• 24. Juli 2011 · 15:43 Uhr

Toller Dreikampf: Hamilton triumphiert in Deutschland!

Lewis Hamilton setzt seine Galavorstellung fort und krönt sich vor Alonso und Webber zum "Nürburg-King" - Sebastian Vettel rettet immerhin noch Platz vier

(Motorsport-Total.com) - "Phänomenaler Hamilton lässt McLaren hoffen" lautete gestern nach dem Qualifying auf dem Nürburgring eine unserer Schlagzeilen - und der 26-jährige Brite hat beim heutigen Grand Prix von Deutschland Wort gehalten: Lewis Hamilton setzte sich nach einem packenden Dreikampf vor Fernando Alonso (Ferrari) und Mark Webber (Red Bull) durch und feierte den insgesamt 16. Sieg seiner Formel-1-Karriere.

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Galavorstellung: Lewis Hamilton sicherte sich den Sieg auf dem Nürburgring Zoom Download

Nach der McLaren-Pleite von Silverstone und dem eher ernüchternden Freitagstraining hatte Hamilton zunächst noch ausgeschlossen, in der Eifel auf Pole-Position fahren zu können. Gestern fuhr er jedoch dank einer Fabelrunde sensationell in die erste Reihe (nur 0,055 Sekunden hinter Polesetter Webber) und heute wurde er seinem Ruf als erstklassiger Racer einmal mehr gerecht. Denn in den entscheidenden Situationen ließ er seinen Gegnern keine Chance.

Hamilton schwebt auf Wolke sieben

Hamilton gewann nach 60 Runden 3,9 Sekunden vor Alonso, fuhr in 1:34.302 Minuten auch die schnellste Runde im Rennen - also ein Erfolg auf allen Linien: "Jeder Sieg ist besonders, aber die Emotionen sind heute besonders groß. Wenn du dich so hart anstrengst und dann wieder gewinnst, dann ist das kaum zu beschreiben", jubelt der zuletzt oftmals kritisierte McLaren-Pilot. "Ich fühle mich einfach großartig. Das war eines der besten Rennen, die ich jemals gefahren bin!"

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Innen spät gebremst: Lewis Hamilton startet wie schon 2009 am besten Zoom Download

Damit stahl er dem Favoriten der Herzen, Sebastian Vettel (Red Bull), die Show. Der Lokalmatador erwischte keinen perfekten Start, wurde in der ersten Kurve zwischen den beiden Ferraris eingeklemmt und musste zurückstecken, als Alonso seine Nase recht kompromisslos hineinsteckte. Also führte zunächst Hamilton vor Webber, Alonso und Vettel, von dem man heute mehrmals den Eindruck hatte, dass er nicht allerletztes Risiko ging.

"Mit 80 Punkten Vorsprung kann man auch so agieren, keine Frage", zeigt 'Motorsport-Total.com'-Experte Hans-Joachim Stuck Verständnis für die Zurückhaltung des WM-Leaders. "Und wir haben schon 1.000 Mal gesagt: Der Druck ist beim Heimrennen am größten. Trotzdem hat er die Punkte mitgenommen und er ist weiterhin auf WM-Kurs." Nach dem ersten Nicht-Podium der Saison immer noch mit 77 Zählern Vorsprung auf Webber.

Vettel gesteht Fahrfehler ein

In den ersten Runden lieferten sich Alonso und Vettel einen Schlagabtausch: Zuerst leistete sich Alonso in der Mercedes-Arena einen Schnitzer, den Vettel nutzte, dann folgte in der achten Runde vor der NGK-Schikane der eiskalte Konter des Spaniers. In Runde neun eine Riesenschrecksekunde für die deutschen Fans, als sich Vettel drehte - und dadurch den Anschluss an das Führungstrio, aber zumindest keine Position verlor.

"War ein Fehler von mir, muss ich auf meine Kappe nehmen", gesteht Vettel, der mit dem heutigen Tag "nicht zufrieden" ist. "Ich war dort ein bisschen zu weit rechts. Man versucht natürlich, so weit wie möglich auszuholen, aber der Dreher hat nicht geholfen. Man geht ans Limit. Ich war jede Runde auf der weißen Linie drauf, aber dieses eine Mal zu weit draußen. Im Trockenen macht das nichts aus, im Nassen halt schon."


