Montreal: Dreimal rote Flagge - und ein Roter vorne...
Fernando Alonso war am Freitag in Montreal schneller als Sebastian Vettel - Adrian Sutil eröffnet Unfallserie im Nachmittagstraining - Sergio Perez außer Gefecht
(Motorsport-Total.com) - Montreal ist immer für ein bisschen Action gut, aber diesmal müssen die kanadischen Fans dafür nicht einmal auf den Rennsonntag warten: Bereits während des Freitagstraining gab es insgesamt drei rote Flaggen, zwei davon in der zweiten Session am Nachmittag. Rot sah dann auch die Konkurrenz, denn mit Fernando Alonso setzte sich ein Ferrari-Pilot an die Spitze.
Alonso führte das Feld schon mit den härteren Pirelli-Primes an und war dann auch der einzige Fahrer, der sich in den letzten Minuten mit den weicheren Options noch entscheidend steigern konnte. Der Spanier markierte eine Bestzeit von 1:15.107 Minuten und wäre unter normalen Umständen sogar noch ein bisschen schneller gewesen, wenn ihn nicht auf seiner besten Runde Nick Heidfeld (Renault) im letzten Sektor aufgehalten hätte.
Sutil, Kobayashi, D'Ambrosio in der Mauer
Doch im Mittelpunkt stand diesmal nicht die Zeitenjagd, sondern eine Unfallserie ab der 52. Minute: Zuerst krachte Adrian Sutil (11./Force India/+1,798) in Kurve sieben in die Mauer, doch diesen Zwischenfall konnten die Streckenposten noch mit gelben Flaggen lösen. Als dann aber in Kurve vier unmittelbar hintereinander Kamui Kobayashi (15./Sauber/+2,650) und Jerome D'Ambrosio (24./Marussia-Virgin/+5,815) in die Mauer krachten, musste zweimal unterbrochen werden.
So wurde die letzte halbe Stunde des Trainings praktisch halbiert, was die Programme der Teams durcheinanderbrachte und dazu führte, dass bis auf Alonso fast alle auf ihren sonst üblichen Qualifying-Testrun mit den weicheren Reifen verzichteten, um stattdessen lieber die Haltbarkeit der Pneus zu testen. Lewis Hamilton (4./McLaren/+0,870) hatte ohnehin keine weichen Reifen mehr, weil er nach dem D'Ambrosio-Crash mit Reifenschaden an die Box gehumpelt war.
Erstaunlich stark war unbeeindruckt von dem ganzen Chaos Sebastian Vettel (Red Bull) unterwegs, denn der Weltmeister belegte mit 0,369 Sekunden Rückstand den guten zweiten Platz. Besonders beeindruckend: Gleich in der ersten Runde nach seinem Unfall am Vormittag übernahm Vettel die Führung, nach der zweiten Runde hatte er schon fast eine Sekunde Vorsprung auf seinen Teamkollegen Mark Webber. Der wurde am Ende Siebter (+0,995).
Surer erwartet Konkurrenz für Red Bull
"Ich gehe davon aus, dass Red Bull hier echte Gegner hat", analysiert 'Motorsport-Total.com'-Experte Marc Surer. "Ferrari sieht stark aus - und dass McLaren hier gut ist, wussten wir ja schon vorher." Apropos Ferrari: Nicht nur Alonso scheint gut in Form zu sein, sondern auch Felipe Massa (+0,494), der in Montreal noch nie ein Qualifying-Stallduell verloren hat, glänzte als Dritter. Kurios: Massa hatte nach dem Kobayashi-Crash ein Sauber-Wrackteil im Seitenkasten...
Für Sauber hatte der Nachmittag ohnehin schon vermurkst begonnen, denn Sergio Perez meldete nach dem ersten Training Übelkeit (womöglich eine Folge seines Monaco-Unfalls) und muss für den Rest des Wochenendes passen. "Vielleicht sind wir übervorsichtig, aber bezüglich der Gesundheit unserer Fahrer gehen wir null Risiko ein", erklärt Teamchef Peter Sauber. Auch Perez selbst sagt: "Ich will nur fahren, wenn ich hundertprozentig fit bin."
Ersatz war schnell gefunden: Ex-Sauber-Pilot Pedro de la Rosa zog einen seiner McLaren-Overalls an, die Mechaniker klebten seinen Namen aufs Auto - und in der letzten halben Stunde schaffte er immerhin noch 14 Runden. Der Spanier landete auf dem 18. Platz, hatte knapp dreieinhalb Sekunden Rückstand auf die Spitze. Damit blieb er sogar vor beiden Mercedes-Silberpfeilen, deren Ergebnis am Nachmittag jedoch nicht repräsentativ war.
Mercedes nicht auf Zeitenjagd
"Wir sind im Renntrimm gefahren und sind sehr zufrieden mit dem, was wir am Nachmittag gezeigt haben", zeigt sich Sportchef Norbert Haug unbesorgt. "Die Zeit von Nico am Vormittag zeigt ja, dass die Nachmittagszeiten keineswegs außer Reichweite sind. Wir wissen, wie viel Sprit wir im Tank hatten." In der Tat: Im Freitags-Gesamtklassement fiel Nico Rosberg lediglich vom ersten auf den dritten Platz zurück; Michael Schumacher wurde Gesamtelfter.
In den Top 10 sorgte indes - hinter Jenson Button (5./McLaren/+0,882) - Montreal-Neuling Paul di Resta (Force India/+0,982) für eine kleine Überraschung. Auf den Positionen acht und neun landeten die Renault-Piloten Witali Petrow und Heidfeld, Zehnter wurde Rubens Barrichello (Williams). Letzterer war am Nachmittag mit altem Front- und Heckflügel um zweieinhalb Zehntelsekunden schneller als Pastor Maldonado (12./+1,834) mit neuem Aeropaket.
Generell ist es aufgrund des turbulenten Verlaufs schwierig, die Freitagszeiten zu deuten. Tatsache ist dafür aber, dass die weichere der beiden Pirelli-Mischungen besser zu halten scheint als befürchtet, denn Alonso konnte damit im Finish gleich mehrere schnelle Runden am Stück drehen. Ebenfalls interessant: Den (in Montreal durchaus wichtigen) besten Topspeed hatte Force India (Sutil) mit 329 km/h, gefolgt von Renault und Williams (je 328).