Sergio Perez (Sauber) und Fernando Alonso (Ferrari) und sprang damit in der Fahrerwertung auf Rang zwei. Kurios: Es standen somit drei Piloten auf dem Podium, die eine Woche zuvor in Spa in der ersten Kurve abgeräumt worden waren.
Den Briten konnten Fernsehzuschauer nur beim Start und in den letzten drei Runden sehen, dazwischen fuhr der Weltmeister von 2008 unauffällig schnell und locker in Front. Die große Show spielte sich dahinter ab. McLaren-Teamkollege Jenson Button lag bis kurz vor der Halbzeit auf Rang zwei, aber er musste seine Hoffnungen in Runde 23 begraben. Der MP4-27 des Champions von 2009 rollte aus. "Da tut sich nichts mehr", so Button im Funk. Ein Problem mit dem Benzindruck verhinderte den Doppelsieg für das Team.
Mit dem Ausfall von Button öffnete sich für die Lokalhelden von Ferrari die goldene Tür zum Podest. Urplötzlichen lagen Felipe Massa und Fernando Alonso auf den Rängen zwei und drei. Richtig gelesen: Der Brasilianer hatte sich lange Zeit vor dem WM-Leader halten können. Massa war beim Start sogar an Button vorbeigekommen, hatte den Briten aber nach 19 Umläufen wieder ziehen lassen müssen. Es folgte einer dieser berühmten Ferrari-Funksprüche.
Und wieder ein Ferrari-Funkspruch
"Überleg mal, wie du die Reifen schonen könntest. Fernando liegt hinter dir", lautete die Ansage von Renningenieur Rob Smedley an seinen Schützling Massa. Und siehe da: Der Wasserträger, der noch um eine Vertragsverlängerung bei den Roten kämpft, rollte fortan etwas gemütlicher um die schnelle Strecke. Es dauerte nur wenige Kilometer, bis Alonso an seinem (Noch-)Teamgefährten vorbei war. Die Ferraris hatten in den Runden 20 (Massa) und 21 (Alonso) auf die härteren Pneus geweselt und wollten die Podestplätze auf diesen Walzen ins Ziel bringen.
Dabei hatten die Roten die Rechnung ohne den Kunden aus der Schweiz gemacht. Sergio Perez hatte sich in der ersten Rennhälfte als einer der wenigen Starter auf härteren Pneus munter nach vorne gekämpft. Der Mexikaner war über die Distanz gesehen der schnellste Mann in Monza. Dies bekam später auch noch Rennsieger Hamilton zu spüren, aber nach seinem Wechsel auf die Medium-Reifen kämpfte sich Perez zuerst an Kimi Räikkönen (Lotus) vorbei. Dann fiel er über die Ferraris her.
"Du musst schneller werden", appellierte Smedley eben noch an Massa, als dieser auch schon Perez wie einen Pfeil an sich vorbeifliegen sah - keine Chance für den Brasilianer. Der Sauber-Mann trat weiter kräftig auf das rechte Pedal und nutzte den Grip seiner frischeren Reifen perfekt aus. Nur zwei Runden nach dem Überfall auf Massa war Alonso fällig - mit Leichtigkeit ließ der Youngster den Erfahrenen alt aussehen. Am Auto von Alonso passte jedoch nicht mehr alles, heißt es von Ferrari.
Button im Pech: Benzinpumpe defekt
Nach dem Manöver gegen den kampfstarken Asturier wurden auch die schlafenden McLaren-Hunde plötzlich wieder wach. "Perez fährt auf Platz zwei rund eine Sekunde schneller als du. Du müsstest mal ein paar Zehntel zulegen", bat man Hamilton. Der spätere Rennsieger war allerdings kaum in der Lage, noch eine Schippe draufzulegen. Konsequenzen hatte dies nicht, denn der Abstand reichte für eine gemütliche Verwaltung. Bei der Zieldurchfahrt hatte Hamilton noch 4,3 Sekunden Vorsprung auf Perez.
"Fantastisch, hier zu gewinnen", jubelt Hamilton den Fans bei der Siegerehrung zu. Es war sein erster Monza-Erfolg überhaupt. "Wir hatten ein super Wochenende. Die Jungs haben klasse Arbeit geleistet. Schade für Jenson. Es gab ein Problem mit dem Benzindruck. Sonst hätten wir einen Doppelsieg eingefahren. Es war nicht perfekt, aber wir genießen den Tag trotzdem", bilanziert McLaren-Teamchef Martin Whitmarsh nach einem Sonntag, der sein Team in der Teamwertung näher an Platz eins brachte.
"Das war ein tolles Rennen für mich und mein Team. Ich war erst auf den härteren Reifen, habe spät gestoppt und bin dann mit den weicheren Pneus gefahren", erklärt Perez nach der Zieldurchfahrt seine Taktik und seine Emotionen. "Ein fantastisches Gefühl heute", stimmt Sauber-Geschäftsführerin mit in die Schwärmerei ein. "Nach dem Qualifying war so etwas nicht zu erwarten." Der Sauber stellte wieder einmal unter Beweis, dass er besonders gut in Sachen Reifennutzung ist.
