Alonso erstmals k.o.: Button gewinnt in Belgien
Herzschlag-Momente in Spa-Francorchamps: Alonso Opfer von Horror-Startcrash, Räikkönen mit Wahnsinns-Manöver in Eau Rouge, Button verdienter Sieger
(Motorsport-Total.com) - Schwarzer Tag für Fernando Alonso in den Ardennen: Während der Ferrari des WM-Leaders gleich am Start abgeschossen wurde, holten seine Verfolger Sebastian Vettel (2./Red Bull), Kimi Räikkönen (3./Lotus) und Mark Webber (6./Red Bull) allesamt wichtige Punkte. Großer Sieger des Grand Prix von Belgien in Spa-Francorchamps ist aber Jenson Button (McLaren), der an seine dominante Qualifying-Performance anknüpfte und einen souveränen Start-Ziel-Sieg feierte.
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Jenson Button feiert im 50. Rennen für McLaren seinen zweiten Saisonsieg Zoom Download
Der Brite absolvierte die 44 Runden auf der 7,004 Kilometer langen Berg- und Talbahn in 1:29:08.530 Stunden und hatte bei der Zieldurchfahrt 13,6 Sekunden Vorsprung auf Vettel. Die beiden waren neben Charles Pic (16./Marussia) die Einzigen, die auf eine Einstoppstrategie setzten, und bewiesen damit den richtigen Riecher. Den Grundstein für den Sieg legte Button aber schon mit seinem hervorragenden Start, bei dem er nicht einmal ansatzweise gefährdet war, die Führung zu verlieren.
Es lag schon etwas in der Luft, als bei Kamui Kobayashi (Sauber) nach der Aufwärmrunde die Bremsen qualmten, und tatsächlich kam der Japaner dann nur ganz langsam von der Linie weg - ganz im Gegensatz zu Pastor Maldonado, der einen glatten Fehlstart hinlegte: "Mir ist die Kupplung aus den Fingern gerutscht, bevor die roten Lichter ausgingen", entschuldigt sich der Williams-Pilot. Aber was sich rundherum abspielte (Zur Fotostrecke!), beschreibt Experte Marc Surer nur mit einem Wort: "Horror!"
Grosjean Übeltäter beim Startcrash
Beim Startcrash gingen gleich vier Autos k.o.: "Grosjean war der Auslöser, alles andere war eine Folge davon", analysiert Surer. "Hamilton kann nicht mehr bremsen, weil er aufs Gras gedrückt wird. Er verliert den Frontflügel und steigt auf, und Grosjean fliegt über Alonso hinweg. Dass Alonso nichts passiert ist, ist ein Riesenglück." Der Spanier wusste erst nicht, wie ihm geschehen war, und blieb noch ein Weilchen im Auto sitzen, ehe er unter Beifall des Publikums ausstieg.
"Sobald Autos durch die Luft fliegen, kann einen etwas am Helm treffen oder man kann sich die Hand verletzen, wenn sie aus dem Auto schaut", beschreibt Surer das Gefahrenpotenzial des Crashs, der zum Glück für alle glimpflich ausgegangen ist. Auch Alonso gab bereits kurz danach via Twitter Entwarnung: "Mir geht's gut, ich denke schon an Monza." Die "Schmerzen" waren wohl bei Sauber am größten, weil beide Autos schon nach wenigen Sekunden aus der Entscheidung waren.
Während das Safety-Car das Feld für vier Runden einsammelte, bot sich den Zuschauern ein kurioses Bild: Polesetter Button führte vor Räikkönen, den beiden Force Indias, Mercedes-Jubilar Michael Schumacher (300. Grand Prix) und den beiden Toro Rossos. Und aus deutscher Sicht sollte sich das Rennen gut entwickeln, denn Hülkenberg (einer von zwei Fahrern auf harten Reifen) ging relativ locker an Räikkönen vorbei, Schumacher wenig später an di Resta.
Vettel mit guter Strategie und tollen Manövern
Etwas weiter hinten holte Vettel zu einer tollen Aufholjagd aus, die ihn vom zehnten auf den zweiten Platz bringen sollte. "Der Start war nicht so gut", berichtet der Vorjahressieger. "Nach den ersten Kurven, wo viele Autos abgeflogen sind, war es ziemlich verrückt. Glücklicherweise sind wir mit einer fantastischen Strategie zurückgekommen." Die ersparte ihm das Überholen des einen oder anderen Gegners, was beim kurz übersetzten siebten Gang des Red Bull ohnehin haarig gewesen wäre.
Überholen auf der Kemmel-Geraden war für Vettel unmöglich - auch, weil in der Gruppe alle DRS aktivieren konnten. Also legte er sich Felipe Massa (Ferrari), Teamkollege Mark Webber und Bruno Senna (Williams) stattdessen in der Bus-Stop-Schikane zurecht, wo er in der 19. Runde auch Schumacher attackierte. Der bremste aber spät, verteidigte seine Position mit stehenden Rädern - und bog dann vor Vettels Nase an die Box ab!
Schumacher fühlt sich nicht schuldig: "Sebastian hat versucht, mich dort anzugreifen. Das wollte ich natürlich verhindern, weil ich eine schöne Einfahrt in die Box haben wollte, ohne noch in ein Überholmanöver verwickelt zu werden. Dadurch, dass mein Rad stehenblieb, habe ich nicht ganz die Ideallinie getroffen, hatte aber weiterhin die Absicht, in die Box zu fahren. Ich habe gesehen, dass Sebastian mitgespielt und aufgepasst hat. Insofern war das eine relativ klare Sache."
