Brundle: "Schumachers Verteidigungsmanöver am Limit"
Ex-Pilot Martin Brundle nimmt die engen Manöver zwischen Vettel/Alonso und von Schumacher/Hamilton unter die Lupe - "Schumi" war in Monza am Limit
(Motorsport-Total.com) - Dank DRS war der diesjährige Italien-Grand-Prix in Monza keine Prozessionsfahrt, sondern es gab viele Zweikämpfe. In der Anfangsphase setzte sich Sebastian Vettel in der Curva Grande außen neben Fernando Alonso. Der Spanier ließ sich nach außen tragen und drückte den Deutschen etwas aufs Gras. Vettel ging nicht vom Gas und machte das Überholmanöver in der zweiten Schikane perfekt. Anschließend duellierten sich Michael Schumacher und Lewis Hamilton rundenlang. Während die Rennkommissare bei Alonsos Manöver ruhig blieben, wiesen sie Mercedes an, dass Schumacher die Linie halten solle.
Ex-Pilot Martin Brundle hat sich seine Gedanken zu diesen Vorfällen gemacht. "Vettel ist ein entschlossener und sehr intelligenter Sportler, der viel vom Team und von sich verlangt. Die Tränen auf dem Podium zeigten, dass er kein Roboter ist. Sein Auftreten und sein großer Enthusiasmus machen ihn zu einem der angenehmsten Gesprächspartner im Paddock. Ich habe das Vorurteil aber nie verstanden, dass er nur mit einem überlegenen Auto gewinnen kann."
"Sein Überholmanöver gegen Alonso mit über 300 km/h und den Rädern in der Wiese, sollten das endgültig aus der Welt schaffen. Alonso hat später zugegeben, dass das Manöver etwas zu hart war und hat sich bei Vettel entschuldigt. Ich schätze, ihm tat immer noch das Manöver von Mark Webber in der Eau-Rouge vor zwei Wochen weh", schreibt Brundle in seiner Kolumne bei der 'BBC'. "Alonsos Entschuldigungen waren aber nicht genug, denn nach dem Rennen hat Vettel offiziell bei den Kommissaren angefragt, dass sie sich die Situation ansehen sollen."
"Überraschenderweise wurden sie nicht nach einer Stellungnahme bezüglich Schumachers Verteidigung gegen Hamilton gefragt. Ein Kommissar hat mir gesagt, dass er sehr frustriert war, weil er während des Rennens nicht nach seiner Meinung befragt wurde. Ich habe dann Renndirektor Charlie Whiting gefragt, ob Kommissare von sich aus ein Vorkommnis zur Sprache bringen können. Whiting sagte, dass es absolut möglich sei."
"Passiert ist Folgendes: Die Rennleitung hat mit dem Team gesprochen und eine Warnung ausgegeben. Das führte zu den beiden Funksprüchen von Teamchef Ross Brawn an Schumacher. Das hat zweifellos bestätigt, dass Schumacher aggressiv und in einer fragwürdigen Art gefahren ist", findet Brundle. "Man muss aber sagen, dass Teams und Fahrer das in der Vergangenheit akzeptiert haben und nicht sofort eine Strafe forderten."
"In den Regeln steht klar, dass man einen anderen Fahrer nicht von der Strecke drängen darf." In Ungarn bekam beispielsweise Hamilton eine Durchfahrtsstrafe, weil er das Auto nach einem Dreher herumwarf und deshalb Paul di Resta ausweichen musste. Dieser Zwischenfall wurde als von der Strecke drängen gewertet. "Man hätte zumindest untersuchen sollen, ob das bei Alonso gegen Vettel und Schumacher gegen Hamilton auch der Fall war", sagt Brundle.
"Die Regel, wonach man nur einmal die Linie wechseln darf, kann von Fall zu Fall schwierig zu bewerten sein. Ist es ein Block, wenn man ein Auto aus dem Windschatten abschütteln will und auf der Geraden Zickzack fährt? Schumachers zweitrangige Verteidigungsmanöver haben die Limits an die absolute Grenze verschoben. Er hatte Glück, dass er davon gekommen ist."
"Es gab mehrere fragwürdige Manöver. Da war die Bremszone zur Ascari-Schikane, das Manöver in der Curva Grande, wo er Hamilton aufs Gras drückte, und der zweifache Spurwechsel von der zweiten Schikane in die erste Lesmo-Kurve." Abgesehen von der zu kurzen Übersetzung fuhr Hamilton in Monza nicht mit der Brechstange.
Brundle meint dazu: "Jenson Button hat das Duo in ein paar Kurven überholt. Hamilton hat klargemacht, dass er das Rennen beenden wollte. Manchmal bekommt man einen psychologischen Block, wenn man an einem bestimmten Tag einem bestimmten Fahrer folgt. Ich kenne das Gefühl."
"Ich kenne auch das Gefühl, wenn man auf der anderen Seite von Schumachers Manövern ist, speziell als wir Teamkollegen waren. Er hat mich in Ungarn 1992 voll in die Wiese gedrängt. Hätte ich Schumacher in Monza bestraft? Nein, weil wir Rennen von hoher Qualität brauchen. Es soll da draußen hart zugehen. Eine Verwarnung wäre angebracht gewesen."
Speziell bei den hohen Geschwindigkeiten in Monza können Blockiermanöver tödlich enden. Wenn sich die freistehenden Räder berühren, weiß niemand wo die Flugreise hingeht, wie man bei Webber in Valencia 2010 gesehen hat. "Es geht nicht darum, dass man einen Fahrer bevorzugt, sondern ab den Nachwuchsklassen wird früher oder später ein Fahrer oder ein Streckenposten sterben, oder ein Auto fliegt in die gefüllten Tribünen", stellt Brundle klar.