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Silberne erste Startreihe in China: Endlich Rosberg!
Kurioses Qualifying in Schanghai: Erste Reihe für die Silberpfeile, Kamui Kobayashi in Lauerstellung - und Weltmeister Sebastian Vettel schwer geschlagen...
(Motorsport-Total.com) - Nach dem Freitagstraining hatten wir Mercedes für das heutige Qualifying zum Grand Prix von China eine mögliche Sternstunde vorausgesagt - und die ist tatsächlich eingetreten! "Absoluter Hammer, ein gigantisches Gefühl", jubelt Polesetter Nico Rosberg. Sein Teamchef Ross Brawn bleibt nach der Sensation von Schanghai hingegen ganz gelassen: "Das ist nur ein kleiner Schritt. Es zählt das Rennen." Und das ist bekanntlich keine Silberpfeil-Stärke.
Aber Schanghai 2012 geht als erste Doppel-Pole des modernen Silberpfeil-Teams in die Geschichte der Formel 1 ein, denn der zweitplatzierte Lewis Hamilton (McLaren) wandert in der Startaufstellung wegen eines Getriebewechsels um fünf Positionen nach hinten. Ein Erfolg, auf den man in Stuttgart lange warten musste: Im 111. Qualifying seiner Karriere stellte Rosberg zum ersten Mal seit Juan Manuel Fangio 1955 in Monza wieder einen Mercedes-Silberpfeil auf den ersten Startplatz.
Mit nur einem Run zur ersten Pole
Und der 26-Jährige musste sich für diesen historischen Erfolg noch nicht einmal sonderlich anstrengen, sparte sich im dritten Qualifying sogar als einziger Pole-Position-Kandidat einen zweiten Run. "Die Runde ist mir voll aufgegangen", schwärmt er. Sogar Teamkollege Schumacher, mit mehr als einer halben Sekunde Rückstand Dritter, hatte bereits am Boxenfunk nach seinem ersten Q3-Versuch neidlos anerkannt: "Nicht schlecht."
"Ein außergewöhnlicher zweiter Sektor" war laut Teamchef Ross Brawn entscheidend, aber Rosberg, der nirgendwo sonst so oft geführt hat wie in Schanghai, setzte in allen drei Streckenabschnitten absolute Bestzeit. "Fantastisch, es ist wirklich gut gelaufen", strahlt der Deutsche, der bei einer FIA-Pressekonferenz zum ersten Mal in der Mitte sitzen durfte. "Es ist ein besonderes Gefühl. Ich freue mich darauf, als Erster ins Rennen zu gehen."
Schumacher, der gerne selbst die erste Mercedes-Pole der Formel-1-Neuzeit geholt hätte, zeigt sich als fairer Verlierer: "Das war eine phänomenale Rundenzeit. Ein bisschen überraschend, aber so ist es halt. Nico ist ein guter Qualifyer." Rosberg, ganz bescheiden: "Die Strecke kühlte ein wenig ab. Dadurch begannen unsere Reifen besser zu arbeiten. Ich habe vor dem letzten Run auch etwas Kleines geändert." Und strotzt nun vor Selbstbewusstsein: "Für mich beginnt die Saison hier neu!"
Mercedes im Qualifying überragend
Wie stark Mercedes heute war, beweist nicht nur die Tatsache, dass Rosberg auf einen zweiten Run verzichten konnte, sondern auch Schumacher musste am Ende nicht mehr alles geben. Im Wissen, dass er sowieso nicht auf Pole-Position fahren kann und er Hamilton wegen der Strafe kampflos überholen wird, konnte der 43-jährige Rekord-Weltmeister schon nach der ersten Zwischenzeit vom Gas gehen und jenen Reifensatz somit schonen.
Doch wo es Sieger gibt, da gibt es auch Verlierer - und das war heute zweifellos Sebastian Vettel: Der Schanghai-Sieger von 2009 musste an einem unglaublich umkämpften Nachmittag als Elfter schon in Q2 die Segel streichen - mit gerade mal 0,331 Sekunden Rückstand auf die Bestzeit seines Red-Bull-Teamkollegen Mark Webber! Auf den zehntplatzierten Malaysia-Sieger Fernando Alonso (Ferrari) fehlten ihm 49 Tausendstelsekunden.
"Es war kein Fehler in der Runde, ich war eigentlich zufrieden. Ich bin dreimal im Grunde die gleiche Rundenzeit gefahren", sucht der Titelverteidiger nicht nach Ausreden. "Viel hat nicht gefehlt, aber wir waren eben nicht schnell genug. Es war sehr eng. Schade, dass es nicht gereicht hat. Das ist natürlich doof." Dass Webber mit einem anderen Auspuffsystem unterwegs ist, sei keine Erklärung: "Ich möchte das gar nicht auf das Auto schieben."
Ratlosigkeit im Weltmeister-Team
"Wenn ich Sebastian wäre", analysiert der frühere Formel-1-Teamchef Eddie Jordan, "dann würde ich mir jetzt Mark Webbers Setup genau anschauen. Das ist nicht der Zeitpunkt, um verzweifelt zu werden, aber Platz elf für Vettel ist schon unglaublich. Doch bevor wir das überbewerten, erinnern wir uns daran, dass die Punkte erst im Rennen vergeben werden - und da kann alles passieren, wie wir in Malaysia gesehen haben."
