Alonso ohne Chance: Vettel siegt in Spanien!
Sebastian Vettel feiert auch in Valencia einen souveränen Sieg vor Alonso und Webber - Erstmals überhaupt 24 Autos im Ziel eines Formel-1-Rennens
(Motorsport-Total.com) - So langsam kann einem dieser Sebastian Vettel unheimlich werden: Zwei Wochen, nachdem er in der letzten Runde in Montreal ein erstes Anzeichen von Schwäche gezeigt hat, lieferte der Red-Bull-Pilot beim Grand Prix von Europa im sonnigen (und 28 Grad heißen) Valencia eine makellose Performance ab, mit der er sich im achten Saisonrennen bereits den sechsten Sieg sicherte.
Vettel stellte damit in der Heimat seines heute schärfsten Kontrahenten Fernando Alonso (Ferrari) einen neuen Rekord auf, denn mit sechs Siegen und zwei zweiten Plätzen ist noch nie jemand in eine Formel-1-Weltmeisterschaft gestartet. Alonso lieferte vor eigenem Publikum zwar eine kämpferisch starke Leistung ab, in der entscheidenden Phase hatte er jedoch keine Chance gegen Dominator Vettel, sodass ihm am Ende 10,8 Sekunden auf den Sieg fehlten.
"Mehr als der zweite Platz war einfach nicht drin", gratuliert Alonso Vettel zum Sieg. "Zwischen den Red Bulls Zweiter zu werden, ist eine fantastische Leistung des Teams. Es geht in die richtige Richtung. Hoffentlich sind wir nächstes Mal noch näher dran." Doch Technikchef Pat Fry relativiert die starke Vorstellung: "Die Streckencharakteristiken von Valencia und Kanada haben den Stärken unseres Autos in die Hände gespielt."
Vettel: Spaß bei einsamer Fahrt
So oder so geriet Vettel nie ernsthaft in Gefahr, aber langweilig wurde dem Seriensieger trotzdem nicht: "Es hat mir sehr viel Spaß gemacht! Von außen sieht es vielleicht langweilig aus, wenn man einsam an der Spitze fährt, aber ich liebe das, wenn man jede Runde gegen sich selbst fährt, versucht, den Abstand nach hinten zu vergrößern gegenüber den anderen, versucht, auf das Auto zu hören, es fein abzustimmen, mit der Box zu reden."
Bereits der Auftakt war genau nach Plan verlaufen: Der Polesetter kam ähnlich gut wie sein Teamkollege Mark Webber von der Linie weg, sodass die beiden "Bullen" als Erster und Zweiter in die erste (eigentlich zweite) Kurve einbogen. Den besten Start erwischte jedoch Felipe Massa (Ferrari), der schon fast auf gleicher Höhe wie Webber war, dann aber zurückzog, was Alonso außen nutzte, um sich vor dem Brasilianer zu behaupten.
Erstaunlich passiv agierte Lewis Hamilton (McLaren), bei dem die scharfe Kritik an seinem Fahrstil offensichtlich doch Spuren hinterlassen hat. Denn während die Ferraris an ihm vorbeibrausten, setzte sich der Ex-Weltmeister kaum zur Wehr und fiel daher auf den fünften Platz zurück. Sechster war zunächst Nico Rosberg (Mercedes), der sich jedoch trotz seines überragenden Topspeeds nicht lange vor Jenson Button (McLaren) halten konnte.
Vettel erfüllte indes die erste Zielsetzung perfekt, indem er mit 1,8 Sekunden Vorsprung in die dritte Runde ging - somit konnte Webber gegen ihn keinen DRS-Joker setzen. Allerdings zeichnete sich bereits in jener frühen Phase des Rennens ab, dass die beiden Red Bulls und Alonso ganz vorne unter sich bleiben würden; besonders zwischen Webber und Alonso bahnte sich ein spannendes Duell um den zweiten Platz an.