Für den größten Jubel und ein rotes Fahnenmeer sorgte Alonso, der nach einem verkorksten Qualifying von Startplatz zehn noch bis auf das Podest fahren konnte. "Das waren enorm wichtige Punkte", so der Spanier erleichtert. Umso wertvoller, weil Verfolger Sebastian Vettel eine Nullnummer schrieb. "Es war ein schwieriges Rennen vom zehnten Startplatz. Wir waren sicher, dass wir im Rennen das stärkste Auto haben. Mit diesem Auto hat es gut geklappt. So wollen wir weitermachen."
Red Bull erlebt rabenschwarzen Sonntag
Allerdings hing der Podesterfolg des WM-Leaders am seidenen Faden. In der ersten Rennhälfte boten sich Alonso und Vettel eine herzhafte Schlacht, die - wieder einmal - in Staub und Diskussionen münderte. Bei seinem Versuch an Vettel vorbeizuziehen sah man Alonso plötzlich in der Wiese. Ein Abziehbild der Situation von Monza 2011, allerdings diesmal mit Konsequenzen. Vettel wurde von den Kommissaren wegen unfairer Fahrweise zur Durchfahrtsstrafe gebeten.
"Nach der Aktion mit Vettel gab es ein Problem mit der Aufhängung. Es war so gesehen ein schwieriger Tag", erklärt Ferrari-Teamchef Stefano Domenicali nach dem Rennen. Allerdings dürfte der Italiener mit dem Ergebnis gut leben können. Seine beiden Piloten Alonso (3.) und Massa (4.) holten ordentlich Punkte, während Red Bull an diesem Sonntag komplett leer ausging. Vettel fiel zuerst wegen der Strafe zurück, wenig später dann ganz aus.
"Lichtmaschine", erklärt Vettel resigniert. "Das gleiche Problem wie am Samstagvormittag. Es ist schade, es wären wichtige Punkte gewesen. In solchen Rennen, wo man nicht der Schnellste ist, muss man die Punkte mitnehmen. Das ist uns nicht gelungen. In dem Moment war ich sehr sauer über die Strafe. Wir waren aber sowieso nicht schnell genug, um Fernando zu halten." Das Red-Bull-Debakel machte Mark Webber perfekt. Der Australier stellte seinen RB8 nach einem Highspeed-Dreher nach der vorletzten Runde an der Box ab.
Von den Ausfällen der beiden "Bullen" profitierten Kimi Räikkönen (Lotus), der mit solidem Rennspeed den fünften Rang ins Ziel brachte, und auch beide Mercedes-Piloten. Michael Schumacher (6.) und Nico Rosberg (7.) waren als einzige Punktgewinner des Tages auf einer Zweistopp-Strategie unterwegs und konnten den jeweils guten Speed des Mercedes auf frischeren Reifen gut ausnutzen. Die beiden Silbernen lagen über weite Strecken direkt hintereinander.
WM-Wertung: Hamilton jetzt auf Platz zwei
"Noch eine Runde mehr und ich wäre Vierter geworden, wenn das Wörtchen 'wenn' nicht wäre. Wir haben uns definitiv verbessert. Das ist natürlich erfreulich", bilanziert Schumacher, der sich am Ende noch über Räikkönen hermachen wollte. "Ich glaube nicht, dass es ein grundlegender Fortschritt war, sondern eher auf die Strecke zu schieben ist. Wir müssen zusehen, dass wir neue Teile bringen, was in Singapur auch der Fall sein wird. Hoffentlich machen wir dann wieder einen Sprung", zeigt sich Rosberg nicht ganz so optimistisch. Immerhin: Der Weltmeistersohn markierte auf den letzten Drücker noch die schnellste Rennrunde.
Hinter den beiden Silberpfeilen holte sich Paul di Resta (8.) wichtige Punkte. Dessen Teamkollege Nico Hülkenberg, der nach einem Technikdefekt im Qualifying von ganz hinten gestartet war, bot zu Beginn des Rennens eine starke Aufholjagd. Allerdings fand diese ein enttäuschendes Ende. Der Emmericher musste seinen Force India mit Defekt in der Box parken. Ein weiterer Ausfall war Jean-Eric Vergne (Toro Rosso), der sich wegen eines Aufhängungsbruchs spektakulär von der Piste drehte - bei Tempo 300 km/h.
Hinter di Resta sammelten Kamui Kobayashi (Sauber) und Bruno Senna (Williams) die letzten Punkte ein. Der Brasilianer schob sich im allerletzten Moment noch auf Rang zehn. Ebenso wie Teamkollege Pastor Maldonado (11.) ging er in der letzten Runde an Toro-Rosso-Pilot Daniel Ricciardo vorbei, der in Problemen steckte. Timo Glock (Marussia) musste wegen eines Frontflügelschadens nach einer Berührung beim Start früh zum Stopp und kam als 17. ins Ziel.
In der Fahrerwertung ist Fernando Alonso (179 Punkte) nach dem letzten Europarennen immer noch an der Spitze. "Das ist gut. Nun kommen bald noch einige Strecken, die uns liegen werden. Zum Beispiel in Japan", meint der Ferrari-Frontmann zufrieden. Bester Verfolger ist nun Lewis Hamilton (142) vor Kimi Räikkönen (141) und Sebastian Vettel (140). In der Teamwertung rückt McLaren (243 Punkte) der Konkurrenz von Red Bull (272) immer mehr auf die Pelle.