Webber konnte im Schatten der Mercedes-Show in Q3 auch keine nennenswerten Akzente mehr setzen und musste sich mit dem siebten Platz zufrieden geben. In der Startaufstellung steht er damit direkt hinter Kimi Räikkönen (4./Lotus) und schräg versetzt hinter Jenson Button (5./McLaren), aber noch vor dem bestraften Hamilton. Achter wurde Sergio Perez (Sauber) vor Alonso und Romain Grosjean (Lotus), der als einziger Top-10-Fahrer keine Zeit fuhr.
Kobayashi darf vom Sieg träumen
Aber die eigentliche Sensation des Qualifyings war Kamui Kobayashi: Der in Malaysia noch fast unbemerkte Perez-Teamkollege hat sich bei einem Trainingslager in Tokio in Schuss gebracht, war das ganze Wochenende schnellster Sauber-Pilot und landete heute mit 0,663 Sekunden Rückstand auf Platz vier! Das bedeutet morgen die dritte Startposition. Im Gegensatz zu Perez konnte es sich der Japaner sogar leisten, in Q2 auf weiche Reifen zu verzichten.
"Es war großartig. Das Team hat wirklich ein tolles Auto gebaut", jubelt der von Schweizer Medien liebevoll "Kamuikaze" genannte Sauber-Pilot. "Ich bin wirklich zufrieden mit diesem Wochenende. Platz drei ist wirklich die Höhe. Das hatten wir nicht erwartet. Ich hoffe, dass ich auf das Podest komme. Ich muss an den Mercedes dranbleiben, das ist mein Ziel. Der Start ist die gefährlichste Phase des Rennens, also muss ich dort aufpassen."
Erstaunlich solide trat Felipe Massa (Ferrari) auf, der diesmal wieder die üblichen (und von Ferrari akzeptierten) drei Zehntelsekunden Rückstand auf Alonso hatte und Zwölfter wurde, vor dem Williams-Duo Maldonado/Senna. Nico Hülkenberg (Force India) verlor sein Stallduell gegen Paul di Resta, den er im dritten Freien Training noch knapp geschlagen hatte, diesmal klar um fast eine halbe Sekunde. Morgen wird der Deutsche als 16. ins Rennen gehen.
Niemand mehr 107-Prozent-gefährdet
In Q1 hatte es programmgemäß Caterham, Marussia und HRT erwischt - und Toro-Rosso-Junior Jean-Eric Vergne, der ausgerechnet gegen seinen Teamkollegen Daniel Ricciardo im Kampf um den rettenden 17. Platz um stattliche acht Zehntelsekunden den Kürzeren zog. Die 107-Prozent-Hürde (1:42.931 Minuten) stellte diesmal aber für niemanden ein Problem dar - selbst Narain Karthikeyan (HRT) blieb um fast zwei Sekunden darunter.
Timo Glock steckte seinen Trainingscrash von gestern gut weg, gewann das Stallduell gegen Charles Pic um eine halbe Sekunde und wurde wie erwartet 21. "Man sieht, dass wir im Moment Schritt für Schritt aufholen", freut er sich. "Es war trotzdem ein schwieriges Qualifying, weil das Auto gestern viel, viel besser war. Ich hatte gestern viel Vertrauen ins Auto. Heute war die Balance komplett anders, sehr viel Übersteuern. Für das Quali war es aber etwas besser."
Stinksauer indes Heikki Kovalainen (19./Caterham), der von Pastor Maldonado aufgehalten wurde und dies bei der Rennleitung anzeigte: "Es war unnötig von Pastor. Er war auf der Out-Lap und ich auf meiner ersten gezeiteten Runde." Maldonado sei auf der Gegengeraden auf dem Gas geblieben und hätte keine Anstalten gemacht, ihm Platz zu machen, klagt der Finne. "Er hat nicht nach hinten geschaut. Ein Anfängerfehler."
Mercedes für das Rennen nicht Favorit
Wenn die Wetterprognose hält - laut aktuellen Berichten soll es zwar über Nacht regnen, aber während des Rennens trocken bleiben -, könnte morgen eine ähnliche Reifenschlacht wie 2011 drohen. Das wäre kein gutes Omen für Mercedes, denn der aktuelle F1 W03 ist in dieser Saison einerseits wegen des F-Schachts, der nur im Qualifying zieht, andererseits aber auch wegen des hohen Reifenverschleißes noch kein "echter Racer".
"Es ist ganz klar, dass wir im Rennen nicht so gut sind wie im Qualifying. Das kann man nicht in ein paar Wochen ändern", weiß Polesetter Rosberg, hofft aber: "Kann sein, dass uns kühle Temperaturen ein bisschen helfen würden." Auch Schumacher gibt sich keinen Illusionen hin: "Es ist sicher eine Frage, ob wir diese Position halten können, aber wir werden es versuchen." Und Experte Marc Surer meint: "Dafür bräuchten sie Glück. Ich glaube, sie werden nach hinten durchgereicht."
Geheimfavorit könnte damit der siebtplatzierte Hamilton sein, der einzige Mehrfach-Sieger in Schanghai, der schon im Vorjahr eine tolle Aufholjagd gezeigt hat. Hamilton ist trotz seiner Rückversetzung in der Startaufstellung unverändert guter Dinge: "Wir haben eine gute Ausgangsposition", strahlt er Optimismus aus und betont: "Die Setup-Änderungen am Auto waren gut und wir sollten für die Longruns gut aufgestellt sein."