Fotos: Großer Preis von Deutschland


Vorne fuhr der D-Zug mit Hamilton, Webber und Alonso davon, während Vettel phasenweise bis auf Rang neun zurückfiel und sich gegen Ende hin ein Duell mit Felipe Massa (Ferrari) abzeichnete. Massa lieferte heute eine seiner besseren Vorstellungen in dieser Saison ab: "Das Rennen war fantastisch, ich habe sogar Sebastian überholt", freut er sich. Aber: "Leider habe ich den Platz an der Box wieder verloren."

Denn Massa und Vettel fuhren an vierter und fünfter Stelle liegend lange Stints, mussten ihren jeweils dritten und letzten Boxenstopp in der vorletzten Runde (!) absolvieren. Dabei hatte Renningenieur Guillaume Rocquelin Vettel in der 58. Runde noch angefunkt: "Mach genau das Gegenteil von Massa - wenn er reinkommt, bleibst du draußen, wenn er draußen bleibt, kommst du rein!" Aber Vettel verweigerte den Befehl, was sich als goldrichtig herausstellen sollte.

Red-Bull-Crew rettet Vettel Platz vier

Als es nämlich zum Showdown der beiden Boxencrews kam, arbeiteten die Mechaniker von Vettel schneller. Somit erntete er den Lohn für seine offensichtlich schnellere Pace, die er hinter Massa viele Runden lang vernünftig im Zaum halten musste: "In der zweiten Rennhälfte hätte ich schneller fahren können, aber mit dem Boxenstopp hat es natürlich gut geklappt - da haben meine Jungs kühlen Kopf bewahrt", so der Deutsche.

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Anbremsen der NGK-Schikane: Nick Heidfelds Kollision mit Sebastien Buemi Zoom Download

Nach elf Runden führte Hamilton 0,5 Sekunden vor Webber und 1,9 Sekunden vor Alonso - und eine Runde später lag Webber ausgangs NGK-Schikane schon für ein paar Meter in Führung, ehe Hamilton doch wieder konterte. Dieses Geplänkel nutzte Alonso, der von hinten endgültig aufschließen konnte. 'Motorsport-Total.com'-Experte Marc Surer: "Es war ein super Grand Prix mit verschiedenen Leadern und einem spannenden Kampf um die Spitze."

Wie aufgeladen der Dreikampf in jener Phase war, bewies ein Funkspruch von Hamilton: "Stop talking while I'm racing!" In Runde 14 eröffnete Webber dann die Boxenstopps der Siegesanwärter, in Runde 16 kamen Hamilton und Alonso rein. Webber sicherte sich dadurch tatsächlich die Führung, gab diese beim zweiten Stopp aber wieder ab. "Wer früher stoppt, verliert", schien dabei die Regel zu sein, denn die Reihenfolge der Top 3 drehte sich in den Runden 30, 31 und 32 genau um.

Hamilton: Racing wird belohnt

In jener Phase zeigte sich Hamiltons Extraklasse, denn nach seinem zweiten Stopp konnte er sich in der Mercedes-Arena erfolgreich gegen Webber wehren, nach dem dritten Stopp setzte er das gleiche Manöver aus der Position des Hintermanns gegen Alonso aber erfolgreich um. "Das können andere auch, aber er zieht es ganz konsequent durch", lobt Experte Stuck die letztendlich rennentscheidende Szene des heutigen Rennens.

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Duell an der Boxengasse: Felipe Massa hier noch vor Sebastian Vettel Zoom Download

Denn im letzten Stint auf den härteren Pirelli-Mediums ließ Hamilton nichts mehr anbrennen, obwohl er wegen seiner abbauenden weichen Pneus vor seinen beiden direkten Konkurrenten an die Box kommen musste. Alonso: "Im letzten Stint kam ich nicht mehr näher an Lewis ran. Mit den Medium-Reifen waren wir nicht schnell genug, also haben wir den Abstand auf Mark kontrolliert. Aber es war wieder ein großartiges Rennen."