Horner nimmt Schumacher in Schutz
"Ein Rennzwischenfall", nimmt auch Red-Bull-Teamchef Christian Horner gelassen, dass sein Fahrer hart in die Eisen steigen musste, um eine Kollision zu vermeiden, obwohl Experte Surer findet: "Das war schon hart an der Grenze, was Michael da gemacht hat." Vettel scheint auf seinen Kumpel Schumacher jedoch nicht sauer zu sein, wenn er sagt: "Ein fantastisches Rennen, bei dem ich viel Spaß hatte, mit vielen Konkurrenten und mit Michael zu kämpfen."
Vettel kam in der 21. von 44 Runden an die Box, um von Medium auf Hard zu wechseln, also eine Runde nach Spitzenreiter Button, der von da an nichts mehr anbrennen ließ. "Diese Strecke ist so speziell für die meisten Fahrer", freut er sich über seinen ersten Sieg in Spa-Francorchamps. "Der Fluss, den sie bietet, und die Geschichte hier - hier einen Start-Ziel-Sieg zu landen, ist etwas ganz Besonderes. Es war ja noch dazu kein einfaches Jahr für mich."
Dritter wurde Geheimfavorit Räikkönen, der bereits früh im Rennen instruiert wurde, nur 90 Prozent seines KERS zu verwenden. "Das Auto war nicht so, wie wir uns das gewünscht hatten", bestätigt der "Iceman". Als ihm sein Team trotzdem den Auftrag erteilte, im Finish etwas mehr zu pushen, um Verfolger Hülkenberg im schneller werdenden Force India in Schach zu halten, rotzte er nur in den Boxenfunk: "Dann gebt mir mehr Power!"
Wahnsinns-Überholmanöver von Räikkönen
Außerdem sorgte Räikkönen für die Szene des Tages, als er in der 34. Runde vielen Zuschauern das Herz in die Hose rutschen ließ und sich mangels Topspeed in der Anfahrt zu Eau Rouge (!) gnadenlos neben Schumacher setzte. Der siebenmalige Weltmeister war davon offensichtlich überrascht und ging ein wenig vom Gas, um einen Horrorcrash zu verhindern. Das wäre beinahe die Chance für Hülkenberg gewesen, auch an Schumacher vorbeizuziehen.
Als Mercedes den Deutschen dann doch ein zweites Mal an die Box holte ("Wir wechseln auf Plan B"), hatte sich das Problem für Hülkenberg erledigt. Der Force-India-Pilot reduzierte seinen Rückstand auf Räikkönen in den letzten fünf Runden noch von mehr als vier auf 2,5 Sekunden, feierte dann als Vierter sein bestes Formel-1-Ergebnis überhaupt. "Bei einem solchen Resultat können wir alle sehr stolz sein", strahlt er.
"Wenn andere Fehler machen oder Probleme haben, dann sind wir zur Stelle", sagt Hülkenberg, relativiert aber: "Wir stehen immer noch dort, wo wir vor der Pause waren. Der vierte Platz hört sich gut an, aber unser wahres Tempo haben wir gestern im Qualifying gesehen. Heute haben uns die Umstände in die Karten gespielt und wir haben keine Fehler gemacht. Wir müssen schon noch ein bisschen mehr tun, um so etwas auch aus eigener Kraft schaffen zu können."
Sechs von 24 Piloten ausgeschieden
Webber wurde letztendlich Sechster, unmittelbar vor Schumacher, den Toro-Rosso-Junioren Jean-Eric Vergne und Daniel Ricciardo, die ihr hohes Anfangstempo nicht ganz halten konnten, und Paul di Resta, der im Vergleich zu Teamkollege Hülkenberg heute blass aussah. Nico Rosberg im zweiten Mercedes-Silberpfeil schrammte um 1,3, Senna nach einem späten zweiten Boxenstopp um 7,7 Sekunden an einem WM-Punkt vorbei.
Insgesamt gab es beim zwölften Saisonrennen sechs Ausfälle: Heißsporn Maldonado rollte mit seinem schrottreifen Williams gleich nach dem Restart aus, Narain Karthikeyan setzte seinen HRT in die Reifenstapel. Romain Grosjean (Lotus), Hamilton, Sergio Perez (Sauber) und Alonso hatte es bereits bei der Startkarambolage erwischt. Für Alonso war es übrigens der erste Ausfall seit dem Grand Prix von Kanada 2011, dem er 23 Punkteresultate en suite hatte folgen lassen.
So gelang es seinen Konkurrenten dann auch, am Vorsprung in der Fahrer-WM zu knabbern. Alonso (164) hat zwar immer noch fast einen ganzen Sieg Puffer auf Vettel (140), doch mit Webber (132), Räikkönen (131) und Hamilton (117) hat er starke Gegner. Auch Button (101) ist durch seinen heutigen Sieg näher gerückt. Bei den Konstrukteuren führt weiterhin Red Bull (272) vor McLaren (218), Lotus (207) und Ferrari (199). Nächste Station: Monza, schon in einer Woche.