Alonso gewinnt Duell gegen Webber
"Ich habe versucht, ihn beim Boxenstopp zu überholen, bekam die Chance dann auf der Strecke, nicht an der Box. Ich überholte ihn beim Anbremsen von Kurve zwölf", erinnert sich Alonso an den Zweikampf. "Dann haben sie beim Stopp gut gearbeitet und überholt und beim letzten Boxenstopp hatten wir dann eine sehr gute Strategie. Wir sind mit den weichen Reifen ein paar Runden länger draußen geblieben, sodass wir wieder an ihm vorbeigekommen sind."
Webber für seinen Teil war jeweils der Erste aus dem Spitzentrio, das bis zum letzten Boxenstopp innerhalb von fünf Sekunden lag, und war phasenweise schneller als sein führender Teamkollege. Nach 32 Runden lag er nur 1,8 Sekunden hinter Vettel, den er aber nie ernsthaft attackieren konnte. Trotzdem kann Webber dem heutigen Tag etwas Positives abgewinnen: "Bis zum letzten Boxenstopp war es mein bestes Rennen der Saison. Ich bin sehr glücklich."
Dass er im Finish zu früh an die Box kam und so noch den Platz gegen Alonso verlor, "war mein Fehler, nicht der des Teams", gibt Webber zu. "Ich wollte früher als Fernando reinkommen. Wir wussten nicht genau, wie der Medium funktionieren würde. Klar ist er langsamer als der Soft, aber ist ein neuer Medium schneller als ein gebrauchter Soft? Da haben wir halt riskiert. Es war meine Entscheidung." Am Ende musste er dann auch noch das Getriebe schonen.
Grundlage für Webbers Platzverlust war ein ungewöhnliches Phänomen: "So wie die Reifen heute waren, hatte das später stoppende Auto einen Vorteil", erklärt Ferrari-Technikchef Fry. "Webber hat uns beim zweiten Halt locker überholt. Es hatte auch mit dem Unterschied zwischen den beiden Mischungen zu tun. Auf manchen Strecken ist es besser, wenn man länger draußen bleibt, bevor man auf die härtere Sorte wechselt. Es ist ein interessantes Schachspiel."
Langweiliges Rennen für Hamilton
Hinter den Top 3 erlebte Hamilton nach dem zurückhaltenden Start einen durchwachsenen Nachmittag. Vor allem die hohen Temperaturen der Pirelli-Hinterreifen hielten ihn auf Trab. Erst forderte ihn die McLaren-Box auf, langsamer zu fahren (Antwort: "Noch langsamer kann ich nicht!"), dann wollten sie ihn plötzlich verbal anschieben ("Geht nicht schneller!"). Fazit: Nach recht früh getimten Boxenstopps Vierter, 46,1 Sekunden Rückstand auf Vettel.
"Es war ein langweiliges Rennen", ätzt Hamilton und meckert: "Wir waren nicht schnell genug." Sein Teamkollege Jenson Button ist nach Platz sechs ähnlich enttäuscht: "Das Auto war nicht besonders stark. Ich hatte Traktionsprobleme und mein KERS fiel gegen Rennmitte aus. Das hat pro Runde viereinhalb Zehntel gekostet. Dann acht Sekunden hinter einem Ferrari ins Ziel zu kommen, ist angesichts der Umstände gar nicht so schlecht."
Button kam nämlich unmittelbar hinter Massa ins Ziel, für den unter Umständen ein bisschen mehr drin gewesen wäre, wenn nicht seine Crew wieder einmal einen Boxenstopp verpatzt hätte. Im einsamen Niemandsland rollte hingegen Rosberg durch Valencia: 38 Sekunden Rückstand auf Button, eine Runde Vorsprung auf Jaime Alguersuari (Toro Rosso) - sein siebter Platz hätte gar nicht besser abgesichert sein können.
Alguersuari, nach Startposition 18 noch arg gescholten, avancierte heute übrigens zum Mann des Rennens: "Ich habe nichts anders gemacht", sagt der Achte, der damit bestplatzierter Zweistopper war. "Die Reifen haben gut gehalten, deswegen stehe ich in den Punkten. Der Schlüssel ist dieses Jahr die Konstanz im Rennen. Wenn du im Qualifying nicht so schnell bist, aber im Rennen, dann ist es okay. Deswegen konzentrieren wir uns auf die Rennperformance."