Webbers Strategie, erst in der 56. Runde an die Box zu kommen, war wohl nur noch der verzweifelte Versuch, mit Hilfe eines späten Regenschauers doch noch zu gewinnen - doch trotz der schlechten Wetterprognosen blieb es in der Eifel diesmal an allen drei Tagen trocken. "Schade, ich hätte schon auf ein bisschen Regen gehofft", meint etwa Michael Schumacher (Mercedes), der 9,9 Sekunden hinter seinem Teamkollegen Nico Rosberg als Achter ins Ziel kam.

Platz sechs wäre möglich gewesen

Schumacher fuhr einmal mehr ein aggressives Rennen, hatte Glück, als er Jaime Alguersuari (Toro Rosso) in der NGK-Schikane beinahe ins Heck gerauscht wäre, zeigte aber auch in einigen Zweikampf-Situationen seinen bekannten Killerinstinkt. Ein besseres Ergebnis verschenkte er jedoch durch einen unnötigen Dreher. "Ich gehe davon aus, dass wir vor Adrian hätten bleiben können, aber solche Dinge passieren", ärgert er sich.

Adrian Sutil (Force India), ein bekennender Nürburgring-Spezialist, knüpfte im Rennen nahtlos an seine starke Qualifying-Leistung an und wurde (noch in der gleichen Runde wie Sieger Hamilton) starker Sechster. "Sechster Platz ist natürlich super. Gute Strategie, aber auch das Auto hat gut gepasst. 15 Sekunden nach hinten - das war komfortabel", freut er sich und kündigt an: "So wollen wir die zweite Saisonhälfte beenden."

Auch Rosberg, der am Ende überrundet wurde, spricht von einem "guten Wochenende", obwohl er seinen fünften Platz nach dem Start ("Massa war einfach zu schnell") nicht lange halten konnte: "Ein Platz besser wäre noch gegangen, aber Siebter ist okay." Die hohen KERS-Temperaturen vor dem Start waren übrigens kein Problem: "Supercool zu sehen, wie schnell die Jungs gearbeitet haben! Das hatte überhaupt keinen Einfluss auf mein Rennen."

Somit holten vier von sechs Deutschen WM-Punkte. Leer ging Timo Glock (Marussia-Virgin) aus, der zehn Sekunden vor Teamkollege Jerome D'Ambrosio 17. wurde, und auch Nick Heidfeld (Renault), für den das Heimspiel zu einer verkorksten Angelegenheit wurde. Die Durchfahrstrafe für die Startkollision mit Paul di Resta (Force India) musste er nämlich nur nicht absitzen, weil er zu dem Zeitpunkt nach einem Crash mit Sebastien Buemi (Toro Rosso) schon ausgeschieden war.

Heidfeld kritisiert Buemi

"Er hat die linke Seite zugemacht, was legitim ist. Wenn ich dann aber rechts neben ihm bin, kann er nicht einfach nach rechts rüberfahren und mich in die Wiese reindrängen", kritisiert der Deutsche Buemi. "Ich hatte keinen Platz. Es war dumm und nicht ungefährlich. Zum Glück ist nichts passiert. Er musste wissen, dass ich da war. Keine Ahnung, was da in ihm vorgegangen ist. Es war klar, dass das nicht gut gehen kann."

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Lewis Hamilton wuchs heute über sich hinaus, hier vor Verfolger Mark Webber Zoom Download

Weitere Ausfälle betrafen Vitantonio Liuzzi (HRT), der bis dahin souverän vor seinem Teamkollegen Daniel Ricciardo (19.) lag, Jenson Button (McLaren/Hydraulik) und Rubens Barrichello (Williams/Ölleck). Karun Chandhok (Lotus) sah bei seinem Comeback als Ersatz für Jarno Trulli immerhin die Zielflagge, wenn auch mit vier Runden Rückstand und als 20. und letzter gewerteter Fahrer des zehnten Saisonlaufs.

In der Fahrer-WM führt nach zehn von 19 Grands Prix weiterhin Vettel (216 Punkte) vor Webber (139), Hamilton (134) und Alonso (130). "Ich freue mich, dass es ein spannendes Rennen war, aber die Weltmeisterschaft schmeißt es nicht gerade um", schmunzelt Experte Surer. Auch bei den Konstrukteuren ist die Führung von Red Bull (355) vor McLaren (243) komfortabel. Weiter geht's schon in einer Woche auf dem Hungaroring bei Budapest.

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