Deutsch-deutsches Duell um Platz neun
Adrian Sutil (Force India) und Nick Heidfeld (Renault) wurden wie schon im Qualifying Neunter und Zehnter, tauschten heute aber die Plätze. "Besser als in die Hose geschissen, aber nicht das Gelbe vom Ei", lautet Heidfelds lapidarer Kommentar zu diesem Ergebnis. Sutil wäre beinahe noch Achter geworden, konnte im Finish gegen Alguersuari aber den DRS-Vorteil nicht ganz ausspielen, weil er jeweils an den Drehzahlbegrenzer stieß.
Der einzige Einstopper des heutigen Tages war Sergio Perez als Elfter, dem am Ende 6,7 Sekunden auf einen Punkt fehlten. Sauber spielte im Rennen aber ebenso wenig eine Rolle wie Williams. Für Action sorgte dafür Michael Schumacher (Mercedes): Kollision mit Witali Petrow (Renault) nach dem ersten Boxenstopp, im Vorbeigehen die weiße Linie marginal überfahren - und trotzdem nicht von der Rennleitung bestraft!
Glück gehabt, werden die einen sagen, "macht eh keinen Unterschied", winkt Mercedes-Sportchef Norbert Haug ab. Außerdem war das linke Vorderrad nicht mit vollem Umfang über der Linie. Schumacher hat das "gar nicht gemerkt", betont aber: "Es war keine Absicht." Die anschließende Kollision sieht er als seine eigene Schuld an: "Mit dem Unfall gleich nach dem ersten Boxenstopp, der auf meine Kappe geht, war das Rennen beendet."
Am Ende wurde der siebenfache Weltmeister 17., aber nicht ohne noch für weitere Action zu sorgen. Denn nach der Petrow-Kollision fuhr er mit losem Frontflügel weiter und überholte sogar noch Sutil! "Ich war schon besorgt, ob der Flügel wo hingehen kann, aber sobald er halbwegs hält, fährt man halt", so Schumacher. Hinter ihm kamen nur noch Pastor Maldonado (Williams) und sie sechs Autos der drei "neuen" Teams ins Ziel.
Vettel schon uneinholbar?
Sieger Vettel hat nach acht von 19 Saisonrennen schon 77 Punkte Vorsprung auf seine beiden Verfolger Button und Webber, was bedeutet, dass er Ende August unabhängig von den nächsten Ergebnissen auf jeden Fall als WM-Leader nach Spa-Francorchamps kommen wird. Außerdem drehte er heute quasi im Vorbeigehen die 1.000 Führungsrunde seiner Karriere. Alle fragen sich: Wer soll den zweiten Titelgewinn jetzt noch verhindern?
"Ich schaue nicht auf den Vorsprung, denn es ist eine lange Saison", bleibt Vettel auf dem Boden. "Natürlich sind wir fantastisch gestartet, aber das Ziel ist, Schritt für Schritt zu denken. Natürlich müssen wir nicht mehr unnötiges Risiko eingehen, um zu gewinnen, aber wenn sich eine Chance bietet, dann müssen wir sie nutzen. Es wird auch Tage geben, wo wir nur Dritter werden können, aber dann müssen wir halt auch Dritter werden."
Vor allem hilft ihm, dass sich die Gegner fleißig gegenseitig Punkte wegnehmen, denn Ferrari und McLaren sind zwar in Einzelrennen schnell, aber nicht konstant genug: "Wir erleben nie, dass Ferrari und McLaren am gleichen Wochenende konkurrenzfähig sind - das wechselt immer. Die einzige Konstante ist Sebastian", strahlt Teamchef Christian Horner - auch über stattliche 89 Punkte Vorsprung auf McLaren in der Konstrukteurs-WM!
Übrigens: Die 85.127 Zuschauer in Valencia erlebten heute einen neuen Rekord, denn erstmals in der Geschichte der Formel 1 sahen 24 Autos die Zielflagge. Keinen Ausfall gab es ansonsten nur in Zandvoort 1961 sowie in Indianapolis (Farce-Grand-Prix mit sechs Teilnehmern) und Monza 2005. Weiter geht es mit dem neunten Saisonrennen in zwei Wochen in Silverstone - dann erstmals komplett ohne Zwischengas-Motorenmappings.